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Politiker fordern, die Freie Syrische Armee mit Waffen zu unterstützen

10. Februar 2012

Nach dem Scheitern der UN-Resolution werden die Forderungen lauter, die 'Freie Syrische Armee' mit Waffen zu unterstützen. Doch wer steckt hinter diesem Zusammenschluss desertierter Soldaten?

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Soldaten der Freien Syrischen Armee (Foto: Reuters)
Kämpfen für den Sturz des Regimes: Soldaten der Freien Syrischen ArmeeBild: REUTERS

Seit in Syrien der Aufstand gegen das Assad-Regime begonnen hat, haben tausende syrische Soldaten die Seite gewechselt – vor allem einfache sunnitische Rekruten, die nicht auf unbewaffnete Zivilisten schießen wollten. Als Freie Syrische Armee kämpfen die Fahnenflüchtigen nun gegen die Truppen von Staatspräsident Baschar al-Assad. Wie viele es genau sind – darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Die Opposition spricht von 40.000 Soldaten, westlichen Schätzungen zufolge handelt es sich um lediglich 10.000 Kämpfer.

Keine unabhängige Berichterstattung

Die Zahlen lassen sich nicht überprüfen, weil die Regierung eine unabhängige Berichterstattung in und aus Syrien verhindert. "Wenn es tatsächlich 40.000 Deserteure sein sollten, wäre das eine beachtliche Dimension", sagt Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz. Die reguläre syrische Armee könne zwar auf 270.000 Soldaten zurückgreifen. Davon handele es sich aber lediglich bei 90.000 um Kampftruppen.

Anti-Assad Demonstration in Hula bei Homs (Foto: Reuters)
Seit Monaten fordern syrische Demonstranten den Sturz des RegimesBild: Reuters

Eyal Zisser, Syrien-Experte am Mosche Dayan-Zentrums für Nahost- und Afrika-Studien an der Universität Tel Aviv, bezweifelt, dass sich die Zahl der Deserteure auf mehrere Zehntausend beläuft. Er betont den großen Unterschied zur Situation in Libyen: "Als der Aufstand in Libyen begann, haben wir innerhalb von Tagen beobachten können, wie die libysche Armee zerbröckelt ist", sagt er. "Nicht nur ein paar Soldaten, sondern große Armee-Einheiten sind desertiert."

Guerilla-Taktik gegen die syrische Armee

Dass das in Syrien nicht der Fall sei, liege dabei weniger in der Armee als in der Gesellschaft begründet. "Libyen ist eine Stammesgesellschaft", erklärt Zisser. "Gaddafi hatte die Unterstützung einiger Stämme, und als er die verlor, stand er alleine da. Syrien dagegen besteht aus ganz unterschiedlichen Gesellschaften und zahlenmäßig bedeutenden Minderheiten wie Christen, Drusen, Kurden und Alawiten. Und diese Minderheiten, angeführt von den Alawiten, haben sich dem Aufstand offenbar noch nicht angeschlossen."

Das erklärte Ziel der überwiegend aus der Mehrheit der Sunniten bestehenden Freien Syrischen Armee ist es, das Regime Assad zu stürzen, ohne dass ethnisch-religiöse Konflikte dabei zum Ausbruch kommen. Die Deserteure verfolgen eine Guerilla-Taktik mit kurzen Vorstößen, Anschlägen und Überfällen. Dabei sei es allerdings bereits zu erheblichen ethnischen Auseinandersetzungen gekommen, sagt Meyer, vor allem zwischen Sunniten und Minderheiten wie Alawiten und Christen. Rache-Gefühle gegen den alawitischen Assad-Clan und seine Anhänger scheinen dabei eine große Rolle zu spielen.

Soldaten der Freien Syrischen Armee (Foto: DAPD)
Tausende syrische Soldaten haben in den vergangenen Monaten die Seite gewechseltBild: dapd

Unterstützung von der Türkei

Das Oberkommando der Freien Syrischen Armee hat der desertierte Oberst Riyad al-Asad, der mit der Präsidentenfamilie nichts zu tun hat. Presseberichten zufolge soll der US-amerikanische Geheimdienst CIA die Kämpfer, die sich nur begrenzt mit Waffen, zum Beispiel aus dem Libanon, versorgen können, mit Telekommunikationsgeräten ausgerüstet haben. So sei die Freie Syrische Armee unter anderem im Besitz von Satellitentelefonen und in der Lage, die Truppen in den verschiedenen Landesteilen Syriens zu koordinieren. Das Hauptquartier der Freien Syrischen Armee befindet sich im Süden der Türkei, nahe der Grenze zu Syrien.

Dass die Türkei der syrischen Opposition Asyl gewährt, habe geostrategische Gründe, sagt Nahost-Experte Meyer. "Die Türkei will ihren Einfluss in der Region immer weiter ausdehnen", betont er. "Das islamistische Modell des sunnitischen Islam, das die Türkei propagiert, wird von großen Teilen der arabischen Welt mittlerweile als Vorbild angesehen. Jetzt sieht die Türkei die große Chance, Baschar al-Assad zu stürzen und damit die islamistisch-sunnitische Mehrheit in Syrien zu unterstützen." Dadurch könne die Türkei ihren Einfluss in Syrien wesentlich vergrößern, erklärt Meyer.

Forderung nach Waffenlieferung

Unterstützung für die Freie Syrische Armee und die syrische Opposition insgesamt kommt auch von den Golf-Staaten. Vor allem Katar und Saudi-Arabien drängen auf eine internationale Intervention in Syrien. Mit ihren pan-arabischen Fernsehsendern Al-Jazeera und Al-Arabiya leisten sie den Assad-Gegnern propagandistische Hilfestellung.

Prof. Dr. Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz Das Bild wurde der DW von Herrn Meyer zur Verfügung gestellt und darf frei verwendet werden. Eingereicht durch Roman Goncharenko am 1.2.2012
Prof. Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität MainzBild: privat

Seit dem Scheitern der UN-Resolution gegen das Assad-Regime haben mehrere US-amerikanische Politiker gefordert, die Freie Syrische Armee mit Waffen zu

unterstützen. Volker Perthes, Nahost-Experte und Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, hält davon jedoch wenig. "Wir müssen uns bei solchen Vorschlägen überlegen, was das strategische Ziel ist", sagt er. "Und das strategische Ziel kann nicht sein, einen Bürgerkrieg, der begonnen hat, zu verlängern." Auch Günter Meyer glaubt, dass Waffenlieferungen an die syrische Opposition kontraproduktiv wären: "Je mehr Waffen hier zum Einsatz kommen, desto blutiger und länger wird der Bürgerkrieg", sagt er. "Wir müssen uns darüber klar werden, dass das Regime nach wie vor fest im Sattel sitzt."

Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Daniel Scheschkewitz