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Klimawandel wird Sorge Nr. 1

Simone Humml (dpa)8. Mai 2012

Vor 40 Jahren rüttelte der Club of Rome den im Wirtschaftsboom schwelgenden Westen auf. Nun prophezeit der Folgereport noch dramatischere Schäden für Menschheit und Erde.

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ARCHIV - ILLUSTRATION - Die Satellitenaufnahme zeigt die größte Eisausdehnung in der Arktis für den Zeitraum 2008-09, die am 28.02.2009 aufgetreten ist. Selbst tiefgreifende Maßnahmen zum Klimaschutz können den bereits begonnenen Klimawandel allenfalls bremsen, aber nicht mehr stoppen. Das ist das Fazit aus einer Zusammenschau verschiedener Fachrichtungen, die das Bremerhavener Alfred-Wegener- Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Vorfeld des Klimagipfels in Kopenhagen veröffentlicht hat. Ab Montag (07.12.2009) wollen Vertreter von mehr als 190 Staaten in der dänischen Hauptstadt über Wege zu einer Begrenzung von Treibhausgas-Emissionen wie Kohlendioxid (CO2) beraten. Foto: NASA Goddard's Scientific Visualization Studio (zu dpa-Korr. 0430 vom 03.12.2009) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Schlimmste Klima-Szenarien schon übertroffenBild: picture-alliance/dpa

Der Norweger Jorgen Randers hat bereits als Zwanzigjähriger am Club-of-Rome-Bericht "Die Grenzen des Wachstums" von 1972 mitgeschrieben. Jahrzehnte später, als 66-Jähriger, warnt er erneut vor dem Überschreiten vieler Grenzen der Natur - in dem Folgereport "2052". Die Erderwärmung werde bis zu dem Jahr schon viel Leid erzeugen und sich danach zudem katastrophal selbst verstärken, heißt es darin. Die Wirtschaft schädige mit ihrem steten Wachstum das derzeitige Klima und die Naturschätze. Sie erwirtschafte oftmals schon jetzt gar keinen Gewinn mehr, wenn der wahre Preis für die Umweltzerstörung in Rechnung gestellt würde. Immerhin werde die Bevölkerungszahl weniger stark steigen als gedacht.

Jorgen Randers stellt Club of Rome Bericht vor, Foto: EPA
Jorgen Randers warnt vor sich selbst verstärkenden KlimawandelBild: picture-alliance/dpa

Der Report erscheint zum 40-jährigen Jubiläum des ersten großen Berichts des Club of Rome, mit dem er damals den Glauben an einen stetigen Wirtschaftsaufschwung stark dämpfte. Zusammen mit der Ölkrise kurz danach machte er die Endlichkeit der Rohstoffe deutlich. Damals waren die Auswirkungen des Treibhauseffekts noch nicht bekannt, doch heute ist klar: Die Atmosphäre kann nicht unendlich viele Treibhausgase aufnehmen, ohne dass das Klima aus den Fugen gerät.

Mehr Dürren, Fluten und verheerende Wirbelstürme...

In dem neuen Bericht mit dem Titel "2052: Eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre" präsentiert Randers auch 35 Ausblicke von international führenden Experten. Diese und weltweite Statistiken flossen in seine Zukunftsmodelle ein. Der Ausstoß von Treibhausgasen wird demnach noch bis 2030 steigen und damit Randers zufolge 15 Jahre zu spät zurückgehen. Daher werde sich die Erdtemperatur nach 2052 auch um mehr als zwei Grad erwärmen. Die Marke galt als gerade noch erträglich. "Der Meeresspiegel wird um 0,5 Meter höher sein", erwartet er. Es werde mehr Dürren, Fluten und verheerende Wirbelstürme geben. "Und im Jahr 2052 wird die Welt mit Schrecken auf weitere Änderungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts blicken", fährt Randers fort. "Der sich selbst verstärkende Klimawandel wird die Sorge Nummer Eins sein." Das Treibhausgas Methan werde aus der auftauenden Tundra entweichen und die Erde weiter aufheizen, worauf noch mehr Permafrostboden in der Tundra auftaue.

Nach heftigen Monsun-Regenfällen in Indien: Einwohner auf überfluteten Straßen. Foto: dpa
Wetterextreme werden noch zunehmen, so der neue Club of Rome BerichtBild: picture-alliance/ dpa

Die Bevölkerung wird Randers zufolge nicht so stark wachsen wie gedacht. Sie wird bis Anfang der 2040er Jahre 8,1 Milliarden Menschen erreichen und dann abnehmen. Denn dann würden die Menschen zunehmend in Städten leben, und Frauen erhielten mehr Bildung. Mit der Verbreitung von Bildung und Verhütungsmethoden werde bald jedes Paar über seine Kinderzahl entscheiden können. In den Megastädten bedeute ein Kind, einen Mund mehr zu füttern statt eine Hilfe mehr auf dem Acker zu haben.

Mann bettelt in der 6th Avenue in New York , Foto: AP
Die soziale Schere in den Industrieländern wird wachsenBild: AP

Umweltzerstörung könnte zur Revolution der jungen Generation führen

Bis 2052 werde es weniger Armut in den Entwicklungsländern, jedoch mehr Armut und Ungleichheit in den Industriestaaten und überall mehr Umweltzerstörung geben, schreibt der argentinische Investmentmanager Carlos Joly in seinem Ausblick für den Report "2052". Zugespitzt gesagt, sei der Grund für den Niedergang im Westen der "Triumph des Finanzkapitalismus". In der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes fehlten Vermögenswerte der Umwelt wie Wasserressourcen, Bodenfruchtbarkeit, Lebensqualität und stabiles Klima. Kurz: Die Gewinnberechnung müsse sich ändern. Der Wirtschaftsexperte Chandran Nair aus Malaysia kritisiert den "fast religiösen Glauben" des Westens an freie Märkte und warnt davor, Asien als Motor für das eigene Wachstum zu sehen und zu wirtschaften wie bisher. Stattdessen müsse der Konsum auf ein Maß gebracht werden, das die Erde nicht ausbeute.

Der jungen Generation werde der Geduldsfaden reißen, weil sie nicht länger die Umweltlasten der alten tragen wolle, schreibt das österreichische Club-of-Rome-Mitglied Karl Wagner in dem Bericht. Er sagt eine Revolution in den 2020er Jahren voraus - vergleichbar mit der von 1848 gegen das feudale Herrschaftssystem. So werde die Kultur des Konsums umschwenken auf nachhaltigeres Wirtschaften. Randers glaubt dagegen nicht mehr an rechtzeitige Besserung: Die Menschheit werde sich nicht schnell genug ändern. Auch die komplexen und zeitraubenden Entscheidungsprozesse in Demokratien würden das verhindern. Es nütze jedoch nichts, zu verzweifeln. Dass er selbst die Hoffnung nicht aufgegeben hat, zeigt sein Schlussstatement: "Bitte helft, meine Vorhersage falsch werden zu lassen. Zusammen können wir eine viel bessere Welt schaffen."