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Solarmodule auf Schilfhütten

Gero Rueter15. Juni 2012

Über 1,6 Milliarden Menschen leben ohne Strom. Einfache aber hocheffiziente Solarsysteme könnten die Lebensbedingungen verbessern. Und darüber hinaus das Leben der Menschen sicherer machen.

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P1010158 Wolkite Solar-Center Copyright: Stiftung Solarenergie, Fotograf: York Ditfurth Uneingeschränktes Verwertungsrecht für die Deutsche Welle Weitere Stichwörter für die Suche (bitte eingeben): Solar Solarenergie PV Äthiopien Sonnenenergie ländliche Elektrifizierung Kerosien LED
Äthiopien SolarBild: Stiftung Solarenergie

Westlich der äthiopischen Hauptsstadt Addis Abeba liegt abgelegen im Hochland das kleine Dorf Sabola Kebele. Die Bewohner leben von der Landwirtschaft. Es gibt keine Läden, kein fließendes Wasser und bis vor drei Jahren gab es auch keinen Strom. Doch dann kamen für ein paar Wochen fünf Techniker vom Solarcenter aus dem benachbarten Dorf Wolkite, eine Stunde Fußmarsch entfernt.

Auf den runden Schilfhütten, den sogenannten Tukuls, montierten sie kleine Solarmodule. Verbunden mit Kabel und Batterie liefern sie den Strom für die modernen, hocheffizienten Energiesparlampen. Erstmalig gibt es damit in den Hütten elektrisches Licht. Dorfbewohner Keradeb Demug zeigte sich nach der Installation begeistert: "Ich habe das bei meinen Nachbarn gesehen. Und das hat mich absolut überzeugt. Ich wollte auch so ein Solarlicht haben, damit es bei uns heller ist und damit meine Kinder abends lernen können."

Vormontage eines Solarsystems für das Haus (Foto: Stiftung Solarenergie) Copyright: Stiftung Solarenergie, Fotograf: York Ditfurth
Vormontage eines Solarsystems für das HausBild: Stiftung Solarenergie
Eine Frau hält das Solarsystem für 35 Euro hoch (Foto: Stiftung Solarenergie)
35 Euro kostet dieses Solarsystem mit HandyladefunktionBild: Stiftung Solarenergie

Günstiger als Kerosin

Die Vorteile des Systems überzeugen inzwischen mehr als 22.000 Äthiopier. Umgerechnet 35 Euro kostet ein kleines Lichtsystem für die Hütte, inklusive Handyladefunktion. 200 bis 300 Euro müssen für das größere System mit mehreren Lampen und Anschlüssen für TV und DVD oder Kühlbox hingeblättert werden. Gegen eine geringe Monatsgebühr gehört regelmäßige Wartung zum Service. Und wer will, der bekommt von den Solartechnikern auch die Finanzierung der Anlage per Kleinkredit gleich mitgeliefert. Gespart wird dafür das teure und gefährliche Lampenkerosin. Über zwei Millionen Menschen kommen weltweit durch Kerosinbrände und den Kerosinruß pro Jahr um.

Ein Job, der Freude macht

Technische Chefin der 13 äthiopischen Solarcenter ist Mena Hailemichael. Die 26jährige Elektrikerin machte vor sechs Jahren als eine der ersten Äthiopierinnen die Zusatzausbildung zur Solartechnikerin. Darauf ist sie stolz - und noch immer von ihrem Job begeistert. "Mich fasziniert, wie leicht das Leben der Menschen hier durch Solarenergie verändert werden kann", sagt sie strahlend. "Natürlich ist es nicht umsonst. Aber es ist billig im Vergleich mit dem Geld, das sie sonst für Kerosinlampen ausgegeben. Und dann haben sie richtiges elektrisches Licht zu Hause. Ihre Freude darüber zu sehen, das macht mich richtig glücklich."

PSolartechnikerin Mena Hailemichael (Foto: Stiftung Solarenergie)
Solartechnikerin Mena HailemichaelBild: Stiftung Solarenergie

Über 5000 Solarsysteme haben die 63 äthiopischen Solartechniker in den letzten fünf Jahren in 40 Dörfern installiert. Angestoßen wurde diese Entwicklung von Solarpionieren aus Westeuropa. Das Ziel ist die nachhaltige, langfristige Entwicklung in ländlichen Regionen mittels Solarenergie sagt York Ditfurth, Geschäftsführer der Stiftung Solarenergie.

Entwicklung durch passende Infrastruktur

Die Stiftung arbeitet mit vier Bausteinen: In einer Schule werden Solartechniker ausbildet. In den sogenannten Solarcentern finden die Techniker Arbeit; sie installieren und warten die Solaranlagen vor Ort. Der dritte Baustein der Stiftung ist das Marktanreizprogramm: Kleinkredite machen die Solaranlagen erschwinglich. Darüber hinaus gibt es ein sogenanntes Kompetenzcenter. Im äthiopischen Solar Valley in Addis Abeba werden neue Produkte entwickelt, bestehende Produkte getestet und notfalls repariert und modifiziert. 30 Techniker prüfen, welche Module, Lampen, Batterien, Solarkühlschränke und Fernseher zusammen passen und für das Land adäquat sind.

Rema zeigt, wie es geht

Ein solares Vorzeigedorf ist inzwischen Rema, rund 150 Kilometer oder sechs Autostunden von der Hauptstadt entfernt. Rund 10.000 Einwohner leben in dem sich über mehrere Hügel erstreckenden Dorf. Es wird inzwischen komplett mit Solarenergie versorgt: Von der Trinkwasserpumpe mit Desinfektion über die Schule und die Gesundheitsstation bis hin zur Straßenbeleuchtung und dem Kühlschrank im Restaurant.

Vertragsunterzeichnung (Foto: Stiftung Solarenergie)
VertragsunterzeichnungBild: Stiftung Solarenergie

Dass die Entwicklung in Rema nicht nur Bewohner und Auszubildende begeistert, zeigen Besucher aus der ganzen Welt. Techniker aus anderen Ländern wollen sehen, wie alles funktioniert.

Infrastruktur statt Frust

Mit Stiftungen in Deutschland, Äthiopien, der Schweiz und auf den Philippinen arbeitet die Stiftung Solarenergie derzeit zusammen. Während in Deutschland und der Schweiz vor allem Geld gesammelt wird und die Stiftungen die Nähe zu Forschung und Industrie für Entwicklung und Wissenstransfer nutzen, geht es in Äthiopien und auf den Philippinen um Ausbildung, den Aufbau von Strukturen, den Test von Produkten und generell um das Sammeln von Erfahrungen vor Ort. Nach fünfjähriger Pionierarbeit bilden die jungen Solarhandwerker in Äthiopien jetzt schon andere Afrikaner und Philippiner aus.

York Ditfurth, Geschäftsführer der Stiftung Solarenergie. In der Hand hält er eine LED-Lampe, die mit Sonnenstrom geladen wird Copyright: Gero Rueter / DW. Datum: Juni 2011
York Ditfurth von der Stiftung SolarenergieBild: DW/Gero Rueter

Nach Einschätzung von York Ditfurth gibt es zwar auch in anderen ländlichen Regionen der Welt schon viele Solarprojekte. Doch dort würden die Solarprodukte häufig nur verkauft, ohne dass Service und Wartung gewährleistet seien. "Nach einiger Zeit", so Ditfurth, "landet ohne Serviceinfrastruktur vieles auf dem Müll und hinterlässt nur Frust."

Vormontage des Solarsytems vor einer Schule in Tigray (Foto: Stiftung Solarenergie)
Vom Solarboom profitieren die meisten Menschen in den ländlichen Gebieten der Welt vorerst nichtBild: Stiftung Solarenergie

Markt für 1,6 Milliarden Menschen

Der Markt für Solarenergie in den ländlichen Regionen der Erde ist gewaltig. 1,6 Milliarden Menschen leben derzeit noch ohne Strom. Obwohl die Solarsysteme immer billiger werden und große Kostenvorteile gegenüber Kerosinlampen besitzen, wird nach Einschätzung von York Ditfurth die solare Elektrifizierung in den ländlichen Regionen der Welt noch lange dauern. Die Solarkonzerne sehen ihre lukrativen Absatzmärkte im nächsten Jahrzehnt vorerst in den Industrie- und Schwellenländern. Der Aufbau einer solaren Infrastruktur in ländlichen Regionen mit ausgebildetem Personal ist ihnen zu kostspielig und wird auch nicht als Aufgabe der Solarindustrie gesehen.

Hier setzt die Stiftung Solarenergie an. Ein derzeit in Gründung befindliches internationales Solarinstitut soll den Wissenstransfer zwischen den ländlichen Regionen der Welt vorantreiben.