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EHEC Erbgut

6. Juni 2011

Die EHEC Infektionen geben bisher vor allem Rätsel auf. Doch seit Anfang Juni gibt es zumindest eine Antwort. Forschern aus Münster liegt die Gensequenz des Erregers vor. Was können sie damit anfangen?

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Eine Petrischale mit EHEC-Erregern (Foto: dapd)
Genom-Entschlüsselung als erster SchrittBild: dapd

Seit dem 02.06.2011 kennen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münster (UKM) die Gensequenz des enterohämorrhagischen Escherichia coli Bakteriums (EHEC). Die Sequenzierung bzw. Entschlüsselung wurde in den Labors des Darmstädter Unternehmens "Life Technologies Corporation" durchgeführt.

Seither ist klar, dass ein Hybrid entstanden ist, der das Genmaterial zweier Bakterienstämme in sich trägt. Dabei handelt es sich zum größten Teil um den Stamm HUSEC0104, der bereits vorher im Verdacht stand der Erreger der besonders schweren Verlaufsform, des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), zu sein. Durch das neue Genmaterial ist er aber gefährlicher geworden.

Prof. Dr. Georg Peters, Direktor am Institut für Mikrobiologie des Universitätsklinikums Münster (Foto: Universitätsklinikum Münster)
Prof. Peters hält Terror-Theorie für UnsinnBild: Universitätsklinikum Münster

"Vertikale" und "horizontale" Genübertragung

Die Weitergabe von Genen erfolgt bei Bakterien über zwei verschiedene Mechanismen. Denn normalerweise vermehren sich Bakterien, indem sie sich teilen. So entstehen identische Tochterzellen - ein Vorgang der vertikale Genweitergabe genannt wird. Aber es gibt auch die Möglichkeit der horizontalen Genweitergabe. Dabei werden die Gene von einem Bakterium zum nächsten weitergegeben, auch über Arten und Spezies hinweg.

Innerhalb der horizontalen Genweitergabe gibt es wiederum drei Möglichkeiten. Bei der ersten wird Vererbungssubstanz beim Prozess der Zellteilung frei und befindet sich dann im Umgebungsmilieu. "Dort kann sie von anderen Bakterien aufgenommen werden." erläutert Prof. Georg Peters, Leiter der Instituts für Medizinische Mikrobiologie des UKM. Dieser Prozess wird Transformation genannt.

Die zweite Form ist die so genannte Konjugation, bei der zwei Bakterien durch Ausstülpungen einen Kanal zwischen sich bilden. Über diese "Sex-Pili" wird genetisches Material von einer Zelle zur nächsten weitergegeben. So entstehen Bakterien mit neuen Eigenschaften.

elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC-Bakterien. Ein Foto des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (Foto: dpa)
Genweitergabe findet entweder über die Aufnahme freien Genmaterials, Übertragung per Sex-Pili oder durch Vireninfektion (so genannte Bakteriophagen) statt.Bild: picture alliance/dpa

Bei der dritten Form des Gentransfers helfen Viren. Wie andere Lebewesen, werden Bakterien nämlich manchmal auch von Viren infiziert. Springen die Viren nun von einem Bakterium zum nächsten, verteilen sie auch bakterielle Gene. So, über den Gentransfer aus Shigella-Bakterien, gelangte das Shiga-Toxin in die Escherichia coli-Stämme, die nun für die HUS Infektionen verantwortlich sind.

Anhaltspunkte für neue Medikamente

Die derzeit gefundenen EHEC-Bakterien heften sich an die Darmwände, wie es bereits 2001 bei einem Ausbruch beobachtet wurde. Neu ist aber, dass sie deutlich resistenter gegen Antibiotikabehandlungen geworden sind. Durch die Analyse des Genoms ist klargeworden, dass der Stamm diese zusätzlichen Resistenzen durch die Aufnahme fremder Escherichia coli-Gene erworben hat. Wo er allerdings in der Zwischenzeit war und über welche der drei Arten die Aufnahme genau erfolgte, ist damit noch nicht geklärt.

Untersuchung von Proben auf verotoxinbildende E. coli-Bakterien (Foto: dpa)
Ansatz für weitere ForschungenBild: picture alliance/dpa

Dennoch haben die Wissenschaftler nun die Möglichkeit, genetische Sequenzen zu vergleichen und damit Anhaltspunkte für die Entwicklung von Medikamenten zu finden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Shiga-Toxin. Dessen Übertragung geschah allerdings schon vor vielen Jahren.

In diesem Fall ist das EHEC-Bakterium so Schritt für Schritt für den Mensch gefährlicher geworden. Dies ist allerdings Zufall gewesen, denn manchmal nehmen Bakterien auch Material auf, dass für sie selbst tödlich ist. Welche Folgen ein Gentransfer hat, lässt sich vorher für das Bakterium nicht absehen.

"Das ist etwas ganz normales, das passiert in der Natur immer schon so und wird auch immer so passieren" bekräftigt Peters. Von Spekulationen über Bioterrorismus hält er daher wenig: "Das ist, nach dem heutigen Stand des Wissens, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Unsinn!" In Deutschland werde seit einigen Jahren bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten geprüft, ob die Erreger künstlich ausgebracht wurden. Dies sei auch hier geschehen, Beweise habe man allerdings keine gefunden.

Autorin: Helga Hansen
Redaktion: Fabian Schmidt