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Konjunktur für Wetterfrösche

Justyna Brosnka2. Oktober 2012

Ohne sie läuft es nicht. Energiemeteorologen liefern die Basis für die sichere Stromversorgung. Ihre Wetterprognosen brauchen grüne Stromanbieter ebenso wie konventionelle Betreiber.

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Ein Mitarbeiter zeichnet in der Zentrale des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach an einer Wetterkarte. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Mit gerunzelter Stirn schaut Thomas Sperling auf einen Bildschirm, auf dem vier bunte Grafiken abgebildet sind. Sie stellen jeweils zwei Kurven dar: die rote zeigt die reale Stromerzeugung eines Windparks, die blaue, was sein Team für diesen Windpark vorhergesagt hat. Anhand dieser Auswertung kann er sehen, wie groß die Fehler bei der Windprognose der letzten Woche waren. Thomas Sperling ist Energiemeteorologe und Chef des Wetterdienstleisters EuroWind in Köln. Mit seinen 18 Mitarbeitern berechnet er wie viel Strom aus Sonne oder Wind erzeugt werden kann. Diese Informationen verkauft er an Energieversorger, die auf grüne Energie setzten.

Auf die Idee wetterabhängige Stromprognosen herzustellen, kam der Meteorologe Sperling zusammen mit einem Kollegen vor 10 Jahren. "Wir haben das nur als ein Hobby betrachtet" erinnert sich der 52-jährige Meteorologe. Schnell wurde ihr Hobby zum Hauptberuf, der ihnen große Gewinne beschert. Von dieser Entwicklung war Sperling selbst überrascht. Er weiß, er hatte Glück, denn durch das Energieeinspeisegesetz und durch andere flankierende Maßnahmen aus der Politik, hätten die erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung einen stets steigenden Anteil bekommen, sagt er.

Ohne Wetterdaten läuft das Geschäft nicht

Als in der Vergangenheit der Strom fast ausschließlich aus Atom-, Gas- und Kohlekraftwerken erzeugt wurde, waren die Energieversorger in der Lage, die Stromproduktion dem Bedarf entsprechend anzupassen. Wenn erneuerbare Energien den Strom liefern, ist dagegen eine ganz andere Art von Planung nötig. Denn wie viel Strom aus Wind und Sonne erzeugt wird, hängt von der Windstärke und Sonneneinstrahlung ab. Inzwischen brauchen die Energiekonzerne also Wetterprognosen, die ihnen sagen, wie viel Strom voraussichtlich durch erneuerbare Energien produziert werden kann. Entsprechend können sie ihre herkömmlichen Kraftwerke steuern, um so ein Gleichgewicht zwischen Stromverbrauch und Stromerzeugung herzustellen und für eine garantierte Stromversorgung zu sorgen. Wenn zum Beispiel viel Windstrom produziert wird, werden die Kraftwerke auf minimale Grundlast heruntergefahren, und wenn der Wind schwach ist, dann produzieren die Kraftwerke entsprechend mehr Strom.

27.08.2012 DW Deutschland Heute Windrad
Das Wetter bestimmt wie viel Strom aus Erneuerbaren Energien geliefert wird - ein Unsicherheitsfaktor, der durch Prognosen entkräftet werden soll

Fünf Kilometer Luftlinie von EuroWind entfernt hat der Energieversorger RheinEnergie seinen Hauptsitz. Er bekommt stündlich die Prognosen von EuroWind und anderen Anbietern. Gleich vier Wetterdienstleister hat RheinEnergie engagiert, um eine hohe Prognosequalität gewährleisten zu können, sagt Omar Ramdani aus Handelsabteilung von RheinEnergie. "Ohne Wetterdienstanbieter läuft der Markt nicht. Alle Marktteilnehmer schauen darauf", fügt er hinzu.

Gute Prognosen bringen sichere Gewinne

Die Energieversorger können den Ökostrom entweder ins Netz einspeisen, dafür bekommen sie die gesetzliche Vergütung. Oder, was größere Gewinne, verspricht: Sie handeln mit dem grünen Strom an der Leipziger Strombörse EEX. Jeden Tag stellen Energiekonzerne ihre Gebote für Kauf und Verkauf ein. Auch RheinEnergie nimmt an dieser Auktion teil, erklärt Omar Ramdani das Handeln mit den erneuerbaren Energien. Deshalb "müssen wir genau wissen, wie viel Energie wir am nächsten Tag einsetzen können".

Das heißt: Die Energieversorger verkaufen an der Börse ihren Strom für den Folgetag. Damit müssen sie sicherstellen, dass sie am nächsten Tag die verkaufte Strommenge an die Abnehmer liefern können. Verkaufen sie mehr Strom als ihre Windanlagen schließlich produzieren, dann müssen sie für die Abweichungen bezahlen. Außerdem werden auf der Grundlage von Wetterdaten die Strompreise für die nächsten Tage abgeschätzt. Deshalb seien die Wetterprognosen für Energiekonzerne sehr wertvoll, betont Omar Ramdani und bemerkt, dass die geringe Fehlerquote sehr wichtig für das Geschäft sei. "Je genauer die Wetterprognosen sind, desto genauer unsere Prognosen der Stromproduktion. Darauf sind wir angewiesen."

Die Konkurrenz wird immer größer

Bei EuroWind arbeiten Energiemeteorologen ständig daran, die Fehlerquote ihrer Vorhersagen zu minimieren. Nur wer die treffsichersten Prognosen liefert, kann sich auf dem Markt behaupten, weiß der Energiemeteorologe Sperling nur zu gut. "Die Konkurrenz wird natürlich auch größer", der Meteorologe zuckt mit den Schultern. "Es gibt immer mehr Anbieter die ähnliche Produkte anbieten." EuroWind war einer der ersten auf dem deutschen Markt. Mittlerweile gibt es rund 20 solcher Wetteranbieter.

Bislang laufe das Geschäft sehr gut, freut sich Sperling und zieht sein Polo-T-Shirt zurecht. Rund 80 Kunden hat er zurzeit und ständig kommen neue dazu, "Wir müssen gar nicht viel Energie auf eigenes Marketing verwenden", erzählt er. Häufig kämen Kunden auf EuroWind zu, um nach Informationen oder Daten zu fragen. Der Meteorologe Sperling ist sich sicher: Die Nachfrage nach Wetterprognosen wird weiterhin steigen. Die Entscheidung der Bundesregierung, aus der Atomenergie auszusteigen und die erneuerbaren Energien auszubauen, wird das Geschäft mit den Wetterdaten vorantreiben.