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Allianz der Ausbeutung

Irene Quaile20. April 2012

Zwei Jahre nach der Ölpest im Golf von Mexiko planen die Energiekonzerne Exxon und Rosnef eine Zusammenarbeit in der Arktis. Eine Gefahr für die sensible Umwelt: Ein Ölunfall wäre eine Katastrophe.

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Eisberg im Kongsfjord, Spitzbergen - eine Gefahr für Schiffe in arktischen Gewässern.
Bild: DW/I.Quaile

Ungefähr 13 Prozent der noch unentdeckten weltweiten Ölreserven und knapp ein Drittel der unentdeckten Gasreservoirs werden in der einst unzugänglichen Arktis vermutet. Seitdem der Klimawandel das Meereis schmilzen lässt, läuft ein Rennen zwischen den Ölgiganten um den Zugang zu diesen Reserven. Steigende Ölpreise sowie der Wunsch, von Ölimporten unabhängig zu sein, haben das Interesse an der Erschließung neuer Energiequellen weiter steigen lassen.

Zusammenarbeit in der Kälte statt "Kalter Krieg"

Eine Vereinbarung zwischen dem russischen Staatskonzern Rosneft und BP platzte im vergangenen Jahr. Die Zusammenarbeit zwischen der russischen Gesellschaft und dem amerikanischen Riesen Exxon kam erst nach fast einem Jahr zäher Verhandlungen zustande, bei denen die russische Regierung Konzessionen bei Energiesteuern und -tarifen einräumte. "Experten beschreiben das Projekt als ebenso ehrgeizig wie die bemannte Raumfahrt oder der Flug zum Mond", sagte der stellvertretende russische Premierminister Igor Sechin bei einer Präsentation in New York. Mehr als 380 Milliarden Euro, rund 500 Milliarden US-Dollar, wollen die Energiekonzerne Exxon und Rosneft in ihre Zusammenarbeit investieren.

Eisfeste Ölplattform im Kaspischen Meer (Foto: ITAR-TASS/ Valery Matytsin)
Ölplattformen, die im Nordpolarmeer eingesetzt werden, müssen eisfest sein wie hier im Kaspischen MeerBild: picture alliance / dpa

Umweltverbände warnen jedoch ununterbrochen vor den Gefahren eines möglichen Ölunfalls in der Region mit ihren empfindlichen Ökosystemen. Klarer Verlierer der neuen Vereinbarung zwischen Rosneft und Exxon, die bereits im August 2011 bekannt wurde, jedoch erst jetzt detaillierter vorgestellt wurde, sei das arktische Ökosystem, so die Umweltorganisation Greenpeace. "Eine Ölkatastrophe, wie wir sie im Golf von Mexiko erlebt haben, hätte in der Arktis noch weit schlimmere Folgen", sagt Greenpeace Öl-Experte Jörg Feddern. In diesen Tagen wurden Berichte über Krankheiten und Missbildungen bei Fischen und Krabben im Golf von Mexiko veröffentlicht. Wissenschaftler vermuten die Ursache bei den Chemikalien, mit denen das Öl nach dem Unfall aufgelöst wurde. In Alaska sind auch nach über 20 Jahren immer noch Ölspuren vom Unfall mit dem Tanker Exxon Valdez  zu finden.

Eine Studie im Auftrag des internationalen Versicherungsunternehmens Lloyds warnt ebenfalls von den hohen Risiken, die mit wirtschaftlichen Unternehmungen In der Arktis verbunden sind. Charles Emmerson von der Denkfabrik Chatham House, die die Studie im Auftrag von Lloyds dürchführte, spricht von "akuten Kosten, Umweltrisiken und Ungewissheiten". Starke politische Führung, Risiko-Management und dringende wissenschaftliche Forschung seien notwendig, um die einzigartigen Risiken und Herausforderungen zu bewältigen. 

Ölverschmutzter Pelikan im Golf von Mexiko (Foto: AP Photo/Charlie Riedel)
Im Golf von Mexiko starben viele Tiere nach dem ÖlunfallBild: AP

Umweltforschung vor Bohrungen?

Auch John Farrel, Geschäftsführer der US Arctic Research Commission, einer arktischen Forschungsagentur der USA, betont die Notwendigkeit, weitere Daten über die Arktis zu sammeln. Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest des Planeten. Es wird zunehmend unwahrscheinlich, dass die Forschung Schritt halten kann im Rennen, von den Ressourcen in der Arktis zu profitieren.

Der Grönländer Aqqualuk Lynge ist Vorsitzender der Inuitorganisation Circumpolar Council, die zur Vorsicht und Nachhaltigkeit bei der Ausbeutung der Naturschätze der Arktis mahnt. Lynge kritisiert die Geschwindigkeit, mit der die Entwicklung voranschreitet. Es sei fraglich, ob man wirklich die technologischen Fähigkeiten habe, sicher in arktischen Gewässern zu bohren, ohne Auswirkungen auf die Seehunde und Wale, die sich dort aufhielten. Lynge vertritt die etwa 160.000 Inuit, die in den arktischen Gebieten von Alaska, Kanada, Grönland und Chukotka (Russland) leben.

Die Infrastruktur lässt zu wünschen übrig

Ölbohrungen und der Transport von Öl in der Arktis stellen eine riesige Herausforderung für die Sicherheit und die Infrastruktur dar. Jörn Harald Andersen ist Berater der Norwegian Clean Seas Association (NOFO), die die Betreiberfirmen in norwegischen Gewässern bei der Beseitigung von Ölverschmutzung unterstützt.

"Je weiter nördlich wir arbeiten, desto weniger Tageslicht hat man im Winter“, erklärt Andersen. Außerdem stellten schlechte Sichtverhältnisse durch Nebel, niedrige Temperaturen sowie die mangelnde Infrastruktur eine wichtige Rolle. "Wir müssen sehr viel Ausrüstung und Personal dorthin transportieren. Es gibt kaum Unterstützung vor Ort und die Logistik ist viel schwieriger als anderswo", sagt der norwegische Experte. Andersen ist trotzdem überzeugt, dass seine Gruppe mit einem Ölunfall im Eis fertig werden könnte.

Die «Enisey» (Nordic AT 19), ein eisbrechender Öltanker für das russische Bergbauunternehmen Norilsk Nickel, startet am Dienstag (23.08.2011) von der Werft von Nordic Yards in Wismar zu seiner Probefahrt. (Foto: Jens Büttner dpa/lmv)
Für den Einsatz in der Arktis werden Spezialtanker gebautBild: picture-alliance/dpa

Ökosystem unter Druck

Umweltgruppen sehen das anders. Der WWF und Greenpeace zweifeln daran, dass die Ölindustrie auf einen größeren Ölunfall in der Arktis ausreichend vorbereitet ist. Die Unterzeichnung einer Seenotrettungsvereinbarung durch den Arktischen Rat im vergangenen Jahr reiche noch lange nicht aus, um die Sicherheit bei der Ausweitung der Ölausbeutung und des Öltransports in der Arktis zu garantieren, erklärt Frida Bengtsson von Greenpeace Norwegen. Die riesigen Gebiete der Arktis seien sehr schwer zugänglich, um auf einen Ölunfall bei den Bohrarbeiten oder beim Tankertransport zu reagieren. "Das ist meiner Meinung nach die größte unmittelbare Bedrohung für das arktische Ökosystem“, sagt die Greenpeace Aktivistin. Außerdem sei sie sehr um die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels besorgt, der durch das Verbrennen des Öls weiter verstärkt würde.