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Nur die reine Baumwolle

Hilke Fischer14. Mai 2012

Hohe Erträge bei geringem Pestizid-Einsatz soll genmanipuliertes Saatgut auch in der Baumwollproduktion in weniger entwickelten Ländern bringen. Doch der Einsatz wird dort zunehmend in Frage gestellt.

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Baumwollfeld Foto: Tobias Kromke (Fotolia)
Bild: tobias kromke/Fotolia

Der Baumwoll-Markt boomt. Etwa 25 Millionen Tonnen finden jedes Jahr ihren Weg in die Textilfabriken. Um den ständig wachsenden Bedarf zu decken, ist seit 1996 genmanipuliertes Saatgut im Einsatz. Es sind große Konzerne wie Monsanto aus den USA, Syngenta aus der Schweiz und Bayer aus Deutschland, die das gentechnisch veränderte Saatgut herstellen und verkaufen.

In die DNA der Pflanze bauten Forscher das Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis ein, kurz Bt. Experten sprechen deshalb von Bt-Baumwolle. Das eingeschleuste Gen bewirkt, dass die Pflanze ein eigenes Pestizid produziert. Der Vorteil der genmanipulierten Baumwolle sei deshalb, dass weniger Insektizide eingesetzt werden müssen, so Richard Breum, Sprecher von Bayer CropScience.

Genmanipuliertes Baumwollsaatgut der Firma Bayer Firmenfoto der Bayer AG
Genmanipuliertes Baumwollsaatgut: Geringerer Pestizid-Einsatz versprochenBild: Bayer

Risiken für Kleinbauern

Zu den Abnehmern der genmanipulierten Saat gehören viele Kleinbauern in Schwellen- und Entwicklungsländern. Breum zufolge sind in Indien, einem der wichtigsten Baumwollproduzenten weltweit, 88 Prozent der Baumwollpflanzen genmanipuliert. "Die Landwirte entscheiden sich dafür, weil sie die Vorteile sehen", sagt der Bayer-Sprecher.

Der Agrarexperte Debjeet von der indischen Nichtregierungsorganisation Living Farms spricht dagegen von einem Glücksspiel. Die Landwirte würden das teure Saatgut kaufen und sich dafür sogar verschulden, weil sie auf ein zusätzliches Einkommen spekulierten. Die hohen Erwartungen, die die Bauern in die neuartige Baumwolle gesetzt haben, seien jedoch oftmals enttäuscht worden: "Nach dem zweiten Jahr stellten die Landwirte fest, dass die Produktionskosten in die Höhe gingen, der Pestizid-Einsatz hoch blieb und der Ertrag aufgrund des Klimawandels und der Weltmarktsituation abnahm."

Agrarexperte Debjeet von der indischen Nichtregierungsorganisation Living Farms Foto: Helle M. Jeppesen
Agrarexperte Debjeet: Erwartungen enttäuschtBild: DW

Hinzu kommt, dass das in Indien verkaufte Bt-Saatgut nur bei der ersten Aussaat seine volle Wirkung entfaltet. Die Landwirte können also nicht mehr das Saatgut, das sie bei der Ernte gewinnen, erneut ausbringen. Stattdessen sind sie darauf angewiesen, jedes Jahr neue Baumwollsamen zu kaufen.

Malis Landwirte stellen sich quer

Anders als in Indien hat sich in Mali in Westafrika der Anbau genmanipulierter Baumwolle noch nicht durchgesetzt. Dort sind es bislang Landwirte und staatliche Institute, die die Weiterzucht der Pflanze vorantreiben. Zwar versuchen die großen Konzerne seit einigen Jahren, Bt-Baumwolle in Mali zu vermarkten, sie sind damit aber weitgehend erfolglos. Ein Großteil der Landwirte will mit dem genmanipulierten Saatgut westlicher Großkonzerne nichts zu tun haben: Nicht nur wegen ökologischer und ökonomischer Bedenken, sondern auch aus historischen Gründen. Mali war früher eine französische Kolonie. Die Unabhängigkeit ist den Bürgern ein hohes Gut - in jeder Beziehung: "Wir lehnen genmanipuliertes Saatgut ab, weil es uns in einem System der Abhängigkeit hält", sagt Assetou Samaké, Biologie-Professorin in Malis Hauptstadt Bamako. Sie unterstützt den Widerstand der Landwirte gegen die Einführung der Bt-Baumwolle.

Landwirte und Wissenschaftler fordern Mitbestimmung

Statt sich von genmanipulierten Saaten aus dem Westen abhängig zu machen, wünscht sich Samaké, dass die Landwirte und Wissenschaftler im eigenen Land an der Weiterentwicklung der vorhandenen Saaten teilhaben. Schließlich kennen sie die harschen klimatischen Bedingungen der Sahelzone genau und können am besten beurteilen, welche Anbaumethoden und Züchtungen geeignet sind, um Dürre und Wind zu trotzen. Es muss einen Wissensaustausch mit den Betroffenen vor Ort geben, fordert Biologin Samaké. Das Wissen um verbessertes Saatgut dürfe nicht in den Händen einer Minderheit bleiben.

Die Biologin Assetou Samaké bei einem Treffen der Initiative "Democratising Agricultural Research" in Mali Foto: Pouya Sepehr
Biologin Samaké: Wissensaustausch fördernBild: Michel Pimbert

Malis Landwirte und Wissenschaftler sind mit ihren Forderungen nicht alleine: Sie haben sich mit landwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus verschiedenen westafrikanischen, süd- und ostasiatischen Ländern und der Andenregion zusammengeschlossen. Name und Ziel der Initiative: "Democratising Agricultural Research" - die Demokratisierung der Agrarforschung.