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Hilfe im Krisenschatten

Ralf Bosen1. August 2012

In Europa dreht sich derzeit fast alles um die Finanzkrise und wie Euro-Schuldenländern geholfen werden kann. Entwicklungshelfer warnen: Die Unterstützung für arme Länder droht vernachlässigt zu werden.

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Hände mit Dollarschein (Foto: Andreas Wolf)
Bild: Fotolia

Schulungen für Kleinbetriebe in Uganda, Landwirtschaftshilfe in Afghanistan, Wasserförderung in Wüstengebieten: Das sind alles Projekte, die von der Europäischen Union unterstützt werden. Europa ist der größte Geber von Entwicklungshilfe in der Welt. Mehr als die Hälfte der Gelder für arme Länder kommen von der EU und ihren 27 Mitgliedstaaten. Neben Hilfsprojekten unterstützt die EU auch den Handel, indem sie ihre Märkte für Ausfuhren aus Entwicklungsländern öffnet. Fast 70 Prozent der Agrarimporte in die EU stammen aus solchen Staaten.

Doch diese Erfolgsgeschichte sehen Entwicklungshelfer gefährdet. Die von Bono, dem Sänger der Rockgruppe U2 mitbegründete Lobby-Organisation "One" befürchtet, dass wegen der Finanzkrise an der Unterstützung armer Länder gespart werden könnte. "Wir haben einen neuen Bericht herausgegeben, der zeigt, dass es das Risiko gibt, dass die ärmsten Menschen der Welt den Preis für die Krise in Europa zahlen", sagt Johanna Stratmann vom One-Büro in Brüssel der Deutschen Welle.

Eine Porträtaufnahme Stratmanns 8foto: Privat)
Johanna Stratmann von "One"Bild: privat

EU hinkt hinterher

In ihrem sogenannten "DATA"-Bericht untersucht die Hilfsorganisation das Versprechen der Europäischen Union, die Finanzierung der Armutsbekämpfung zu erhöhen. Die EU und ihre Mitgliedsländer hatten sich selbst verpflichtet, bis zum Jahr 2015 jährlich 0,7 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts jährlich in Entwicklungshilfe zu investieren. Diesem Ziel hinke die Union hinterher, kritisiert Johanna Stratmann. "Zum ersten Mal seit zehn Jahren sank 2011 die Entwicklungshilfefinanzierung der EU-Länder. Vierzehn Länder haben ihre Entwicklungshilfezahlungen gekürzt." Im vergangenen Jahr lag der Durchschnitt bei 0,43 Prozent, was bedeuten würde, "dass die EU-Länder bis 2015 rund 43 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen müssen, um dieses Versprechen zu erfüllen." Derzeit liegt die Hilfe bei etwas mehr als 51 Milliarden Euro.

Nach Schätzungen von One müsste die Summe der Hilfszahlungen in Abhängigkeit der Wirtschaftsleistung der EU-Länder im Jahr 2015 aber bei 94 Milliarden Euro liegen. Darüber hinaus hat die EU zugesagt, die Hälfte der Erhöhungen dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara zugute kommen zu lassen. Aber auch in diesem Punkt seien einige Geberländer vom Kurs abgekommen, moniert Stratmann. "Hier sind wir geschätzte 20 Milliarden Euro entfernt von der Zielmarke. Das heißt, es gibt noch viel zu tun, selbst wenn die EU global gut abschneidet."

Ein Arzt untersucht eine Patientin, die im Zahnarztstuhl sitzt (Foto: dpa)
Mit EU-Hilfe gebaut: Moderne Zahnarztpraxis im SenegalBild: picture-alliance/dpa

Engagement lässt nach

Eine schwere Aufgabe angesichts der Unsummen, die die EU in die Bekämpfung der Finanzkrise stecken muss. Allein zur Rettung der spanischen Banken stellt sie 100 Milliarden Euro bereit. Deshalb kommt auch das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik, DIE, in Bonn zu einer pessimistischen Einschätzung. Mario Negre vom DIE hat wenig Hoffnung, dass die EU ihre Hilfe verabredungsgemäß aufstocken kann. "Das werden wir wahrscheinlich nicht schaffen. Es ist eher so, dass das durchschnittliche Engagement in diesem Jahr nachlässt", sagte Negre der Deutschen Welle. Die EU-Mitgliedsstaaten zeigten weniger Ehrgeiz.

Es ist kaum überraschend, dass die härtesten Einschnitte in der Entwicklungsfinanzierung gerade von den europäischen Ländern gemacht wurden, die am meisten unter der Eurokrise leiden, wie Spanien und Griechenland. Es gibt aber auch Staaten, die ihre Entwicklungsfinanzierung erhöht haben. Unter anderem Deutschland, Schweden und Belgien. Dies beweise, dass man auch in Krisenzeiten helfen könne, folgert Johanna Stratmann von One.

Stolz auf das Geleistete

Bei aller Kritik sind sich die Experten einig, dass die EU grundsätzlich einen guten Job macht. Immerhin ist sie die einzige Staatengruppe mit gültigen Zielen zur Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung. Der Entwicklungskommissar Andris Piebalgs ist jedenfalls auf das bisher Geleistete stolz. Bei einer Rede in Brüssel sagte er, dass die in den vergangenen Jahrzehnten geleistete Hilfe den Menschen wirklich etwas gebracht habe. "Ob in einem Krankenhaus in Dschibuti oder Südsudan, an einem Windpark in Vanuatu im Südpazifik oder in einem medizinischen Labor in Afghanistan – mit meinen eigenen Augen konnte ich mich davon überzeugen, was unsere Hilfe leistet."

Eine Porträtaufnahme von Andris Piebalgs (Foto: AP)
Entwiclungskommissar Andris PiebalgsBild: AP

Was bringt die Zukunft?

Bald wird die Europäische Union ihre künftige Planung zur Entwicklungshilfe offenlegen. Derzeit verhandeln die Mitgliedstaaten über den EU-Haushalt für die Jahre 2014 bis 2020. Dabei wird sich entscheiden, wie viele Euro in den Sog der Finanzkrise geraten und was die Entwicklungshilfe der EU in schweren Zeiten wirklich wert ist.