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Frauensprache - Männersprache?

7. März 2012

Die deutsche Sprache ist in den letzten Jahren "weiblicher" geworden. Die Linguistin Luise F. Pusch erläutert, warum es weiterhin nötig ist, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen.

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Männer BizepsBild: Fotolia/Kzenon

Frauensprache - ein alter Hut, eine Diskussion von vorgestern? Schließlich gibt es kein offizielles Formular mehr, keine Stellenausschreibung, die nicht ausdrücklich Männer und Frauen gleichermaßen erwähnt: der Antragsteller, die Antragstellerin, der Bewerber, die Bewerberin. Und doch ist es immer noch so, dass in der deutschen Sprache die männliche Form als die allgemein Gültige benutzt wird. Kurz: Die deutsche Sprache verleitet dazu, Männer in den Vordergrund zu stellen.

Die Linguistin und Autorin Luise F. Pusch findet das ungerecht und wird seit den 1980er Jahren nicht müde, in Büchern und Beiträgen unser "Deutsch auf Vorderfrau" zu bringen. So heißt auch ihr zuletzt erschienener Band mit Glossen. Gabriela Schaaf hat mit ihr darüber gesprochen, inwieweit die Gerechtigkeitslücken in unserer Sprache geschlossen werden konnten.

Deutsche Welle: Frau Pusch, wie steht es denn aus Ihrer Sicht aktuell um die Bemühungen, unsere Sprache geschlechtsgerechter zu gestalten?

Luise F. Pusch: Als wir mit der feministischen Sprachkritik anfingen, war erstmal die ganze Gesellschaft überrascht. Aber das progressive Spektrum hat sich doch solidarisiert und hat auch begeistert mitgemacht. Was jetzt besonders verwundert, ist, dass auch jüngere Frauen, also nicht nur jüngere Männer, von denen wir das nicht anders erwarten, oft sehr stark dagegen argumentieren.

Warum es denn so wichtig, in der Sprache geschlechtlich genau zu sein?

Da gibt es ein ganzes Bündel von Gründen. Die deutsche Sprache ist mit ihrem Genus-System und dem sogenannten generischen Maskulinum so geartet, dass wir zum Beispiel fragen: "Wer wird der nächste Bundespräsident?". Das ist grammatikalisch korrekt. Wenn Sie aber sagen würden: "Wer wird die nächste Bundespräsidentin?" würde es heißen: "Ja, aber wieso denn eine Frau?"

Frauen als grammatikalischer Sonderfall

Das Maskulinum gilt als neutral, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Die Normalform ist männlich und das heißt, der Mann ist Norm, die Frau ist immer zweite Wahl. Sie ist nicht die Standardversion. Das ist fundamental ungerecht, den meisten aber gar nicht bewusst. Die feministische Sprachkritik hat 30 Jahre lang daran gearbeitet, das bewusst zu machen und Gegenmittel zu ergreifen.

Bild der Autorin Luise F. Pusch Copyright: Joey Horsley
Luise F. Pusch hat die Sprache im BlickBild: Joey Horsley

Ich sage immer, die deutsche Sprache verbirgt oder versteckt die Frau besser als jede Burka. Unter einer Burka steckt eine Frau und in Umrissen ist sie auch erkennbar. Aber unsere Sprache bringt die Frauen sprachlich zum Verschwinden. Da denkt niemand mehr an Frauen, wenn wir sagen: "In diesem Chor sind 100 Sänger." Dabei könnten es auch 99 Sängerinnen sein und die sind grammatisch durch einen einzigen hinzukommenden Mann eine männliche Gruppe.

Die Frau fällt hinten runter

Im Zeitalter der Information und der symbolischen Repräsentation können wir gar nicht stark genug betonen, wie nachteilig das für Frauen ist. Das Deutsche ist eine Sprache, wo wir dauernd Suggestivfragen stellen, zum Beispiel wenn es in einer Partei darum geht, Vorschläge für den nächsten Vorsitzenden zu machen. Wenn da nicht "gegendert" wird (gendering = Gleichstellung der Geschlechter in der Sprache, die Red.), etwa: "Machen Sie Vorschläge für die nächste Parteivorsitzende oder den nächsten Parteivorsitzenden", dann kommen signifikant mehr Männervorschläge als Frauenvorschläge. Die Frau fällt raus und hinten runter durch diese suggestiv männliche Frageform.

Das heißt, Sprache wirkt sich direkt auf die gesellschaftliche Realität aus?

Ganz direkt. Es beschneidet die Chancen der Frauen in vielerlei Hinsicht. Und das perfide ist, dass den Frauen das nicht bewusst ist. Das liegt daran, dass uns Sprache sowieso meist nicht bewusst ist. Wir wollen sprechen und nicht über Grammatik nachdenken. Die Gesellschaft ist sowieso frauenfeindlich, für Frauen nicht günstig organisiert. Da brauchen wir nur einmal in die oberen Etagen von Unternehmen zu gucken, welches Geschlecht da sitzt. Und die Sprache verstärkt das. Wir haben also ganz schön dicke Bretter zu bohren, bis das mal besser wird.

Herr Müller darf sich jetzt Herr Schmidt nennen

Cover des Buchs "Sprachkritische Glosse" von Luise F. Pusch
Bild: Wallstein Verlag

Aber es hat sich auch etwas getan in den letzen Jahrzehnten, nicht zuletzt dank Ihrer Bemühungen und der Bemühungen auch anderer Frauen. Das wollen wir jetzt nicht verschweigen. Können Sie uns Beispiele nennen?

Da gibt es viele Beispiele. Wir haben zum Beispiel das Pronomen "frau" eingeführt, die "Ratsfrau" und den "Hausmann". Darüber wurde noch vor 20, 30 Jahren gelacht. Wir haben die Regel eingeführt, eine Frau mit einem Femininum zu bezeichnen und nicht mit Ratsherr oder Ratsherrin, Amtmann oder Amtmännin.

Wir haben das "Fräulein" abgeschafft. Das ist eine ganz wichtige Sache, dass die unverheiratete Frau nicht mehr signalisiert wird als eine, die noch frei ist für den Mann. Bei der Anrede "Herr Müller" wird auch nicht signalisiert, ob er verheiratet ist oder nicht. Das Namensrecht ist gerechter worden. Die Frau verliert nicht mehr automatisch ihren Namen, wenn sie heiratet, sondern sie kann ihren Namen beibehalten. Der Mann kann sogar ihren Namen annehmen. Und die Amtssprache ist durch Erlasse ziemlich gut geregelt, also "gegendert" worden. Ich fasse das immer so zusammen: Das Maskulinum ist nicht mehr das, was es einmal war.

Was sucht die Büstenhalta in der Geschirrspüla?

Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass Sie das Thema nicht ohne Humor angehen. Und Sie schreiben ja auch Glossen, in denen Sie weitere Vorschläge machen. Was könnte denn noch angepasst werden?

Unsere Umwelt sollte schöner und femininer werden. Mein Ipod nano
heißt natürlich Nana, mein Computer heißt schon seit 30 Jahren "Pute".
Meine Freundinnen sprechen von ihrer "Anrufbeantworterin" – aber statt
des hässlichen "–erin" können wir doch einfach ein "–a" setzen: die
Staubsauga, die Rechna, die Fernseha, Büstenhalta, Geschirrspüla.

Und welche Konsequenzen hätte das?

Das ist einfach subversiv und lustig.

Halten Sie das für mehrheitsfähig?

Das Ganze geht ja sowieso von einer relativ kleinen Gruppe aus, die
allerdings sehr viel erreicht hat. In bestimmten Kreisen wird es gerne
verwendet, wenn auch nur so als Gewürz…

Das Gespräch führte Gabriela Schaaf
Redaktion: Hiltrud Schoofs

Das Buch:
Luise F. Pusch: Deutsch auf Vorderfrau. Wallstein Verlag. 140 Seiten. 9,90 Euro; ISBN-13: 9783835308633