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Dutzmann: Bei Syrien viel Ratlosigkeit

Stefan Dege3. Juni 2014

Soll Deutschland 200.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen? Tut Deutschland genug für die Opfer des Konflikts? Der evangelische Militärbischof zum Friedensgutachten 2014.

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Evangelischer Militärbischof Martin Dutzmann (Foto: imago/epd)
Bild: imago/epd

DW: Herr Dutzmann, Deutschland soll 200.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen, fordern die Friedensforscher in ihrem Gutachten. Dass es nicht reicht, was Deutschland bisher für diese Menschen tut, das haben die Kirchen schon vorher gewusst, oder?

Martin Dutzmann: Ja, wobei schon eine ganze Menge geschehen ist. Die Bundesregierung hat immerhin zwei Kontingente à 5000 Menschen in Gang gesetzt. Das ist natürlich angesichts der hohen Flüchtlingszahlen - sechs Millionen Syrer sind innerhalb ihres Landes unterwegs und noch einmal drei Millionen Flüchtlinge außerhalb Syriens - nicht viel. Trotzdem muss man anerkennen, dass einiges geschehen ist und anderes geplant wird.

Was ist von dem Vorschlag der Friedensforscher zu halten?

Kirchlicherseits sehen wir zunächst mal, dass es bei dem zweiten Kontingent, wo ja Familienangehörige in den Blick genommen worden sind, 78.000 Anträge gibt. Das heißt, es gibt einen ganz hohen Druck. Und dieser Druck hat damit zu tun, dass in Deutschland bereits sehr viele Syrer leben, ungefähr 68.000, schätzt man, deren Familienangehörige entwurzelt sind. Uns als Kirchen ist es wichtig, dass Familien zusammengeführt werden.

Wie soll denn die Einreise der Flüchtlinge funktionieren? Zurzeit gilt die sogenannte Drittstaatenregelung. Wer über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland kommt, hat kein Recht auf politisches Asyl.

Ich denke, es ist gar keine Frage, dass Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen sind, und dass die nicht in den bürokratischen Mühlen zermahlen werden dürfen.

Herr Dutzmann, wird die Präsidentenwahl in Syrien, die nun (03.06.2014) begonnen hat, den Bürgerkrieg beenden? Rechnen Sie mit einer Besserung der Lage?

Nein, eindeutig nicht. Ich bin auch sicher, dass nur ein ganz geringer Teil der Bürgerinnen und Bürger sich an dieser Wahl beteiligen kann und wird. Und ich kann nicht erkennen, dass es sich um eine demokratische Wahl handelt. Schon gar nicht, dass der Bürgerkrieg damit beendet wird.

Wer sind eigentlich die Guten und wer die Bösen?

Wenn wir das wüssten! Dann wäre Alles viel einfacher. Aber es ist eine sehr verworrene Situation, die ja auch die internationale Gemeinschaft davon abhält, etwa militärisch einzugreifen, was ohnehin nur die allerletzte Möglichkeit sein könnte - und für Syrien überhaupt nicht in Frage kommt.

Gibt es ein Patentrezept zur Befriedung des Landes?

Nein, das gibt es entsetzlicherweise nicht. Sondern es gibt im Augenblick viel Ratlosigkeit. Aber eben auch viel guten Willen zu helfen. Aber das ist kein Patentrezept. Und das sehe ich auch nicht kommen.

Das heißt, in Sachen Syrien hilft vorläufig die Aufnahme von Flüchtlingen und humanitäre Hilfe vor Ort für die Bürgerkriegsflüchtlinge?

Genau so ist es. Das sind die beiden Dinge, die wir tun können. Es ist entsetzlich wenig. Das sehe ich auch so. Aber andere Optionen sehe ich nicht. Und die internationale Politik ja offenkundig auch nicht.

Vielleicht noch ein Wort zur friedensstiftenden Rolle von Religion: Für Pfingstsonntag hat Papst Franziskus den Juden Schimon Perez und den Muslim Mahmud Abbas zum gemeinsamen Gebet in den Vatikan eingeladen. Zeigt die Initiative, die der Papst auf seiner Nahostreise ergriffen hat, bereits Wirkung?

Ob die jetzt schon Wirkung zeigt, kann ich nicht einschätzen. Aber ich finde es eine großartige Initiative und ein großartiges Zeichen, eine wunderbare Idee des Papstes, das zu machen. Und noch wunderbarer, wenn beide kommen. Und ich hoffe natürlich sehr, dass sich dadurch etwas verändert, wobei sicherlich allen bewusst ist, dass ein Symbol, so großartig es ist, die geduldige Friedenspolitik nicht ersetzen kann.

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Martin Dutzmann, Jahrgang 1956, ist seit 2008 Militärbischof im Nebenamt. Seit 2013 ist er Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.