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Islamkonferenz besorgt über Salafismus

Mathias Bölinger19. April 2012

Nachdem es im vergangenen Jahr bei der deutschen Islamkonferenz zum Eklat kam, lief es dieses Jahr harmonischer zwischen Innenminister und Muslimen. Doch so ganz ist das Misstrauen noch nicht ausgeräumt.

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betende Muslime in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Glaubt man Innenminister Hans-Peter Friedrich an diesem Donnerstag (19.04.2012), dann war die diesjährige Sitzung der deutschen Islamkonferenz äußerst konstruktiv. In einer Sitzungspause tritt er vor die Journalisten im ehemaligen Umspannwerk Kreuzberg, das mit seinem postindustriellen Charme einerseits lässige Modernität ausstrahlt und gleichzeitig noch in einem Berliner Bezirk liegt, in dem traditionell viele Migranten leben.

Friedrich betont die große Übereinstimmung, die die Konferenz erzielt habe. Einig sei man sich zum Beispiel gewesen, dass Zwangsheirat und häusliche Gewalt "nicht der Ausfluss der Religion sind, sondern auf patriarchalische Strukturen und Traditionen in den Herkunftsländern zurückgehen".

Innenminister Friedrich im April 2012 auf der deutschen Islamkonferenz
Innenminister Friedrich wird ein angespanntes Verhältnis zu den Muslimen nachgesagtBild: dapd

Die Gleichheit der Geschlechter war das Schwerpunktthema der Konferenz in diesem Jahr. "Keine Akzeptanz" dürfe es für häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung geben, fordern die Teilnehmer in einem gemeinsamen Papier. "Es ist das erste Mal, dass sich so viele muslimische Verbände und Einzelpersonen auf eine solche Erklärung verständigt haben", betont Friedrich.

Keine gemeinsame Pressekonferenz

Allerdings gilt das Verhältnis Friedrichs zu den Muslimen nach wie vor als angespannt, nachdem er bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr gesagt hatte, der Islam gehöre historisch nicht zu Deutschland. Damit bezog er sich auf den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der zuvor mit dem Satz "der Islam gehört zu Deutschland" für mehr Akzeptanz von Muslimen geworben hatte. Im vergangenen Jahr musste Friedrich sich auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Islam-Vertretern deshalb harsche Kritik einer Teilnehmerin anhören.

In diesem Jahr gab es erst gar keine gemeinsame Pressekonferenz - "aus rein organisatorischen Gründen", wie Friedrich sagte. Im vergangenen Jahr hätten sich Teilnehmer "bitter beklagt", dass durch die gemeinsame Pressekonferenz zu viel Zeit verloren gegangen sei.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU, 3.v.l.) und und die Teilnehmer der Islamkonferenz
Bundesinnenminister Friedrich und andere Teilnehmer der IslamkonferenzBild: dapd

Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, gab dann gleichzeitig vor dem Gebäude auf der Straße Interviews. Es sei schade, dass es diesmal nicht möglich gewesen sei, eine gemeinsame Pressekonferenz zu veranstalten, sagte er. Und Friedrichs Haltung gegenüber den Muslimen kommentierte er trocken: "Ich denke, er lernt dazu."

Vertreter der Muslime betonten am Rande der Konferenz aber auch, dass die Islamkonferenz seit ihrem Bestehen viel erreicht habe. Ali Dogan, der Vertreter der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, einer als liberal geltenden Minderheit, sagte, mit Themen wie häuslicher Gewalt könne man inzwischen auch Fragen ansprechen, die noch vor fünf Jahren kaum als Thema akzeptiert worden wären

Auch Kolat betonte, gerade mit der Ausbildung von Imamen und islamischem Schulunterricht habe man viel erreicht: "Der Islam wird differenzierter betrachtet, das ist ein Erfolg der Islamkonferenz."

Die deutsche Islamkonferenz wurde vor sechs Jahren vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble einberufen, um Probleme zwischen Muslimen und der Bevölkerungsmehrheit zu besprechen und dem Islamismus vorzubeugen. Seitdem hat sie sich mit Themen wie der Bekämpfung des Fundamentalismus, dem islamischen Religionsunterricht in Deutschland, der Ausbildung von Imamen und der Gleichberechtigung von Mann und Frau auseinandergesetzt.

Islamkonferenz verurteilt häusliche Gewalt

Warnung vor salafistischem Propagandanetzwerk

Wenige Tage vor der Islam-Konferenz hatte eine radikale Salafisten-Gruppe für Aufregung gesorgt, nachdem sie angekündigt hatte, 25 Millionen Korane in deutschen Fußgängerzonen zu verteilen. Der Innenminister des Landes Niedersachsen, Uwe Schünemann, hatte deshalb gefordert, Salafismus zum Schwerpunkt der Konferenz zu machen.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat
Kenan Kolat ist der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

"Das Thema macht uns große Sorgen", sagte Friedrich. Die Salafisten verfügten über ein "sehr gezieltes Propagandanetzwerk", mit dem sie junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund erreichen. Das Thema stehe allerdings schon lange auf der Agenda der Islamkonferenz.

Die Salafisten sind auch unter Muslimen umstritten. "Das Weltbild dieser Gruppe ist nicht das Weltbild der Muslime in der Islamkonferenz", betonte Kolat. Die Salafisten stehen für eine wörtliche Auslegung des Korans, wie er im siebten Jahrhundert geschrieben wurde. "Wenn diese Gruppierungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sind, dann müssen sie verboten werden", sagte er.

Kritikerin Omerika nicht mehr dabei

Für das nächste Jahr hat sich die Konferenz vorgenommen, sich vor allem um das Thema Prävention zu kümmern: Wie kann man verhindern, dass junge Muslime sich radikalen Gruppen anschließen und wie kann der wachsenden Islamfeindlichkeit vorgebeugt werden?

Minarette auf dem Dach des Neubaus der Khattab-Moschee des Islamischen Vereins für wohltätige Projekte in Berlin-Kreuzberg.
Die Khattab-Moschee in Berlin-KreuzbergBild: picture alliance / dpa

Die Teilnehmerin, die den Innenminister im vergangenen Jahr so scharf anging, musste er dieses Jahr übrigens nicht mehr fürchten. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika hatte am Vortag bekanntgegeben, der Konferenz nicht mehr angehören zu wollen, weil sie unter Friedrich keine Fortschritte mehr erwarte.

Friedrich nannte den Austritt Omerikas "konsequent". Sie habe schon länger nicht mehr an den Arbeitstreffen teilgenommen. "Es gibt seit dem Anfang immer wieder Wechsel in der Besetzung. Insofern ist das halt so."