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Musikalische Integration

Christina Beyert7. Mai 2012

Musik verbindet Menschen aus aller Welt und kann deshalb die Integration von Migranten fördern. Wie das geht, lernen Studierende an der Universität Hildesheim im Studiengang "musik.welt".

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Studenten lernen verschiedene Musikinstrumente kennen (Foto: Christina Beyert)
Bild: DW/Beyert

Sie sitzen im Mittelschiff einer ehemaligen Kirche und sind umgeben von zahlreichen Instrumenten aus aller Welt. So ungewöhnlich wie ihr Hörsaal ist auch das Studium, das die 24 Studenten an der Universität Hildesheim seit diesem Semester belegen. In dem deutschlandweit einzigartigen berufsbegleitenden Pilotstudiengang "musik.welt" können sie in zwei Jahren lernen, wie Musik zur Integration in Schulen, Kindergärten oder sozialen Projekten beitragen kann.

Die Hälfte der Studenten im Alter von 20 bis 60 Jahren hat einen Migrationshintergrund. Sie kommen unter anderem aus Marokko, Iran, Tadschikistan oder der Türkei. So wie der 50-jährige Förderschullehrer Yusuf Sengör. In seinem Heimatland hat er als Jugendlicher auf einem Baumwollfeld gearbeitet, um sich von dem so verdienten Geld eine Saz, ein traditionelles türkisches Saiteninstrument, zu kaufen. Jetzt, so viele Jahre später, kann er sich seinen Lebenstraum erfüllen.

Wer singt, macht keinen Blödsinn

Das Spielen der Saz hat sich Sengör nach Gehör beigebracht. "Dass ich keine akademische Vorbildung habe, spielt hier keine Rolle", freut sich der Pädagoge, der inzwischen auch das Gitarrenspiel lernt. Für den Studiengang waren Voraussetzungen wie ein Abitur oder Musikstudium nicht erforderlich. Die Bewerber mussten jedoch ein Auswahlverfahren durchlaufen, bei dem besonderer Wert auf die Motivation und ihre musikalische Kompetenz gelegt wurde.

Yusuf-Sengör spielt Saz (Foto: Isa Lange/Universität Hildesheim)
Yusuf Sengör liebt MusikBild: Isa Lange/Universität Hildesheim

Yusuf Sengör benutzt zum Beispiel bei seinem Unterricht in einer multikulturellen Klasse immer wieder die Musik als verbindendes Element. "Wer singt, hat keine Zeit Blödsinn zu machen", sagt er. Und so übt er mit seinen Schülern auch schon mal Kinderlieder aus verschiedenen Teilen der Welt ein. Hier möchte er noch mehr Ideen bekommen, um musikalische Projekte zu entwickeln mit deren Hilfe integrative Prozesse angekurbelt werden.

Alle Musikkulturen sind gleichwertig

Geleitet wird der neue Studiengang "musik.welt" von Professor Raimund Vogels. Der Musikwissenschaftler und Musikethnologe ist auch Direktor des "Center for World Music" der Stiftung Universität Hildesheim. In dieser Forschungseinrichtung befinden sich über 3500 Musikinstrumente sowie zahlreiche Tonträger und Bücher aus aller Welt. Die Sammlung gehört der Stiftung Niedersachsen und steht als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Musikethnologe Raimund Vogels (Foto: Isa Lange)
Musikethnologe Raimund Vogels leitet den StudiengangBild: Isa Lange/Universität Hildesheim

Vogels hat in Deutschland und Afrika Musik studiert. Der 56-Jährige arbeitete zehn Jahre als Musikethnologe an der Universität Hannover. Er hatte die Idee zur Gründung des neuen Studiengangs. "Ich habe damals festgestellt, dass die Studenten mit der Tatsache, dass Musikkulturen dieser Welt in gewisser Weise gleichwertig sind und ihre besonderen kulturellen und ästhetischen Fähigkeiten haben, nicht viel anfangen können", erzählt er. Die Ausbildung soll das ändern. 

Gespannt auf andere Tonalitäten

Die Studieninhalte werden in Modulen vermittelt, oft an Wochenenden. Darunter sind unter anderem die Bereiche Musikethnologie, interkulturelle Musikpädagogik und Projektmanagement. In den Seminaren lernen die Studenten, welche Bedeutung die Musik in verschiedenen Kulturkreisen hat und müssen Instrumente aus unterschiedlichen Erdteilen anhand ihres Klangs zuordnen. Zudem gibt es Einzelunterricht an einem Musikinstrument aus einem anderen Kulturkreis.

Studenten spielen Geige und Saz (Foto: Isa Lange)
Gemeinsames Projekt wird einstudiertBild: Isa Lange/Universität Hildesheim

Die Violinistin und Musiklehrerin Johanna Udert etwa lernt jetzt einige iranische Instrumente. "Ich bin gespannt darauf, wie ich mich in andere Tonalitäten einarbeiten kann“, sagt sie. Diese Erfahrungen möchte sie dann in ihre pädagogische Arbeit mit Schülern aus anderen Kulturkreisen einbinden.

Ihren ersten großen Auftritt haben die Studenten aber schon Ende Mai. Beim Fest der Kulturen in Hannover präsentieren sie ihr musikalisches Können unter dem Titel "Globales Dorf". Yusuf Sengör setzt dabei ganz auf große Gefühle: Er will die Zuhörer in die musikalische Welt einer türkischen Hochzeit entführen.