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EM als Wirtschaftsmotor überschätzt

Michael Hartlep8. Juni 2012

Milliardenschwere Bauaufträge für neue Straßen, Bahnhöfe und Stadien, dazu Besucher aus aller Welt - die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine scheint ein gutes Geschäft zu sein. Doch ist es das wirklich?

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Eifrige Vorbereitungen: Polnische Arbeitergießen Beton am neuen Fußballstadion in Danzig.
Vorbereitungsarbeiten EURO 2012Bild: picture-alliance/dpa

Wie sagte Fußballtrainer Otto Rehhagel? "Wichtig ist auf'm Platz. Alles andere ist Kokolores." Diese alte Fußballerweisheit gilt offenbar nicht für die Wirtschaft. Für die ist das Geschehen auf dem Rasen wenig relevant. Der Sportökonom Markus Kurscheidt von der Universität Bayreuth forscht seit Jahren zum Zusammenhang zwischen Fußball und der Wirtschaftsentwicklung: "Es gibt kaum wissenschaftliche Studien, die einen substantiellen Effekt für die gesamte Volkswirtschaft belegen." Es gäbe schon Auswirkungen vom Fußball auf die Konjunktur, nur seien die nicht so groß, wie man sich das immer gewünscht hat.

Sogar bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland, als bei Kneipiers, Einzelhändlern und Transportunternehmen die Kassen klingelten, sei das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,13 Prozent zusätzlich angestiegen. Denn das, was Fußballdeutschland in Fähnchen, Bier und Tickets investierte, sparte es an anderer Stelle ein. Sommermärchen statt Sommerurlaub also. Geld verdient wird an anderer Stelle, sagt Kurscheidt: "Es sind die ausländischen Besucher, die aus Sicht der nationalen Volkswirtschaft frisches Geld in das Land bringen. Das ist der Kerneffekt von großen Sportveranstaltungen."

Schauplatz der EM - das neue Fußball-Stadion in Danzig
Schauplatz der EM - das neue Fußball-Stadion in DanzigBild: dapd

Das Image ist entscheidend

Die Investitionen in die Infrastruktur hatten hingegen nur einen geringen Effekt auf die Volkswirtschaft. Neue Straßen, Stadien und Busse - alles Investitionen, die sowieso irgendwann anstehen. Diese Ausgaben wurden nur vorgezogen und fehlten dann in den folgenden Jahren. Trotzdem lohnen sich solche Investitionen, sagt Jörn Quitzau von der Berenberg Bank in Hamburg: "Diese Kosten rentieren sich, denn das, was gebaut wurde, kann auch in Zukunft genutzt werden. Wenn Flughäfen, Bahnhöfe oder Autobahnen erneuert werden, dann ist das etwas, von dem die Volkswirtschaft noch lange profitieren wird."

Quitzau beschäftigt sich mit der Frage, wie sich große Fußballturniere auf die Volkswirtschaft auswirken. Nicht die Steigerung des Konsums oder der Ausbau der Infrastruktur stünden im Vordergrund, sondern etwas ganz anderes, sagt Quitzau: "Aus meiner Sicht ist der volkswirtschaftlich relevante Vorteil solcher Großereignisse, dass sich die Gastgeberländer der Weltöffentlichkeit präsentieren und Werbung für das eigene Land machen können. Das kann sich positiv auf das Vertrauen in das Land und den Handel auswirken." Vorausgesetzt natürlich, die Spiele gehen sicher und gut organisiert über die Bühne. Dann könnte sich die Europameisterschaft für Polen und die Ukraine lohnen. Denn vielleicht kommen die Fußballfans dann noch einmal in die Gastgeberländer - als Touristen oder als Investoren.

Übrigens reagiert auch die Börse auf den Verlauf eines Fußballturniers: Wenn eine Mannschaft aus dem Turnier fliegt, sinken meist die Aktienkurse im betreffenden Land. Dann nämlich ist die Stimmung im Land schlecht, auch die der Aktienhändler. Interessant ist, dass der Kurs nicht steigt, wenn die Mannschaft gewinnt. Das interpretieren die Händler nur als kleinen Schritt auf dem Weg zum Pokal. Rausfliegen kann die Mannschaft immer noch. Erst wenn das Finale gewonnen ist, steigen die Freude und die Aktienkurse, so die Wissenschaftler.