1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundesbank auf Konfrontationskurs

Deutsch-red5. März 2012

Bundesbank-Chef Jens Weidmann fürchtet um die Folgen der ausufernden Target2-Salden und will die Forderungen gegen die EZB zusätzlich absichern. Damit schließt er ein Scheitern des Euro nicht mehr aus.

https://p.dw.com/p/14FJd
Bild: dapd

Im Gegensatz zu seinem lautstarken Vorgänger Axel Weber ist der jetzige Bundesbankpräsident Jens Weidmann eher ein Mann der leisen Töne. Aber dass man auch mit solchen leisen Tönen eine heftige Debatte auslösen kann, hat Weidmann gerade unter Beweis gestellt.

In diesem Fall geht es um einen Brief, den der Bundesbankchef vor einigen Tagen an Mario Draghi, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, geschickt hatte. Darin warnt er vor wachsenden Risiken innerhalb des grenzüberschreitenden Zahlungssystems (auch Target genannt) der Währungsunion und will die inzwischen auf über 500 Milliarden Euro angewachsenen Forderungen der Bundesbank gegen die EZB zusätzlich absichern.

Bundesbank hegt Zweifel an der Eurozone

Irritiert zeigte sich der Adressat des Briefes Mario Draghi und mit ihm die Mehrheit des Zentralbankrats. Von einem "verheerenden Signal", das Weidmann ausgesandt habe, sprach Draghi. Denn damit räume die Bundesbank erstmals ein, dass sie "ein Auseinanderbrechen der Eurozone nicht ausschließt". Die Forderungen der nationalen Zentralbanken gegen die EZB werden nämlich erst dann zum Problem, wenn die Eurozone nicht mehr existieren sollte.

Das Target-System ist mit der Euro-Einführung entstanden, um grenzüberschreitende Geldüberweisungen zu erleichtern. Im November 2007 wurde es zum Target Second Generation (Target2) erweitert. Dabei ist die EZB zu einer zentralen Verrechnungsstelle für die nationalen Notenbanken geworden.

Target2-Salden laufen aus dem Ruder

So entsteht bei einem deutschen Exportgeschäft eine Forderung der Bundesbank gegenüber der EZB, während die Notenbank des Importeurs eine Verbindlichkeit gegen die EZB eingeht. Da durch die Eurokrise beträchtliches Kapital aus den Südländern abfließt, werden sowohl das Handelsbilanzdefizit als auch der Kapitalabfluss durch das Target2-System finanziert. Mit anderen Worten: Die Target2-Salden werden zur Einbahnstraße. Während Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland immer mehr Forderungen anhäufen, steigen die Verbindlichkeiten der so genannten PIIGS-Staaten in dieselbe schwindelerregende Höhe. Zuletzt werden sie auf 800 Milliarden Euro beziffert.

Die laxe Geldpolitik der EZB befördert diese Tendenz zusätzlich. Innerhalb von zwei Monaten hat sie die Banken mit einem Geldregen von einer Billion Euro beglückt. Banken in der Eurozone konnten zuletzt so viel Geld von der Zentralbank leihen wie sie dafür Sicherheiten bieten. Als Sicherheit reichen Anleihen pleitebedrohter Staaten und Schuldscheine von einzelnen Unternehmen.

Das bedeutet, dass die 500 Milliarden Euro Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB zum Teil sehr schlecht besichert sind. Kein Wunder also, dass diese Entwicklung den Chef der deutschen Notenbank beunruhigt.

Folgen des Ungleichgewichts

Sollte Griechenland aus der Währungsunion austreten, was nicht sehr unwahrscheinlich ist, müsste die EZB 107 Milliarden Euro aus dem Target-System abschreiben. Die Bundesbank würde davon rund 30 Milliarden Verluste tragen. Fiele die ganze Eurozone auseinander, gäbe es die EZB auch nicht mehr. Dann hätte die Bundesbank keinen, dem sie die 500 Milliarden Euro Forderungen geltend machen könnte. Letztendlich müssten die deutschen Steuerzahler den horrenden Verlust hinnehmen.

Vor diesem Szenarium will sich nun Jens Weidmann absichern. Diskutiert werden verschiedene Möglichkeiten. So schlägt der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer laut "Handelsblatt" vor, dass die Länder mit hohen negativen Target-Salden diese mit ihren Gold- und Devisenreserven absichern müssten. Das Problem liegt darin, dass diese Länder inzwischen im EZB-Rat die Mehrheit ausmachen und einer solchen Lösung nicht zustimmen werden.

Um die Target-Salden nicht weiter anwachsen zu lassen, könnte auch die EZB die ultra lockere Geldpolitik beenden, was den Todesstoß für eine Reihe Banken und Staaten bedeuten würde und daher ebenfalls unrealistisch ist.

Keine Lösung in Sicht

Am wahrscheinlichsten ist, dass alles beim Alten bleibt. Im günstigen Fall packen die hoch verschuldeten Länder die notwendigen Reformen an, die Krise wird überwunden und das Target-System kommt von alleine wieder ins Lot. Im ungünstigen Fall läuft das Ganze weiter aus dem Ruder und das Target-Saldo steigt in die eine wie in die andere Richtung jährlich um 200 Milliarden Euro an.

Fest steht, je länger die Krise andauert, desto weniger können es die EZB, die Bundesbank und letztlich Deutschland leisten, dass die Eurozone auseinander bricht.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Klaus Ulrich