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creole - Preis für globale Musik in Deutschland

23. Mai 2011

Gerappter Gypsy-Swing, mit Afro-Latin versetzte deutsche Volkslieder oder persische Poesien in Jazz: Anything goes in Germanistan. Der creole-Wettbewerb zeigt die deutsche Weltmusikszene in unglaublicher Vielfalt.

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Vom 19. bis zum 21. Mai versammelten sich in Berlin siebzehn Bands, die zuvor bei acht Regionalwettbewerben das Rennen gemacht hatten und zeigten ihr musikalisches Können in jeweils 20-minütigen Auftritten.

Nachdem das Wettbewerbsfinale zum ersten Mal 2007 in Dortmund stattgefunden hatte, zog die creole, der Preis für globale Musik in Deutschland, in die deutsche Hauptstadt weiter. Im Huxleys, einem als Konzerthalle fungierenden altehrwürdigen Ballsaal, wurden in der Nacht des vergangenen Samstags drei creole-Trophäen verliehen. Und diese gingen kraft der Entscheidung von sechs Juroren in drei musikalisch wie geografisch recht weit auseinander liegende Gefilde: nach Bamberg, Köln und Berlin.

Persische Poesie in Jazz

Die Band Cyminology (copyright: A. Reiner ECM Records)
Poesie à la CyminologyBild: A. Reiner ECM Records

Am Austragungsort des dritten Bundeswettbewerbs blieb der creole-Preis dank der Berliner Band Cyminology. Das Ensemble um die deutsch-iranische Sängerin Cymin Samawatie trat am ersten creole-Abend auf. Sie war schon einmal mit ihren jazzig neuvertonten persischen Poesien bei creole angetreten. Anders als damals beim ersten creole-Wettbewerb im Jahr 2007 gewann das schon längst in der Szene etablierte, gestandene Berliner Quartett diesmal. Frontfrau Cymin Samawatie bekennt schmunzelnd, dass sie sich eigentlich nur auf Drängen von Freunden hin erneut beworben habe und es angesichts so vieler toller, junger Bands nicht so schlimm fände, nicht zu gewinnen. Anderer Meinung und voll des Lobes war da allerdings die creole-Jury, die Cyminology fürs "souveräne Zusammenspiel, kluge, einfühlsame, detailreiche Kompositionen und die perfekte, aber auch berührende Darstellung" prämierte.

Kurdisch-kölsche Jungs

Die Gruppe Kavpersaz, Gewinner des Creole Preises 2011. Aufgenommen in Berlin am 22.05.2011. (Foto: Daniela Incoronato)
Strahlende Sieger: KavpersazBild: Daniela Incoronato

Unter den zwei, drei Bands, die Cymin Samawatie gerne als Gewinner gesehen hätte, war womöglich auch Kavpersaz aus Köln: vier türkische und kurdische Multi-Instrumentalisten, die musikalisch und menschlich spürbar gut aufeinander eingestimmt scheinen. Sie betörten nicht nur aus Sicht der sechs creole-Juroren mit ihrem - so wörtlich - "kunstvollen Ensemblespiel, ihrer spannungsreichen Präzision und ihrer starken Bühnenpräsenz". Der kryptische Bandname ergibt sich übrigens aus den Abkürzungen der wichtigsten, von Kavpersaz meisterhaft gespielten Instrumente: die Hirtenflöte Kaval, Perkussion und die Saz. Die spielt Umut Yilmaz, der auf der Bühne das Publikum charmant in die dynamisch-stimmungsvollen Instrumentalstücke des Ensembles einführte.

"First we take Bamberg, then we take Berlin"

Anders als Kavpersaz und alle übrigen 70 auftretenden creole-Musiker zog das Kellerkommando musizierend quer durchs Publikum gen Bühne. Das ungestüme Septett bescherte mit Pauke, Trompete und Akkordeon dem dreitägigen Musikmarathon einen fröhlich-derben Kehraus. Und knapp zwei Stunden nach ihrem Auftritt konnten die Bamberger Jungs eine der diesjährigen creole-Trophäen ihr eigen nennen. "Volxmusik ist Rock'n Roll" ist das treffende Band-Motto für die mit deutschen und russischen, teils sozialkritischen Rapversen gespickten, rockenden fränkischen Volkslieder. Die Mitglieder der creole-Jury ließen sich zu entsprechenden Lobesworten hinreißen und prämierten die Franken für ihre "wundervoll dreckige Bühnenshow, die hochvirtuose und gnadenlos romantische Darstellung und den Beweis, dass Punk und Frank zusammen geh'n!".

Die Bamberger Band Kellerkomando (copyright: C Promo)
Ungestüm und rockig kommt das fränkische Kellerkommando daherBild: C Promo

Traditionspanscher aus Leidenschaft

Allianzen wie diese scheinen in der Heimat dieser selbstbekennenden "Traditionspanscher" eine lange Geschichte zu haben, das stellte gleich zu Konzertbeginn der Akkordeon spielende Leadsänger David Saam klar. Der Musikethnologe weiß zu schätzen, dass sich Musik, selbst die einheimische Volksmusik, verändert. Und so verbinden er und seine Freunde regionale Musiktraditionen mit globalen Trends. Sie nehmen sich einfach das, was ihnen gefällt und machen daraus etwas Eigenes, Neues. Dieses Kunststück hätten auch viele weitere Bands ganz vortrefflich und eigenwillig vollbracht, wie der Juror Thomas Burkhalter betont. Der Musikjournalist und Ethnologe bricht eine Lanze für all diejenigen, die bei der diesjährigen creole nicht gewonnen, aber auf allerhöchstem Niveau verloren haben.

Autorin: Katrin Wilke
Redaktion: Matthias Klaus