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Sorge vor Aktivitäten der Salafisten

Bettina Marx15. April 2012

Die Aktivitäten salafistischer Gruppen in Deutschland sorgen in Berlin für Gesprächsstoff. Die Politik ist beunruhigt und die Sicherheitsbehörden fürchten, dass sich das religiöse Klima weiter aufheizen könne.

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ARCHIV - Blick auf eine Ausgabe des Koran und weitere religiöse Schriften im Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung im Soldiner Kiez in Berlin, aufgenommen am Dienstag (15.08.2006) in Berlin. Radikalislamistische Salafisten haben erklärt, in Fußgängerzonen von Großstädten und im Internet 25 Millionen Koran-Exemplare an Nichtmuslime abgeben zu wollen. Foto: Peer Grimm/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: dapd

Sie kleiden sich wie die Gefährten des Propheten Mohammed vor 1400 Jahren und vertreten einen radikalen Islam: Die fundamentalistische Gruppe der Salafisten. Seit einigen Wochen verteilen sie in Fußgängerzonen deutscher Städte den Koran an interessierte Passanten. Nach eigenen Angaben wollen sie insgesamt 25 Millionen Exemplare der Heiligen Schrift des Islam ausgeben und damit Anhänger werben. Organisator der Gruppe ist der in Köln lebende Geschäftsmann und Prediger Ibrahim Abou Nagie. Er betreibt eine offen missionarische Internet-Seite und rief seine Anhänger inzwischen dazu auf, ihre Verteil-Aktionen in deutschen Städten trotz der wachsenden Kritik fortzusetzen.

Ermittlungsverfahren gegen Salafisten
 
Das Bundesinnenministerium nehme die aktuellen Bestrebungen der Salafisten sehr ernst, sagte dessen Sprecher Markus Beyer in Berlin. Er verwies auf das Ermittlungsverfahren gegen die Gruppe "Einladung zum Paradies" vom Dezember 2010. Damals habe es bundesweite Durchsuchungen gegen den Verein und maßgebliche Mitglieder gegeben. Dies habe schließlich zur Auflösung des Vereins geführt. Die Verfassungsschutzämter hätten die Aktivitäten der Salafisten seit November 2010 im Visier und beobachteten die Gruppe mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Das Verteilen von Koran-Exemplaren in deutschen Städten sei von der Religionsfreiheit gedeckt und könne nicht verboten werden. Nicht akzeptabel sei es jedoch, wenn Journalisten, die über die Gruppe recherchierten, in Gefahr gerieten. "Es ist für uns absolut nicht hinnehmbar, dass in Deutschland Journalisten bedroht werden und damit auch die Pressefreiheit tangiert wird", so Beyer. In diesem Zusammenhang seien auch bereits erste Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

In einem Internet-Video, das inzwischen aus dem Netz genommen wurde, waren Journalisten bedroht worden, darunter ein Reporter der Frankfurter Rundschau. Der Deutsche Journalisten-Verband DJV verurteilte die Einschüchterungsversuche. „Kritische Berichterstattung gehört zum Kern der demokratischen Gesellschaft“, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Das müssten auch religiöse Eiferer akzeptieren. Er ermunterte Journalistinnen und Journalisten, wachsam zu sein und sich von Drohungen nicht einschüchtern zu lassen: „Journalisten lassen sich nicht vorschreiben, über welche Themen sie wie berichten“, so Konken in einer schriftlich verbreiteten Stellungnahme. DJV-Sprecher Hendrik Zörner rief im Gespräch mit der Deutschen Welle bedrohte Journalisten dazu auf, sich bei ihrer Interessenvertretung zu melden, damit man die entsprechenden Informationen sammeln und die Reporter unterstützen könne.

Besorgnis in Berlin

Vertreter von Parteien, Sicherheitskräften und Verbänden zeigten sich unterdessen weiterhin besorgt über die Aktivitäten der Salafisten. Der Geschäftsführer der Grünen Volker Beck forderte, die Gruppe "Die wahre Religion", die hinter der Aktion steht, genau zu beobachten. Gegen ihren Anführer laufe derzeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung. Den Koran zu verteilen, könne man hingegen nicht verbieten, so Beck. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Passanten, denen die Salafisten das Buch auf der Straße in die Hand drückten, es in der Mülltonne entsorgten und damit respektlos behandelten.
 
Auch CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder kritisierte, der Koran werde für extremistische Umtriebe missbraucht. Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl verlangte, den Umtrieben der Salafisten Einhalt zu gebieten.
Der SPD-Politiker Thomas Oppermann, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion seiner Partei, sagte, die Salafisten benützten die Religion nur als Deckmantel. In Wirklichkeit betrieben sie aggressive Propaganda. "Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist. Aber die Gruppe der Salafisten hat ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt und bietet Nährboden für Terrorismus", sagte Oppermann.

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Salafisten in Deutschland zwischen 4000 und 5000 Anhänger haben. Etwa ein Dutzend seien als Führungspersönlichkeiten einzuordnen. Die Aktivitäten der Gruppe beobachte man sehr sorgfältig, auch die Verteilung von Koranexemplaren in deutschen Innenstädten. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen planen Salafisten, weiterhin kostenlose Ausgaben des Koran zu verteilen.

Verschleierte Frauen verfolgen eine Rede des radikal-islamistischen Predigers Pierre Vogel am Sonntag (24.07.2011) im hessischen Dietzenbach. Foto: dpa/lhe
Auch Frauen fühlen sich von den Salafisten angesprochen.Bild: picture-alliance/dpa
Der fundamentalistische Islamprediger Pierre Vogel spricht am Sonntag (24.07.11) in Dietzenbach. Foto: dapd
Pierre Vogel, der bekannteste deutsche SalafistBild: dapd
Ein Mann hält ein Buch mit der Aufschrift "Koran" in den Händen, aufgenommen am 08.10.2010 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main.
25 Millionen Exemplare des Koran sollen verteilt werdenBild: picture-alliance/ZB