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Macht der Zivilisten

6. Februar 2012

Ob Grüne Woche in Berlin, G20-Gipfel in Cannes oder UN-Klimagespräche in Durban: Nichtregierungsorganisationen sind weltweit stets dabei - die Zivilgesellschaft ist heute Teil der globalen Politik.

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Attac-Aktivisten in Rostock anlaesslich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm (Foto: AP)
Bild: AP

Frech, frisch und laut treten sie auf: Die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich sozial- und umweltpolitisch engagieren. Durch den UN-Begriff NGOs (Non-Governmental Organisations), also Nichtregierungsorganisationen - bekamen sie einen gemeinsamen Nenner. Doch sonst sind sie so bunt wie die Themen, für die sie sich weltweit einsetzen.

Mittlerweile bilden sie eine starke Lobby, sowohl auf lokaler als auch auf nationaler und internationaler Ebene. Organisationen wie Greenpeace, Amnesty International, WWF oder Oxfam sind heute Markennamen für den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte, die so bekannt sind wie Mercedes oder Boeing.

Sklaven, Öl und Diamanten

Politische Aktionen gehören zum Handwerkszeug der globalen Interessengruppen - und zeigen oft Wirkung. Die erste NGO, die 1823 in Großbritannien entstand, war maßgeblich an der Abschaffung der Sklaverei beteiligt.

Greenpeace-Aktion gegen die Versenkung der Ölplattform Brent Spar (Foto: Greenpeace)
Shell in die Knie gezwungen: Greenpeace-Aktion an der Ölplattform Brent SparBild: Greenpeace/David Sims

In Europa setzte 1995 die Umweltorganisation Greenpeace mit einer Aktion gegen die Ölplattform Brent Spar den Shell-Konzern unter Druck. Nach Boykottaufrufen fiel der Umsatz an den deutschen Tankstellen um fast die Hälfte. Der Konzern lenkte ein und beschloss die Lagerplattform Brent Spar doch umweltfreundlicher an Land zu entsorgen statt sie wie geplant einfach im Meer zu versenken.

Die britische NGO "Global Witness" nahm es mit der milliardenschweren Diamantenindustrie auf und wies nach, dass illegal abgebaute Diamanten die Waffen in afrikanischen Kriegsgebieten finanzieren. Letztendlich kapitulierten die globalen Konzerne und führten eine Ursprungszertifizierung ein - das sogenannte Kimberley-Zertifikat.

Weltweite Vernetzung

Die Alltags-Arbeit der NGOs ist jedoch meist weniger spektakulär. Als Gegenspieler von Regierungen und Mittler gesellschaftlicher Anliegen leben die NGOs vor allem von ihrer Kompetenz. Kontakte zu anderen Interessengruppen in aller Welt, Informationsaustausch und Koordination werden ergänzt durch Beziehungen zu Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.

Sven Harmeling von Germanwatch (Foto: DW/H.Jeppesen)
Sven Harmeling: "NGOs sind bei den Klimaverhandlungen indirekte Verhandlungspartner"Bild: DW

Letzteres wäre für manche NGOs früher undenkbar gewesen. "Doch mittlerweile", so Sven Harmelig von der deutschen NGO Germanwatch, "gibt es durchaus Wirtschaftsgremien, mit denen wir zusammenarbeiten."

Sven Harmeling ist Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch, die sich für Nord-Süd-Gerechtigkeit und Umweltschutz engagiert. Er begleitet die UN-Klimaverhandlungen, hat enge Kontakte zu den Delegationen der LDCs - der Least Developed Countries - und zu den kleinen Inselstaaten, die sich in der Gruppe AOSIS zusammengeschlossen haben.

Beraten und Verhandeln

Bei Verhandlungen stehen die NGOs den kleineren Regierungsdelegationen als Berater zur Seite. Denn viele kleine Länder können es sich nicht leisten eigene Expertendelegationen zu internationalen Verhandlungen zu schicken.

"In manchen Bereichen ist es so, dass die NGOs Themen setzen oder ganz stark darauf hinwirken, dass Themen aufgegriffen werden", so Sven Harmeling weiter. Dann leisteten sie auch selbst viele Beiträge in den Verhandlungen: "In der Zusammenarbeit mit Verhandlungsgruppen oder Ländern können wir zum Beispiel Textvorschläge machen und überlegen: Wie können Kompromisse aussehen."

Mandat bei der UN

"Viele internationale Politikprozesse kämen ohne eine engagierte, globale Zivilgesellschaft gar nicht voran", bestätigt auch Nick Nuttall, Sprecher des UN-Umweltprogramms UNEP. Seit Jahren beobachtet er, wie visionäre Organisationen neue Denkansätze in die UN-Prozesse einbringen. Sei es in der Friedenspolitik, beim Umweltschutz, in der Klimapolitik oder beim Welthandel.

Informationsaustausch beim Klimagipfel in Durban (Foto: DW/H. Jeppesen)
Informationsaustausch beim Klimagipfel in DurbanBild: DW

Seit die Vereinten Nationen 1992 den NGOs einen Beraterstatus zuerkannten, sind sie auch institutionell aufgewertet. Beim bevorstehenden UN-Gipfel in Rio de Janeiro über nachhaltige Entwicklung sind viele NGOs beteiligt. Bereits im Vorfeld haben sie Einfluss auf die Tagesordnung. Das muss auch so sein, betont UNEP-Sprecher Nick Nuttall. Denn: "Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der Regierungen alleine über die Zukunft entscheiden können".

Autorin: Helle Jeppesen
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning