1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ahmadinejad fordert mehr Kinder

Dorsa Gerami12. August 2012

Die letzte iranische Volkszählung beunruhigt die Machthaber. Es gibt zu wenige Kinder. Der iranische Präsident will mehr Nachwuchs, obwohl der Iran schon mit 75 Millionen Einwohnern Versorgungsprobleme hat.

https://p.dw.com/p/15hdC
Iranian President Mahmoud Ahmadinejad gestures while speaking at the 25th International Islamic Unity Conference in Tehran February 8, 2012. REUTERS/Morteza Nikoubazl (IRAN - Tags: POLITICS RELIGION)
Iran Mahmud AhmadinedschadBild: Reuters

Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad betonte zum zweiten Mal in diesem Jahr, wie wichtig eine Zunahme der iranischen Bevölkerung sei. Zugleich kritisierte er Familien mit wenigen Kindern. Seiner Ansicht nach sind kleine Familien vom Westen beeinflusst und verträten die westliche Lebensweise. Nicht zuletzt eigne sich eine wachsende Bevölkerung zur Stärkung der Nation, so der iranische Präsident.

Das Bevölkerungswachstum sank in den letzten Jahren stetig. Von 1981 bis 1991 wuchs die iranische Bevölkerung um 18 Millionen. Das entspricht einem Wachstum von 3,5 bis 4 Prozent. In den Folgejahren sank das Wachstum allerdings auf 1,3 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland schrumpft die Bevölkerung um 0,1 Prozent.

Neue Familienstruktur

Die Regierung Ahmadinejads macht die Politik der Geburtenkontrolle für den Rückgang verantwortlich. Diese Politik wurde von der ehemaligen Regierungen gefordert und vom Gesundheitsministerium umgesetzt. Beamte gingen damals in den ländlichen Gebieten von Haus zu Haus, um die Menschen über Verhütung aufzuklären.

Iranische Kinder spielen auf der Straße. Copyright: MEHR
Die Regierung fürchtet, dass nicht genug Kinder geboren werden.Bild: MEHR

Auch für Soziologen ist die Politik der Geburtenkontrolle einer der Hauptgründe für den Rückgang des Bevölkerungswachstums. Hinzu komme die Zunahme der Migration vom Land in die Städte und die neue gesellschaftliche Rolle der Frauen. In den letzten Jahrzehnten haben Familien, die in die Städte gezogen sind, ihre Lebensweise geändert. Immer mehr Frauen gehen einer Arbeit nach und ziehen es vor, keine oder wenig Kinder zu bekommen. Die Folge davon ist: die vormals üblichen, kinderreichen Familien der letzten Jahrzehnte sind durch kleinere Familien ersetzt worden.

Politik der Geburtenkontrolle neu bedenken

Ahmadinejad malt angesichts dieser Entwicklungen ein Schreckensszenario an die Wand: "Der Rückgang des Bevölkerungswachstums stellt eine Gefahr für den Iran dar. Eine Nation muss 'flüssig' und 'gebärend' sowie in der Lage sein, für ihre Zukunft zu sorgen."

Der geistige Führer will die Politik der Geburtenkontrolle überdenken. 2012. EPA/ABEDIN TAHERKENAREH +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ajatollah Ali ChameneiBild: picture-alliance/dpa

Ayatollah Khamenei, der geistliche Führer des Landes, stößt ins selbe Horn: "Die junge, gebildete Generation ist entscheidend für die Entwicklung unseres Landes. Mit diesem Rückgang müssen wir die bisherige Politik der Geburtenkontrolle neu bedenken. Wenn das Wachstum weiterhin so niedrig bleibt, dann stehen wir in Zukunft einer großen Gefahr entgegen." Gemeinsam wünschen sie sich eine Bevölkerung von mindestens 150 Millionen Iranern.

Bevölkerungsreichtum steht nicht für Stärke

Der Soziologe Dr. Saeed Peyvandi und Experte für die iranische Jugend und Bildung steht dem Wunsch der politischen und geistigen Führer skeptisch gegenüber: "Das Land hat momentan 13 Millionen Schüler und kann ihnen nicht die notwendigen Bildungseinrichtungen anbieten, die den Standards des 21. Jahrhunderts entsprechen. Wenn das Land das nicht für 13 Millionen anbieten kann, wie will es das dann für noch mehr Menschen schaffen?" Ein Viertel aller iranischen Schulen arbeiten in zwei Schichten, da sie ansonsten nicht genügend Kapazitäten für alle Schüler besitzen.

Bezüglich der Äußerung von Ahmadinejad über Bevölkerungsreichtum und die Stärke einer Nation sagt Peyvandi: "Es gibt keine Beziehung zwischen Bevölkerungswachstum und der Stärke bzw. Entwicklung eines Landes. In einem Land, in dem die Menschen vom Staat nicht die notwendigen medizinischen Versorgungen bekommen, nicht zur Schule gehen können oder keinen Job haben, kann die Zunahme der Bevölkerung kein Zeichen für Stärke und Entwicklung des sein."

Der Iran belegt im Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index), der jährlich vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen veröffentlicht wird, Platz 88. Bereits mit der jetzigen Bevölkerungszahl von 75 Millionen Menschen hat das Land zu kämpfen. Die Wasserversorgung ist ein großes Problem. Jeder fünfte Iraner lebt unterhalb der Artmutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Eine Zunahme der Bevölkerung dürfte diese Probleme verschärfen.