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Rat für Nachhaltigkeit berät über Rio+20

Kay-Alexander Scholz25. Juni 2012

Welchen Stellenwert hat Umweltpolitik? Darüber diskutierte der Rat für Nachhaltigkeit mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Fazit: Rio+20 war eine herbe Enttäuschung.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutiert beim Rat für Nachhaltige Entwicklung (Foto: dapd)
Bild: dapd

"Die Ergebnisse von Rio+20 bleiben hinter dem zurück, was notwendig gewesen wäre", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede beim 12. Rat für Nachhaltigkeit in Berlin. Die Europäische Union und Deutschland hätten verbindlichere Aussagen gewollt, sich aber nicht durchsetzen können. Auch die in diesem Jahr neu ernannte Vorsitzende des Rates für Nachhaltigkeit, Marlehn Thieme, zeigte sich wenig zufrieden mit der internationalen Umweltkonferenz 20 Jahre nach dem Abkommen von Rio.

"Die Ergebnisse waren mager, die wenigen Möglichkeiten der Europäer haben wir nicht nutzen können", berichtete Thieme von ihren Eindrücken in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. "Die Eurokrise hat uns den Wind aus den Segeln genommen", so Thieme. Auf der anderen Seite hätten die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) an Selbstbewusstsein gewonnen. "Sie wollten sich nicht mehr diktieren lassen, wo es lang gehen soll."

Leitbild Nachhaltigkeit

Den Rat für Nachhaltigkeit gibt es in Deutschland seit dem Jahr 2001. Das Gremium aus 15 Personen des öffentlichen Lebens soll die Bundesregierung bei Fragen nachhaltiger Entwicklung beraten. Einmal jährlich treffen sich hunderte Vertreter von Politik, Wirtschaft und Verbänden bei der Jahreskonferenz des Rates, um über Nachhaltigkeit, also zukunftsfähiges Handeln zu beraten. Dabei geht es nicht nur um Ökologie, sondern auch um soziale und ökonomische Fragen. Anliegen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist es, den nachfolgenden Generationen ein "intaktes ökologischen, soziales und ökonomisches Gefüge zu hinterlassen". Traditionell stellt der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin auf den Jahreskonferenzen des Rates die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung vor.

Das breitere Verständnis von Nachhaltigkeit habe sich international durchsetzen können - das sei ein Verdienst des Rates, lobte Merkel in ihrer Rede. Marlehn Thieme hob in diesem Zusammenhang positiv hervor, dass Rio+20 eine Erweiterung des Kreises der Verantwortlichkeiten brachte: Erstmals waren auch Städte und Regionen als Träger sozialer Verantwortung anwesend. Zentral wurde außerdem diskutiert, wie die Wirtschaft im Rahmen von "Green Economy" besser eingebunden werden könne.

Die Welt blickt auf die Energiewende

International von hohem Interesse sei vor allem die deutsche Energiewende, berichtete Thieme. "Die anderen bewundern uns, weil wir in einem Umfeld leben, in dem nach vorne gedacht werden kann", so Thieme. Es fehlten in der EU und UN moderne Diskursformen, wie sie in Deutschland in den vergangenen Jahren praktiziert wurden, sagte Marlehn Thieme. Es sei wichtig, bei großen Projekten wie der Energiewende mit allen Beteiligten einen Dialog zu führen. Deutschland müsse in dieser "systemischen Entwicklung" eine Führungsrolle in Europa übernehmen und auch für ein gemeinsames Bild nach außen sorgen.

Schuldenbremse ist nachhaltige Politik

Die Schuldenbremse sei die beste Antwort auf nachhaltiges Wirtschaften in der Haushaltspolitik. "Wer dauerhaft mehr ausgibt, als er einnimmt, wirtschaftet nicht nachhaltig", betonte Merkel wenige Tage vor der Abstimmung über den ESM-Vertrag und den Fiskalpakt im Bundestag und Bundesrat. Durch die Schuldenberge in Deutschland und Europa sei man allerdings noch weit entfernt von Nachhaltigkeit. Der Teufelskreis aus Schuldenzinsen, dadurch fehlenden Investitionen und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit müsse durch eine neue Politik durchbrochen werden.

Mit Blick auf den EU-Gipfel am Donnerstag sagte Merkel: "Es wird schon wieder viel zu viel über gemeinsame Haftung und zu wenig über gemeinsame Kontrolle gesprochen." Haftung und Kontrolle sollten im Gleichgewicht sein. "Ziel muss eine politische Union sein, aber nicht mit Mittelmaß, sondern mit dem Besten, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit."

Merkel wirbt für nachhaltiges Wachstum

Merkel, einst Umweltministerin unter Kanzler Helmut Kohl, sprach sich auch für mehr klassischen Umweltschutz aus - für den Schutz der Wälder, der Meere, der Arten und des Klimas also. "Dabei müssen wir stärker darüber reden, was Nicht-Handeln kostet, als über die Kosten des Handelns", mahnte die deutsche Regierungschefin.

300 Jahre alter Begriff

Jüngst forderte der Rat für Nachhaltigkeit verbindliche Maßnahmen für Energie-Effizienz, eine Stabilisierung der Finanzmärkte und eine am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierte Agrarwende. Es gebe eigentlich nur Gründe für und nicht gegen Nachhaltigkeit, sagte die Ratsvorsitzende Thieme am Ende der Diskussion.

Der Begriff wurde übrigens schon vor 300 Jahren geprägt. Ein sächsischer Förster stellte damals fest, dass es sich nicht rechnet, wenn man mehr Holz fällt, als man nachpflanzen kann. Er schrieb deshalb ein Buch über "nachhaltende Waldwirtschaft". Seine Zeitgenossen konnten damals wenig damit anfangen, da Holz Mangelware war.