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Rumänien auf Abwegen

Keno Verseck14. August 2012

Politiker-Cliquen liefern sich einen Machtkampf, der nicht immer im Einklang mit den Grundsätzen des Gesetzes steht. Die Macht des Premiers ist begrenzt, und das Verfassungsgericht wendet sich hilfesuchend an Brüssel.

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Szene einer Demonstration gegen Präsident Basescu vor dem Referendum am 29. Juli (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Seit Wochen bemüht sich die Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta, den Anfang Juli suspendierten Staatspräsidenten Traian Băsescu endgültig seines Amtes zu entheben. Zu diesem Zweck wurden geltende Gesetze und Entscheidungen des Verfassungsgerichts übertreten. Als "Revolution der Strauchdiebe" bezeichnete das rumänische Internetportal hotnews.ro dieses Vorgehen. Nun kommen zu diesen Methoden noch die Fälschung von Bevölkerungszahlen und Wahlbetrug hinzu.

Am 10. August 2012 veröffentlichte die Staatsanwaltschaft am Obersten Gerichtshof Rumäniens Protokolle abgehörter Telefongespräche von Ministern und hohen Beamten. Aus den Gesprächen geht hervor, dass Mitglieder der Ponta-Regierung Wahllisten manipulieren lassen wollten. So sollten zum Beispiel Zehntausende Wähler auf diesen Listen für tot erklärt und die Auslandsrumänen davon gestrichen werden. Inzwischen ermittelt die rumänische Justiz wegen des Verdachts einer Manipulation der Wählerlisten.

Durch die gefälschten Daten sollte das gescheiterte Referendum zur Absetzung des suspendierten Staatschefs Traian Băsescu vom 29. Juli 2012 nachträglich für gültig erklärt werden. Rund 46 Prozent der Wahlberechtigten haben sich am Volksentscheid beteiligt. Über 80 Prozent der Rumänen, die am Referendum teilnahmen, stimmten für eine Amtsenthebung des Präsidenten - doch für seine endgültige Suspendierung wäre eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent nötig gewesen.

Porträt des suspendierten rumänischen Präsidenten Traian Basescu (Foto: Reuters)
Traian Băsescu sieht sich als Sieger des ReferendumsBild: Reuters

Druck auf Verfassungsrichter

Durch den Machtkampf zwischen Regierungsmehrheit und Staatschef steckt Rumänien inzwischen in einer der schwersten politischen Krisen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Die Bukarester Tageszeitung Adevărul schreibt, dass das Land einen "politischen Kollaps" erlitten habe. Die ehemalige Justizministerin Monica Macovei, derzeit Mitglied des EU-Parlaments, bezeichnet Pontas Kabinett als "gesetzesbrecherische Regierung, die Rumänien in der EU marginalisiert" habe.

Anfang August war es in Rumänien zu einem Eklat um das Verfassungsgericht gekommen. Das Gericht muss demnächst darüber entscheiden, ob das Referendum zur Absetzung Băsescus gültig war oder nicht. Der Präsident des rumänischen Verfassungsgerichtes, Augustin Zegrean, hat sich hilfesuchend an die Europäische Kommission und den Europarat gewandt. Die Ponta-Regierung übe massiven Druck auf die Verfassungshüter aus, Richter des Gremiums seien bedroht worden, schrieb Zegrean in einem offiziellen Brief an Brüssel.

Bedrängte Rechtsstaatlichkeit

EU-Kommissionspräsident José Barroso und Justizkommissarin Viviane Reding antworteten daraufhin, die EU-Kommission sei "entschlossen, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien zu garantieren". Die Ponta-Regierung hat den Verfasser des Schreibens deshalb als eine Art Hochverräter dargestellt. Rumäniens neuer Außenminister Titus Corlăţean etwa warf Zegrean vor, durch seinen Beschwerdebrief dem Ansehen Rumäniens geschadet zu haben.

Porträt des rumänischen Premiers Victor Ponta vor einer Europa-Karte (Foto: dpa)
Die Regierung Ponta erntet Kritik aus BrüsselBild: picture-alliance/dpa

Im Eklat um das Verfassungsgericht zeige sich, dass "die Rechtsstaatlichkeit in Rumänien nicht wirklich entwickelt" sei und dass "ein Angriff auf die wenigen Bereiche des Rechtsstaates, die funktionieren", stattfinde, beklagt Péter Eckstein-Kovács, ein bekannter Anwalt für Menschenrechte und Politiker der ungarischen Minderheit in Rumänien.

Kein Interesse an Werten der EU

Der sozialistische Premier Victor Ponta selbst plädierte zwar bereits mehrfach dafür, die Niederlage im Kampf mit dem Staatschef zu akzeptieren. Doch offenbar konnte er sich mit dieser Haltung nicht gegen die Hardliner in seiner Partei durchsetzen. Beobachter gehen davon aus, dass er in der von ihm geführten Sozialdemokratischen Partei über wenig Autorität verfügt und dass die sogenannten "Lokalbarone" einen großen Einfluss auf sein politisches Schicksal haben: mächtige lokale Politiker, die einzelne Regionen Rumäniens politisch und ökonomisch kontrollieren. Außerdem steht der Regierungschef wegen einer Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit in der Kritik.

"Bei uns werden keinerlei Regeln mehr eingehalten, ein großer Teil der politischen Elite interessiert sich nicht für die Werte der EU und möchte Rumänien am liebsten außerhalb der EU sehen", sagt die Juristin Laura Ştefan, die als Mitglied einer Expertenkommission im Auftrag der EU regelmäßig den Stand der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien überprüft. "Jetzt wird alles, was wir als Aktivisten der Zivilgesellschaft in zwei Jahrzehnten mühsam aufgebaut haben, in wenigen Tagen zerstört."