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Bioenergie aus Blumen

Bernward Janzing16. Mai 2012

Vor allem Mais wird in Deutschland für die Energiegewinnung angebaut. Doch diese Monokultur steht in der Kritik. Eine Mischung aus Wildpflanzen ist in jeder Hinsicht attraktiv und konkurrenzfähig.

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Traktor erntet Wildblumen zur Gewinnung von Biogas (Foto: Modellprojekt Konstanz GmbH/Jochen Goedecke)
Bild: Modellprojekt Konstanz GmbH

In Deutschland greift ein Phänomen um sich, das Kritiker "Vermaisung" getauft haben: Die Landschaft verändert sich, weil der Anbau von Mais stetig zunimmt, nachdem er als Energiepflanze zur Biogasgewinnung immer stärker gefragt ist. So wurde im Jahr 2011 in Deutschland bereits auf einer Fläche von 2,5 Millionen Hektar Mais angebaut – im Vergleich zum Vorjahr war das ein Plus von fast zehn Prozent. Und in Relation zum Jahr 2005, als es erst 1,7 Millionen Hektar waren, nahm die Anbaufläche gar um fast die Hälfte zu.

Auslöser der Entwicklung ist die attraktive Förderung von Strom aus Biogas in Deutschland, denn für diesen wird eine gesetzlich garantierte Einspeisevergütung von 6 bis 22 Eurocent pro Kilowattstunde gezahlt. Rund 7100 Biogasanlagen mit einer Leistung von zusammen fast 2800 Megawatt – das entspricht der Leistung von zwei großen Atomkraftwerken – waren Ende 2011 am Netz. Damit hat sich die Gesamtleistung der Anlagen seit 2008 verdoppelt. Inzwischen deckt dieses Biogas gut drei Prozent des deutschen Strombedarfs – mit weiter steigender Tendenz.

Wildblumen werden geerntet und kommen anschließend in die Biogasanlage (Foto: Modellprojekt Konstanz GmbH/Jochen Goedecke)
Wildblumen eignen sich gut für die Energiegewinnung - ohne Agrochemie und mit hoher BiodiversitätBild: Modellprojekt Konstanz GmbH

Mischung aus 25 Wildpflanzen

Bislang aber gehörten Biogasanlagen und Maisfelder fast unzertrennbar zusammen – doch es geht auch anders, wie Versuche aus jüngster Zeit zeigen: Eine ökologisch wertvolle Wildpflanzenmischung erweist sich gerade als durchaus attraktive Alternative – denn deren Energie ist am Ende nicht teurer als jene aus Maispflanzen.

Bereits im Jahr 2009 hatte die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim erste Versuchsflächen eingerichtet, auf denen eine Saatgutmischung von 25 verschiedenen Pflanzenarten ausgebracht wurde. Die Firma Saaten Zeller hatte diese zusammen mit der LWG entwickelt. Im Jahr darauf ging es dann richtig los: 25 Hektar wurden mit Wildblumen bestellt, im Jahr 2011 folgten weitere 200 Hektar in verschiedenen Regionen von Deutschland.

Biogasanlage von Landwirt Heiner Bucheli aus Gailingen in Baden Württemberg. Die Biogasanlage wird mit Wildpflanzen betrieben. Foto: Heiner Bucheli
Diese Biogasanlage wird mit Wildblumen betrieben - sie produziert Strom und WärmeBild: DW

Fünf Jahre lang werden die Pflanzen auf den Äckern jeweils wachsen: Im ersten Jahr dominieren die Sonnenblume und die Malve, im zweiten Jahr folgen vor allem weißer und gelber Klee, außerdem Buchweizen, Eibisch, Wegwarte, Wilde Möhre, Königskerze, Lichtnelke, Flockenblume und Luzerne. Je nach Feuchtigkeit des Standorts wurden die Mischungen leicht modifiziert. In den Jahren zwei bis fünf wird sich die Pflanzenpopulation ohnehin je nach Standortqualität unterschiedlich entwickeln, man lässt der Natur hierbei ihren Lauf. Der Energieacker wird so zum wertvollen Biotop.

Blumenwiese wirft hohe Erträge ab

Eines der Versuchsprojekte ist bei Konstanz in Süddeutschland. Dort testen 15 Landwirte die Wildpflanzen: Auf 28 Hektar haben sie im Jahr 2011 die bunte Pflanzenmischung ausgesät, deren Biomasseertrag nun fünf Jahre lang untersucht wird. "Wir sind in einer umweltsensiblen Region", sagt Otto Körner, Sprecher vom Fachverband Biogas - und deswegen wolle man der Vermaisung der Landschaft entgegentreten.

Die Erfahrungen sind bislang in jeder Hinsicht erfreulich: Die Flächen lassen sich mit herkömmlicher Landtechnik bewirtschaften und die Erträge der Blumenwiese erreichen beachtliche 50 bis 70 Prozent des Referenzertrags eines Maisfeldes.Trotz des Minderertrags sei die Blumenwiese dem Mais wirtschaftlich mindestens ebenbürtig, sagt Jochen Goedecke von der Modellprojekt Konstanz GmbH, die das Wildpflanzenprojekt in der Bodenseeregion betreut. Denn es stehen der geringeren Ausbeute pro Hektar auch beträchtliche Einsparungen gegenüber: Zum einen werden die Pflanzen nur einmal ausgesät, ehe fünf Jahre lang geerntet werden kann – das spart Saatgut und Maschinenzeiten. Zum zweiten entfallen die Kosten für Dünge- und Spritzmittel komplett, weil die Wildpflanzen ohne Agrochemie auskommen.

Auf dem Bild ist Heiner Bucheli aus Gailingen in Baden-Württemberg zu sehen vor einem Fled mit Wildblumen. Die Energiegewinnung mit Wildpflanzen hat einige Vorteile. Wildpflanzen brauchen keine Agrochemie, dies fördert die Biodiversität und wirtschaftlich rechnet sich diese Energieerzeugung im Verglich für den Bauern auch. Foto: Sonja Bucheli
Biolandwirt Heiner Bucheli ist von der Energiegewinnung aus Wildplanzen überzeugtBild: DW

Auch aus ökologischer Sicht hat die bunte Blumenmischung damit jede Menge Vorteile: Sie fördert die Artenvielfalt, indem sie einen Rückzugsraum für Wildtiere schafft, sowie Nahrung für Bienen und Hummeln liefert. Begleituntersuchungen durch das Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz in Singen belegen die hohe Attraktivität der Wiesen für Tiere. Der Verzicht auf Chemie schützt ferner Boden und Grundwasser, der reduzierte Maschineneinsatz auf dem Feld mindert die Bodenverdichtung, die Bodenbedeckung auch im Herbst bietet Schutz vor Erosion. Und nicht zuletzt kommen die Wildblumen dem Landschaftsbild zugute

"Gute Erträge, keine Chemie - was wollen wir mehr?"

Einer der Landwirte ist Heiner Bucheli in Gailingen, in Sichtweite der Schweizer Grenze gelegen. Im vergangenen Jahr säte er auf einer Fläche von neun Hektar auf seinen Äckern Wildpflanzen und ist nun "sehr überzeugt" davon: "Die Pflanzen lassen sich gut ernten, gut vergären, man braucht keine Chemie und die Erträge sind gut - was wollen wir mehr?"

Darüber hinaus sind die naturnahen Kulturen unempfindlicher als der Mais. In Stockach am Bodensee habe ein Hagelschlag im vergangenen Juli beim Mais an manchen Stellen zu einem Totalausfall geführt, heißt es in einem ersten Zwischenbericht zum Forschungsprojekt in der Bodenseeregion. Die Wildpflanzen hingegen hätten sich vollständig regeneriert.

Ein weiterer Vorteil der bunten Mischkultur: Wildschweinschäden, die es sie beim Mais mitunter gebe, seien bei den Wildpflanzen auf seinen Äckern nicht aufgetreten, sagt Bio-Landwirt Bucheli: "Das Feld dient den Tieren als Ruheplatz, aber sie durchwühlen es nicht."

Umdenken fördert Akzeptanz

Aber was sind nun mögliche Hemmnisse, die einer zügigen Einführung der Wildpflanzen in großem Stil entgegenstehen könnten? Vor allem ist es wohl die Gewohnheit der Landwirte, die nur mühsam zu überwinden ist: "Heute müssen Äcker für die meisten Landwirte sauber sein, also ohne Unkraut", sagt Bucheli. Ein Acker voller Wildpflanzen widerspreche einfach der gängigen Optik von Landwirtschaftsflächen.

Und so ist der Landwirt überzeugt, dass noch manche Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird, bis die neue Pflanzenmischung breiteren Raum in der Landschaft einnehmen kann. Er persönlich jedenfalls setzt auf die ökologischen Energiekulturen: "Ich hoffe, dass die Wildpflanzen der Renner werden."

Das käme auch der Biogasbranche sehr gelegen. Denn die Wildblumen könnten dieser den erhofften Imagewandel bringen, nachdem das Renommee der Energie vom Acker in den letzten Jahren durch die riesigen Maismonokulturen empfindlich gelitten hat. "Energiepflanzen müssen Akzeptanz finden", sagt Stefan Rauh vom Fachverband Biogas. Und das dürfte in der Tat keine Kultur besser schaffen als eine bunte Blumenwiese.