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Anti-Korruptionsappell

Arnd Riekmann8. August 2012

Führende deutsche Konzernchefs fordern: Der Bundestag soll endlich das UN-Abkommen gegen Korruption ratifizieren. Grund für den Appell: Die Unternehmen sorgen sich um das Ansehen der deutschen Wirtschaft in der Welt.

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Blick in den Bundestag (Foto: Maurizio Gambarini (dpa))
Bild: picture alliance / dpa

Vor neun Jahren wurde die UN-Anti-Korruptions-Konvention auf den Weg gebracht. 160 Länder haben die "United Nations Convention Against Corruption" (UNCAC) bereits unterzeichnet. Das Abkommen verpflichtet diese Staaten dazu, gegen korrupte Amtsträger vorzugehen - also gegen eigene Beamte und Parlamentsabgeordnete, die sich bestechen lassen. Außerdem müssen die Unterzeichner bei Korruptionsfällen international eng zusammenarbeiten.

Doch einige wenige Länder sperren sich bislang im Kampf gegen die Bestechlichkeit: darunter Saudi Arabien, Syrien, der Sudan und auch Deutschland. Die ausbleibende Ratifizierung in Berlin hat nun die Chefs von mehr als 30 deutschen Konzernen auf den Plan gerufen. Sie haben einen Brief an die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen geschrieben, also sowohl an die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP als auch an die Opposition aus SPD, Grünen und Linken. Darin appellieren die Topmanager an den Bundestag, das UN-Abkommen gegen Korruption so schnell wie möglich umzusetzen.

Mann mit Geldscheinen (Foto: granata68 (Fotolia))
Nicht streng verboten: AbgeordnetenbestechungBild: Fotolia/granata68

"Das Ausbleiben der Ratifizierung schadet dem Ansehen der deutschen Wirtschaftsunternehmen", heißt es in dem Schreiben. Zu den Absendern gehören die namhaftesten Unternehmen Deutschlands: Unterschrieben haben die Chefs der Finanzkonzerne Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz, des Elektronikunternehmens Siemens, vom Autobauer Daimler und Industriegase-Spezialist Linde, ebenso die Bosse von Pharmahersteller Bayer, des Energie-Riesen Eon, des Einzelhandelskonzerns Metro und der Deutschen Telekom.

Wertewandel in der Wirtschaft

Aus Sicht von Jürgen Pauthner liegt die Initiative der Konzernmanager darin begründet, dass es in den vergangenen Jahren eine weltweiten Wertewandel in der Wirtschaft gegeben hat. Pauthner ist Experte für Compliance und Korruption an der Frankfurt School of Finance and Management. Bei dem Fachbegriff Compliance geht es um die Einhaltung von regeltreuem Verhalten in Unternehmen. "Die Glaubwürdigkeit von Unternehmen, einzelner Personen und ganzer Staaten in Bezug auf regeltreues Verhalten, auf Compliance, hat einen enormen wirtschaftlichen Wert bekommen." Und dazu gehöre auch, so Pauthner im DW-Interview, Abgeordnete nicht zu bestechen.

Jürgen Pauthner von der Frankfurt School of Frankfurt School of Finance and Management (Foto: privat)
Jürgen Pauthner: Glaubwürdigkeit hat enormen wirtschaftlichen WertBild: privat

"Ein demokratisches Land wie Deutschland muss international insgesamt glaubwürdig sein und darf sich nicht unnötig angreifbar machen", mahnen die Topmanager in ihrem Schreiben an die Bundestagsfraktionsspitzen. Der deutschen Industrie sei sehr an einem korruptionsfreien und fairen Wettbewerb in allen Partnerländern gelegen. Die Konzernchefs weisen darauf hin, dass deutsche Unternehmen in vielen Ländern Vorschriften gegen Korruption für ihre Mitarbeiter unterliegen würden. Eine Ratifizierung würde zudem auch die Bemühungen der Wirtschaft bei der Korruptionsprävention unterstützen.

Christian Homburg, der Geschäftsführer der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, begrüßt das Anliegen der Konzernchefs. "Es ist gut, dass sie sich dem angeschlossen haben, was Transparency seit Jahren fordert: dass in Deutschland endlich der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung sinnvoll verschärft werden muss, damit Deutschland die wichtigen internationalen Konventionen in dem Bereich auch ratifizieren kann."

Unzureichende Regelungen in Deutschland

Deutschland hat das Abkommen vor neun Jahren zwar unterzeichnet, doch die Ratifizierung stockt, also die nötige Absegnung durch das Parlament. Der Grund: Würde der Bundestag zustimmen, müsste auch die Abgeordneten-Bestechung klar und deutlich unter Strafe gestellt werden. Dazu gibt es in Deutschland bislang nur unzureichende Regelungen. Bestechlichkeit oder Bestechung von Parlamentariern werden nämlich allein dann als sogenannter eigener Straftatbestand geahndet, wenn es um Stimmenkauf oder -verkauf geht. Im Fokus sind dabei Abstimmungen im Plenum des gesamten Bundestages oder in seinen Fachausschüssen. Beratungen etwa in den Arbeitskreisen der Fraktionen fallen nicht darunter. Wird ein Abgeordneter bestochen, um dort ein Votum zu beeinflussen, ist das bislang nicht strafbar. Dabei fallen in diesen Gremien oft wichtige Vorentscheidungen in Sachfragen.

Christian Humborg hat den Verdacht, dass es den Abgeordneten bei ihrem Nein zur Ratifizierung nur darum geht, sich selbst zu schützen. Die Nichtratifizierung sei international ein äußerst peinliches Signal: "Wie will man denn glaubwürdig Afghanistan sagen, es soll Korruption bekämpfen, wenn es weiter Fördergelder aus Deutschland bekommen will, wenn man selber nicht diese Konvention ratifiziert."

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag (Foto: Britta Pedersen (pixel))
Kein Vorbild? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im BundestagBild: picture-alliance/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel verspreche in Sachen Korruptionsbekämpfung auf G20-Gipfeln etwas, was sie dann im eigenen Land nicht hält, so Humborg im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Und das ist international natürlich kein Vorbildverhalten."

"Das versteht kein Mensch"

Das Argument der regierenden Koalition aus CDU, CSU und FDP, sich gegen eine Verschärfung zu stemmen: Eine strengere Regelung würde die Parlamentarier in der freien Ausübung ihres Mandates hindern. "Das versteht kein Mensch", sagt Jürgen Pauthner von der Frankfurt School. "Sowohl aus juristischer wie auch aus wirtschaftlicher Sicht gibt es kein Argument, das nicht unter Strafe zu stellen."

Und ähnlich sehen das die Konzernchefs. Sie appellieren an das Gewissen der Parlamentarier: "Integre Abgeordnete brauchen sich vor schärferen Regelungen nicht zu fürchten". In ihrem Brief an die Fraktionsvorsitzenden rufen sie den Bundestag auf, mit einer Neuregelung des entscheidenden Strafgesetzbuchparagrafen 108e nicht länger zu warten.

Die Angst der Regierungsparteien vor einer Verschärfung sei unbegründet, meint auch Transparency-Geschäftsführer Humborg. Er könne sich nicht vorstellen, dass es dann sehr viele Ermittlungsverfahren beim Bundestag geben wird. "Wo die Bedeutung einer Verschärfung wichtig erscheint", so Humborg, "ist vor allem die kommunale Ebene - weil die kommunalen Mandatsträger, also die Mitglieder in Kreistagen oder Gemeindevertretungen auch unter diesen Paragraphen gefasst werden. Und da könnte ich mir schon eher vorstellen, dass es auch mal zu Unregelmäßigkeiten kommt."

Deutschland Geschäftsführer von Transparency International, Christian Humborg (Foto: Robert Schlesinger (dpa))
Christian Humborg: Äußerst peinliches SignalBild: picture-alliance/dpa

Greco, die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats, hat Deutschland schon im April aufgefordert, seine Gesetze unverzüglich zu verschärfen. Die Organisation setzte der Bundesregierung sogar eine Frist: Bis Ende Juni hatte Deutschland Zeit, seine Regeln im Kampf gegen Bestechung an internationale Standards anzupassen. Die Frist verstrich, nichts passierte. Greco erwägt deshalb nun, eine Kommission nach Berlin zu schicken, um den Druck auf Deutschland zu erhöhen.