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Teilung ist keine Lösung für Kosovo

25. Februar 2012

Die Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo über ihren Grenzstreit sind einen Schritt weiter. Im DW-Interview spricht der deutsche Sonderbeauftragte für Südosteuropa, Lambsdorff, über die Perspektiven.

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Nikolaus Graf Lambsdorff, (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Einige Politiker in Serbien haben sich inzwischen klar für eine Teilung Kosovos ausgesprochen. Kommt diese Option als Lösung der gesamten Kosovoproblematik aus deutscher Sicht überhaupt in Frage?

Nikolaus Graf Lambsdorff: Die Antwort darauf lautet ganz einfach: Nein. Minister Westerwelle hat auch bei seinen Besuchen in der Region nachdrücklich gesagt, dass für uns die Grenzen auf dem Balkan feststehen, das gilt auch für Nordkosovo. Nordkosovo ist kein Teil der Republik Serbien und wir glauben im Übrigen auch nicht daran, dass eine Teilung eine Lösung sein könnte für das Problem mit und im Nordkosovo.

Es gibt aber auch Politiker, nicht nur in Serbien sondern auch im Kosovo selber, die sich - wie etwa die nationalistische Bewegung "Selbstbestimmung" der Albaner - für eine Zusammenführung aller albanisch besiedelten Gebiete in der Region ausspricht. Sie haben den Vorsitzenden dieser Bewegung, Albin Kurti, kürzlich in Berlin empfangen. Was halten Sie von dieser Vision?

Albin Kurti (Foto: dpa)
Albin Kurti vertritt nationalistische albanische IdeenBild: picture-alliance/dpa

Das, was dort vorgeschlagen wird, halten wir für vollkommen falsch. Das würde nicht zu einer Lösung, sondern zu neuen Problemen auf dem Balkan führen. Diese neue Partei vertritt, sowohl im Parlament als auch als außerparlamentarische Opposition, nationalistische albanische Vorstellungen im Kosovo. Das ist erlaubt in einer Demokratie, ist aber im Kosovo - und ich bin überzeugt, auch anderswo unter Albanern - nicht mehrheitsfähig.

Die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik hat unlängst eine Analyse herausgegeben, mit der Einschätzung, dass die Vereinigung aller albanisch besiedelten Gebiete in der Region keinerlei Domino-Effekt nach sich ziehen würde. Man geht davon aus, dass Mazedonien durchaus leichten Herzens Westmazedonien abtreten würde, weil man dort ohnehin viele Probleme mit der albanischen Minderheit hat. Und auch Bosnien und Herzegowina hätte keine großen Gefahren zu befürchten, sollte es zu solchen Gebiets- und Grenzverschiebungen kommen. Sehen Sie das ähnlich?

Ich sehe das ganz anders. Erstens steht dahinter die Frage, ob man die Schaffung neuer oder anders gearteter monoethnischer Staaten selber betreiben oder ihr zumindest zustimmen wollte. Wir glauben, dass das europäische Modell multiethnische Staaten sind. Dahinter steht am Ende die großalbanische Frage, die immer mal wieder hervorkommt - erstaunlicherweise aber viel seltener als wir glauben. Ich bin der festen Überzeugung, dass Albanien keinerlei Interesse an großalbanischen Überlegungen hat. Im Übrigen ist zu solchen Fragen die betroffene Bevölkerung selten gefragt worden und Gebietsverschiebungen würden ja auch eine Verschiebung von Bevölkerung mit sich bringen. Das ist alles - um es ganz vorsichtig zu sagen - uneuropäisch und mit Werten und Normen und Vorstellungen der Europäischen Union nicht vereinbar. Und was den Dominoeffekt angeht, da weiß niemand vorher was hinterher daraus wird - wer möchte das denn bitte ausprobieren? Wir werden das ganz sicher nicht unterstützen, sondern ganz im Gegenteil darauf beharren, dass die Grenzen des Balkans gezogen sind, und dass es nun darum geht, innerhalb dieser Grenzen moderne demokratische multiethnische Staaten aufzubauen und zu entwickeln.

Karte Westbalkan (DW-Grafik)
Grenzverschiebungen wären "uneuropäisch, meint Graf LambsdorffBild: DW

Wie schätzen Sie denn die Sicherheitslage im Kosovo zurzeit ein? Wird es ruhig bleiben? Haben Sie Sorge, dass es da noch einmal im Hintergrund der Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo zu Unruhen kommen könnte?

Wir sind sicher, dass die Sicherheitslage - übrigens grundsätzlich auf dem gesamten Westbalkan - gut ist. Das gilt z. B. auch für Bosnien, wo es ja auch noch eine, wenn auch kleine internationale Militärpräsenz gibt. In Kosovo gibt es immer noch fast 6000 NATO-Soldaten im Rahmen der multinationalen militärischen Mission der Kosovo Force (KFOR). Sie stehen dort mit vollem Einverständnis der kosovarischen Regierung. Ich glaube nicht, dass es ein Sicherheitsproblem in der Republik Kosovo gibt. Andererseits wollen wir natürlich auch verhindern, dass Sicherheitsprobleme geschaffen werden. Daher sind wir gegen unilaterale Aktionen z. B. der Regierung in Pristina im Norden Kosovos. Auch das Problem Nordkosovo muss auf dem Verhandlungswege gelöst werden. Natürlich streben wir auch weiterhin an, dass die KFOR-Truppen verkleinert werden können. Im Moment ist das wegen Nordkosovo ins Stocken geraten, aber die Tendenz ist klar: das wird weiter fortgesetzt werden.

Die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo, EULEX, ist zum Teil sehr umstritten. Viele sagen, dass es eine zu teure Mission sei, die gleichzeitig zu wenig bewegen könne. Wo sehen Sie die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten dieser Mission?

EULEX ist eine große europäische Mission, die jetzt wahrscheinlich sukzessiv langsam verkleinert wird. Das Problem ist, dass EULEX ihr Mandat, ihren Auftrag im Norden Kosovos nicht erfüllen kann, wofür sie aber nichts kann. Sie ist daran gehindert, im Norden Kosovos überhaupt tätig werden zu können. Wir hoffen sehr darauf, dass zu einer Verhandlungslösung für Nordkosovo auch gehören wird, gehören muss, dass EULEX ihrer Aufgabe nachgehen kann. Gleichzeitig kann EULEX auch verkleinert werden, das wird zurzeit in Brüssel besprochen, denn dort wird im Moment zum ersten Mal umfassend die EULEX-Mission seit ihrem Beginn im Jahr 2008 überprüft.

Das Gespräch führte Verica Spasovska
Redaktion: Marina Martinović/Sabine Faber