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Iran Aserbaidschan

Taher Shir Mohammadi4. Juni 2012

Aserbaidschan fühlt sich vom islamisch geführten Nachbarn Iran bedrängt. Der jüngste Einmischungsversuch entzündete sich am europäischen Schlagerwettbewerb ESC. Aber der Konflikt geht tiefer.

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Titel : Demo in Iran gegen Eurovision Schlagwort: Eurovision, Baku, Aserbaidjan Copyright: Iranischer Agentur mehr Zulieferer: Taher Shir Mohammadi
Demo in Iran gegen EurovisionBild: MEHR

Beobachter der Region sehen seit Monaten eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Nachbarländern Aserbaidschan und Iran. Dabei stellen Aserbaidschaner die größte Minderheitengruppe im Iran, mit mehr Sprechern dieser Turk-Sprache als in Aserbaidschan mit seinen rund zehn Millionen Einwohnern. Die guten Beziehungen der Ex-Sowjetrepublik zu Israel und den USA sind der islamischen Führung in Teheran ein Dorn im Auge. Während der Sanktionsdruck auf den Iran wegen seines Atomprogramms zunimmt, liefert Israel hochmoderne Rüstungsgüter an Baku.

Hinzu kamen unlängst Berichte über Planungen Israels, Luftstützpunkte in Aserbaidschan für einen Präventivschlag gegen Irans Atomanlagen zu nutzen. Die aserbaidschanischen Behörden nahmen wiederum im März 22 Bürger des Landes fest, unter dem Vorwurf, im Auftrag des Irans Anschläge auf israelische und amerikanische Ziele geplant zu haben.

Empörung über ESC

Die Emotionen kochten dann im Vorfeld des Eurovision Song Contest hoch, der erstmals in Aserbaidschan ausgerichtet wurde. Die gesamten staatlichen Medien des Irans übten massive Kritik an der angeblich unislamischen und skandalösen Show in Baku. Im gleichen Sinne ließ sich Außenminister Ali Akbar Salehi vernehmen, wie auch die einflussreichen Ayatollahs aus Teheran und Täbris, Hojatoleslam Sedighi Hatib und Mojtahad Shabestari, die davor warnten, dass auf islamischen Boden Unheil angerichtet würde. "Wegen Beleidigung des Islam" durch Baku, so die iranische Nachrichtenagentur IRNA, rief Teheran außerdem seinen Botschafter zu Beratungen zurück.

Demo im Iran gegen Eurovision-Show in Baku (Foto: DW)
Mehr oder weniger "spontane" Demo im Iran gegen die ESC-Show in BakuBild: MEHR

Iranische Einmischung

Erst einige Tage nach dem Pop-Spektakel, aber dafür deutlich, reagierte dann Ali Hasanov, Sprecher von Präsident Ilham Alijew: "Wir sagen Euch iranischen Geistlichen, dass ihr Euch schämen sollt. Ihr betet jeden Tag zu Allah und lügt. Wir brauchen solche Geistliche nicht. Das Volk Aserbaidschans wird unter keiner Bedingung mit solchen Geistlichen zusammenarbeiten." Der aserbaidschanische Parlamentarier Rasim Musabekov berichtete gegenüber der Deutsche Welle, dass über die iranischen Einmischungsversuche im aserbaidschanischen Parlament mehrmals debattiert worden sei. "Das Mullah-Regime will unsere Politik gestalten", so das Fazit Musabekovs.

Das bestätigt der in Berlin lebende Aserbaidschan-Experte Ahmed Omid Yazdani: "Die guten Beziehungen Aserbaidschans zu Israel, USA und anderen westlichen Ländern beunruhigen den Iran. Aserbaidschan orientiert sich an der westlichen Welt und Kultur, und der Iran duldet das nicht." Weiterer Konfliktstoff bestehe in den guten Beziehungen zwischen Iran und Armenien, so Yazdani. Denn der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um das von Armenien besetzte Gebiet Nagornyi Karabach ist weiterhin ungelöst, ein Fünftel des aserbaidschanischen Staatsgebietes ist unter armenischer Kontrolle.

DW-Grafik Aserbaidschan und Iran: Peter Steinmetz
Ein westliches Stück von Aserbaidschan (Nachitschewan) kann auf dem Landweg nur über den Iran erreicht werden.Bild: DW

Signale an den Westen

Laut dem Kaukasus-Experten Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) versucht Aserbaidschan gegenüber dem großen Nachbarn im Süden seine Unabhängigkeit zu wahren: "Es geht um den Einfluss des Iran auf die aserbaidschanische Politik und um die bestehende Angst vor einer Islamisierung. Aserbaidschan fühlt sich bedroht und gibt Zeichen, dass es mit dem Westen zusammenarbeiten will und ein wichtiger Partner in der Region für den Westen ist."

Dr. Ahmad Omid Yazdani, Vorsizender der Deutsch-Aserbaidschanischen Akademiker-Gruppe in Berlin
Dr. Ahmad Omid Yazdani, Vorsizender der Deutsch-Aserbaidschanischen Akademiker-Gruppe in BerlinBild: Iranische Quelle ohne internationales Copyright

Hojatoleslam Azimi Ghadim, ein Geistlicher aus Ghom, glaubt, dass der Konflikt zwischen Iran und Aserbaidschan noch lange andauern wird. "Aserbaidschan ist ein weltlicher Staat, dagegen ist der Iran ein Gottesstaat. Der Iran nimmt Anstoß daran, dass sich die Medien in Aserbaidschan frei und offen gegen den Iran äußern. Die aserbaidschanische Regierung versucht, ihre Beziehungen zu Teheran normalisieren, aber das wird nur schwer gelingen." Dieser Konflikt werde nicht leicht zu lösen sein, vermutet Azimi Ghadim.

Kooperation ist möglich

Stefan Meister betont: "Die Amerikaner haben sehr viel gegen die Russen und auch gegen den Iran in diesem Land investiert, und das läuft weiter. Aserbaidschan verlangt die Unterstützung des Westens." Aber der Experte von der DGAP gib zu bedenken: "Von westlicher Seite aus darf man Aserbaidschan nicht anfeuern. Man sollte versuchen, auf anderen Ebenen Vertrauen zu bilden. Es gäbe Bereiche, wie Drogenbekämpfung oder ökonomische Beziehungen, wo man manches tun kann. Die Frage ist, ob die Regierungen dazu bereit sind."