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Italien unter Druck

Ralf Bosen28. Juni 2012

Bald könnte es unter dem Euro-Rettungsschirm eng werden. Wenn es weiter schlecht läuft, dürfte auch Italien europäische Hilfe brauchen. Schon lange macht das Land keine "bella figura" mehr. Aber noch gibt es Hoffnung.

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Roma, fountain Trevi © Fotolia/Valeriy Toropov #29355226
Rom TrevibrunnenBild: Fotolia/Valeriy Toropov

Es ist alles andere als ein leichter Job für Mario Monti. Ausgerechnet er, der sonst so staubtrocken wirkende Wirtschaftsprofessor muss als Regierungschef wie kein anderer Italiener die Werbetrommel für sein Land rühren. Keine Veranstaltung, keine Rede, kein Gespräch mit europäischen Amtskollegen, in dem 68-Jährige nicht gute Miene zum bösen Spiel macht und die Krise seiner Heimat kleinredet.

Dabei geht Monti auch mal in die Offensive. So forderte er wiederholt ein schnelles und gemeinsames Vorgehen der EU-Partner, um den Druck der Finanzmärkte auf Italien zu reduzieren. Nicht immer ist er damit auf dem Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die vor allem die von Monti favorisierten Eurobonds ablehnt. Diese Unstimmigkeiten waren vor wenigen Tagen auch auf der Konferenz des Brüsseler Wirtschaftsforums zu spüren, als Monti die EU aufforderte ihre Bemühungen zur Kriseneindämmung zu beschleunigen. "Eine Ausweitung der Finanzkrise wäre furchtbar und würde eine nachhaltige Haushaltsdisziplin unmöglich machen" sagte Monti und fügte hinzu: "Ich glaube, dass die Länder, die in der EU verdientermaßen eine Kultur der Stabilität etabliert haben - vor allem Deutschland – genauestens und schnellstens über diesen Aspekt nachdenken sollten."

Marco De Andreis in einer Porträtaufnahme (Foto: European Council On Foreign Relations)
Marco De Andreis hat Hoffnung für ItalienBild: ecfr

Ein wachsender Schuldenberg

Aus solchen Worten spricht der Druck, der auf Monti lastet. Denn in den vergangenen fünf Jahren ist die Industrieproduktion Italiens um ein Viertel geschrumpft. Die Arbeitslosenquote liegt bei 10 Prozent. Von den unter 25 jährigen ist sogar jeder Dritte ohne Arbeit. Fachleute sagen voraus, dass die Summe aller wirtschaftlichen Leistungen in diesem Jahr eher ab- als zunehmen wird. Zudem drohen die Staatsschulden, erstmals die 2.000 Milliarden-Euro-Marke zu überschreiten.

Die hohen Zinsen für die enormen bisherigen Schulden und für neue Schulden, bringen das Land in weitere Bedrängnis. Es scheint absehbar, dass Italien bald EU-Hilfe benötigt. Doch die drittstärkste Wirtschaftsnation Europas ist zu groß für den Rettungsschirm. Nach Einschätzung vieler Experten hat Italien deshalb Spanien als größte Problemzone in der Eurogruppe abgelöst.

Hoffnung auf Krisenbewältigung

Trotzdem bleibt Monti seiner Linie treu und betont ständig, dass der Rettungsschirm nicht benötigt werde. Das hatte sein spanische Kollege Mariano Rajoy ebenfalls immer wieder betont, um dann doch die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dennoch ist Marco De Andreis von der Denkfabrik "European Council On Foreign Relations" in Rom noch optimistisch, dass Italien die Krise in den Griff bekommt. Er weist darauf hin, dass "es ein hohes Sparaufkommen bei den Privatkunden gibt."

Monti während einer Rede (Foto: AP Photo)
Mario Monti erreicht nicht die Herzen seiner LandsleuteBild: dapd

Italien sei außerdem ein exportstarkes Land, das bis zu einem gewissen Grad im internationalen Wettbewerb mithalten könne. "Italien hat auch keine Immobilienblase wie in Spanien, Irland und Griechenland." Seine Wirtschaft und Infrastruktur bezeichnet er im Grunde als gesund. "Auch unser Bankensystem ist trotz einiger Probleme in einem besseren Zustand als in Spanien oder Griechenland", sagt Andreis der Deutschen Welle.

Demonstranten schwenken Fahnen und Transparente (Foto: dpa)
Proteste in Rom gegen die Sparmaßnahmen der RegierungBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Reformen als Vorbild

Mario Monti selbst argumentiert, dass Italien disziplinierter als die anderen Krisenländer sei. Immerhin konnte er einige Reformen durchboxen. Er erhöhte Steuern und setzte das Renteneintrittsalter rauf. Am Mittwoch (27.06.2012) überstand er die vierte und letzte Vertrauensabstimmung über die umstrittene Reform zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Unter anderem soll der Kündigungsschutz gelockert und die Befristung von Zeitverträgen eingedämmt werden.

Doch das allein wird wohl nicht reichen. Marco De Andreis von der Denkfabrik "European Council On Foreign Relations" empfiehlt seinem Land weitere Reformen: "Ähnlich wie es Deutschland 2004 mit den sogenannten Harz-Reformen zur Senkung der Erwerbslosenzahlen gemacht hat. Ich denke aber nicht, dass es allein an Deutschland liegt, die Eurozone zu retten. Wir müssen unsere eigenen Hausaufgaben machen."

Monti in Bedrängnis

Ob die Italiener indes weitere Einschnitte klaglos akzeptieren werden, ist unwahrscheinlich.  Monti hat zunehmend Schwierigkeiten, seine Landsleute zu erreichen. Als er Ende 2011 in Rom die Regierung übernahm, atmeten noch viele Italiener und die Finanzmärkte gleichermaßen auf. Die turbulenten Berlusconi-Jahre waren vorüber. Endlich wurde wieder seriöse Politik gemacht.

Doch mittlerweile wird Monti mit seiner nüchternen und intellektuellen Rhetorik als zu technokratisch empfunden. Für weitere Irritationen sorgen die Sparmaßnahmen. Die Gewerkschaften laufen Sturm, weil sie Massenentlassungen befürchten. Kritik kommt aber auch von Unternehmen, die höhere Arbeitskosten erwarten.    

Rückkehr des Populisten?

Kaum überraschend, dass sich Silvio Berlusconi zurückmeldet. Der ehemalige Regierungschef und Populist macht sich zum Sprachrohr der Unzufriedenen und Euroskeptiker, in dem er über die EU und das Sparprogramm herzieht. So ist Monti derzeit ein Gefangener zwischen Sparmaßnahmen, Rezession und Populismus. Wie gesagt, alles andere als ein leichter Job für ihn.

Berlusconi winkt aus seiner Limousine (Foto: AP/dapd)
Berlusconi meldet sich mit populistischen Reden zur Eurokrise zurückBild: AP