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Widerstand gegen Rechts

Nils Naumann1. Mai 2012

In vielen deutschen Städten haben sich Bürger am 1. Mai Demos von Rechtsextremisten entgegen gestellt. In Bonn protestierten mehr als 1000 Menschen mit Kundgebungen und Mahnwachen.

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Nazi Demo Bonn Nazis vor Fahnen und Transparenten foto: Nils Naumann, DW, 01. Mai 2012 in Bonn Deutschland
Nazi Demo Bonn 1. Mai 2012Bild: DW

Ein Polizeihubschrauber knattert über dem Bonn-Beuler Bahnhofsplatz. Rund 1000 Demonstranten haben sich am nördlichen Ende des Platzes versammelt, um gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen zu protestieren. Junge und Alte, Männer, Frauen und Kinder. Vertreter von über 60 Organisationen, von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen. Die Demonstranten tragen Transparente mit Parolen wie "1. Mai nazifrei", "Nazis raus" oder "Esst mehr Nazis".

Unter ihnen ist auch die 41-jährige Karen Schneider: "Wir wollen Flagge zeigen", erklärt die blonde Frau, "zeigen, dass Rechts hier keine Chance hat."  Neben ihr steht der 65-jährige Khaled El Dhibi. Auch ihn macht es wütend, dass Rechtsextremisten durch Bonn marschieren. Der Deutsch-Araber will ein Zeichen setzen, "gegen die neuen Nazis in Deutschland". El Dhibi wohnt seit mehr als dreißig Jahren in Bonn. "Gerne", wie er sagt, "es ist eine Multikulti-Stadt und ich bin stolz darauf, ein Bonner zu sein."

Nazi Demo Bonn Polizist vor Gegendemonstranten foto: Nils Naumann, DW, 01. Mai 2012 in Bonn Deutschland
Die Polizei als Prellbock zwischen Neonazis und GegendemonstrantenBild: DW

Einige Meter weiter schwenken Mitglieder der Grünen Jugend Bonn ihre Fahnen: "Bonn", so ihre Sprecherin, die 19-jährige Sophie Burkhardt, "sollte auch weiter eine solidarische Stadt bleiben, wo jeder seinen Platz hat und auch alle Kulturen leben sollen."

Polizeisperren zwischen Rechtsextremen und Gegendemonstranten

Wirklich nah dran an die Demonstration der Rechten kommen die Gegendemonstranten nicht. Die Polizei hat die Route der Nazi-Demonstration weiträumig mit Gittern und Mannschaftswagen abgesperrt. Zutritt zum Streckenverlauf bekommen nur die Anwohner der betroffenen Straßen. Doch die wollen sich nicht mit dem Aufmarsch der Rechten abfinden. Aus den Fenstern vieler Häuser hängen Transparente, auf die Straßen malen Kinder mit Kreide Anti-Nazi-Parolen.

Als die rund 150 Neonazis schließlich gegen Mittag ihren Demonstrationszug vom südlichen Ende des Bahnhofsplatz aus beginnen, empfangen die Anwohner sie mit einem Pfeifkonzert. Aus den Fenstern schallt laute Musik, übertönt die rechten Parolen. Kinder schlagen auf Töpfe, Erwachsene trommeln oder spielen E-Gitarre. Gut drei Stunden dauert der Umzug der Rechten. Dann verlassen sie Bonn genau so wie sie gekommen sind, eskortiert von der Polizei.

Nazi Demo Bonn foto: Nils Naumann, DW, 01. Mai 2012 in Bonn Deutschland
Bunt gegen Braun. Eine Gegendemonstrantin in Bonn.Bild: DW

Polizei: kein Verbot möglich

Viele Gegendemonstranten hätten sich ein Verbot der rechten Demo gewünscht. Die Polizei aber sah keine Handhabe. Auch dass einer der Anmelder, der Rechtsextremist Cristian Malcoci, wegen politischer Straftaten vorbestraft ist, reichte nach Angaben von Polizeisprecher Ulrich Faßbender nicht aus: "Es hätte noch mehr Anhaltspunkte für ein Verbot geben müssen."

Die Bilanz der Polizei: Eine Festnahme wegen Zeigens verfassungswidriger Kennzeichen auf Seiten der Rechten, ein verletzter Gegendemonstrant nach dem Einsatz von Pfefferspray.  "Die Polizei Bonn hatte einen schwierigen Einsatz zu bewältigen", sagt Polizeisprecher Faßbender, "aber der friedliche Protest der Bonner Bevölkerung war beeindruckend."

Nazi Demo Bonn Anmelder Nazi-Demo Christian Malcoci foto: Nils Naumann, DW, 01. Mai 2012 in Bonn Deutschland
Cristian Malcoci: Anmelder der Rechtsextremisten-DemoBild: DW

Bundesweite Proteste gegen rechte Aufmärsche

Auch in mehreren anderen deutschen Städten kam es zu Protesten gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten. In Neumünster in Schleswig-Holstein nahm die Polizei rund 100 Teilnehmer eines Neonazi-Aufmarsches in Gewahrsam, als diese eine nicht angemeldete Route einschlugen. Unter den Rechtsextremisten war auch der NPD-Fraktionsvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs. Im Stadtgebiet demonstrierten rund 2000 Menschen gegen die NPD.

Einsatzkräfte der Polizei drängen am Dienstag (01.05.2012) in der Innenstadt Teilnehmer eines NPD-Aufmarsches ab. Ein breites Bündnis von Parteien, Gewerkschaften und Verbänden hat zu Protestkundgebungen gegen die Versammlung aufgerufen. Foto: Bodo Marks dpa/lno +++(c) dpa - Bildfunk+++
In Neumünster ging die Polizei gegen Teilnehmer einer NPD-Demo vorBild: picture-alliance/dpa

Bundesinnenminister Friedrich ging an der Spitze eines Protestzugs von rund 4000 Menschen durch das bayrische Hof, seinen Bundestagswahlkreis. Dort hatten sich rund 400 Rechtsextreme angekündigt. Bei der Kundgebung unter dem Motto "Hof ist bunt und nicht braun" sagte der CSU-Politiker: "Die Demokratie in Deutschland lebt und wir werden sie uns nicht von Extremisten und Rassisten zerstören lassen." Friedrich dankte den Bürgern, dass sie ein Zeichen setzten: "Die Sprachlosigkeit der Demokraten ist der größte Feind der Demokratie."

Im mecklenburgischen Neubrandenburg protestierten rund 400 Menschen gegen die Kundgebung von etwa 300 Rechtsextremisten. "Diese Stadt hat Nazis satt", war auf einem Transparent zu lesen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), sagte auf der Gewerkschaftskundgebung: "Wir lassen den Tag der Arbeit nicht von den Nazis vereinnahmen."

Die rechtsextreme Szene hat den 1. Mai seit einiger Zeit als Aufmarschtag entdeckt. Auch in den vergangenen Jahren kam es am Tag der Arbeit zu Demonstrationen der Rechtsextremen.