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Druck auf Russlands Homosexuelle

2. März 2012

In St. Petersburg wird künftig "Propaganda für Homosexualität und Pädophilie" streng bestraft. Kritiker des neuen Gesetzes betonen, es stehe im Widerspruch zu Russlands internationalen Verpflichtungen.

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Regenbogenfahne mit dem Petersburger Stadtbild (Foto: DW)
Regenbogenfahne in St. PetersburgBild: DW

Das Stadtparlament in der russischen Ostseemetropole St. Petersburg hat ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das "Propaganda für Homosexualität" unter Strafe stellt. Wer künftig öffentlich über Homo-, Bi- und Transsexualität aufklärt, muss mit einer Geldstrafe rechnen. Mit dem Gesetz sollen vor allem Minderjährige geschützt werden. Demnach könnten die Behörden zum Beispiel gegen die Verteilung von Broschüren über Homosexualität in Schulen vorgehen, aber sie könnten auch Aufrufe zur Teilnahme an Homosexuellen-Paraden verbieten. Entsprechende Gesetze gibt es bereits in zwei anderen russischen Städten.

Das Gesetz stuft solche Handlungen als Ordnungswidrigkeiten ein und sieht Geldstrafen für einfache Bürger in Höhe von umgerechnet rund 130 Euro vor. Beamte müssen mit Strafen von 1300 Euro und juristische Personen wie zum Beispiel Vereine und andere Organisationen sogar mit bis zu 13.000 Euro rechnen. Das Gesetz verbietet zudem "öffentliche Aktionen zur Propagierung von Pädophilie". Hier droht die höchste Geldstrafe von bis zu 26.000 Euro.

Plenarsaal der Duma in Sankt-Petersburg (Foto: AP)
Klare Mehrheit für das Gesetz in der Duma von St. PetersburgBild: AP

Befürworter und Gegner des Gesetzes

Kritiker halten das Gesetz für gefährlich, weil die Auslegung von "Propaganda" allein im Ermessen der Behörden liege. Den Vorwurf der Homophobie weist der Verfasser des Gesetzes, Witali Milonow von der Fraktion "Einiges Russland", zurück. Bei dem Gesetz gehe es nur darum, Minderjährige zu schützen, so Milonow. Die Initiatoren wollen nun ein solches Gesetz landesweit für ganz Russland durchsetzen.

Wladimir Dmitriew, der Fraktionsführer der örtlichen Kommunisten, steht voll und ganz hinter dem umstrittenen Gesetz. Im Gespräch mit der DW findet er für seine Abneigung gegen Homosexuelle drastische Worte : "Alles, was gegen das russische Volk, gegen die Zerstörung der Kultur und Spiritualität unserer Völker gerichtet ist, sollte man aus dem Land rausschmeißen."

Entschieden gegen das neue Gesetz tritt vor allem die oppositionelle "Jabloko"-Partei ein. Ihr Fraktionskoordinator Boris Wischnewski hält es sogar für verfassungswidrig. Denn es sehe "Strafen für etwas vor, was an sich nicht strafbar ist". Der Abgeordnete betonte, kein Gesetz der Russischen Föderation bestrafe die Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten, da dies Teil des Privatlebens der Bürger sei.

Verstoß gegen Europäische Konvention

Dmitri Dubrowski von der Staatlichen Universität St.Petersburg stellt mit Bedauern fest, dass das russische Verfassungsgericht im Januar 2010 die Rechtmäßigkeit solcher Gesetze bekräftigt. Denn es habe bereits ein entsprechendes Gesetz der Stadt Rjasan für gültig erklärt. "Dort wurden Menschen dafür bestraft, dass sie Losungen wie 'Homosexualität ist normal' und 'Ich bin stolz auf meine Homosexualität' auf Transparenten hochgehalten hatten", sagte Dubrowski der DW.

Dmitri Dubrowski - russischer Rechtswissenschaftler (Foto: DW)
Dmitri Dubrowski sieht Grundrechte verletztBild: DW

Die Gesetze in St. Petersburg und anderen russischen Städten würden gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte verstoßen. "Das, was in den Gesetzen als 'Propaganda' bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein Angriff auf die Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit", sagte der Rechtsexperte. Dubrowski kritisiert zudem, dass das Gesetz Pädophilie und Homosexualität auf eine Stufe stelle.

Auch dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, bereitet Sorge, dass Homosexualität und Pädophilie in dem Petersburger Gesetz vermischt werden. "Das ist nicht richtig. Selbstverständlich müssen Kinder geschützt werden. Auf der anderen Seite geht es nicht, dass Leute wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden", unterstrich Löning im DW-Interview. "Das Gesetz steht im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen, die Russland eingegangen ist, wie zum Beispiel die Mitgliedschaft im Europarat", stellt der deutsche Menschenrechtsbeauftragte fest.

Portrait von Markus Löning (Foto: Wolfgang Kumm dpa/lbn)
Markus Löning verweist auf internationale Verpflichtungen RusslandsBild: picture-alliance/dpa

Autor: Wladimir Isotow / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann