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EU Russland Visaabkommen

Roman Goncharenko21. März 2013

In die Verhandlungen zwischen Russland und der Europäischen Union über Visa-Erleichterungen ist Bewegung gekommen. Der wohl entscheidende Impuls kam aus Deutschland.

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Mann hält rusischen Pass (Foto: AFP/Getty Images)
Russischer PassBild: AFP/Getty Images

Wenn EU-Kommissionschef José Manuel Barroso mit mehreren Kommissaren am Donnerstag (21.03.2013) nach Russland reist, könnte ein Thema für positive Stimmung sorgen. Der Streit zwischen Moskau und Brüssel über Visa-Erleichterungen scheint überwunden. Das Thema hatte die russische Führung bereits vor Jahren zur Chefsache erklärt. "Der Dialog in der Visa-Frage dauert inakzeptabel lange", beschwerte sich Premier Dmitri Medwedew noch beim letzten Weltwirtschaftsforum in Davos.

Auch aus europäischer Sicht ist eine Einigung längst überfällig. Das neue Abkommen über Visa-Erleichterungen sei seit über einem Jahr zu "98 Prozent" ausgehandelt, sagte der Pressesprecher der EU-Vertretung in Russland, Soren Liborius, der DW. Es sieht unter anderem vor, dass russische Journalisten, Studenten oder Geschäftsleute Visa für mehrfache Reisen schneller erhalten sollen. Auch EU-Bürger sollen künftig einfacher nach Russland kommen können.

Blick auf das Gebäude der EU-Vertretung in Moskau (Foto: dpa)
EU-Vertretung in Moskau: Das Abkommen über Visa-Erleichterungen ist zu 98 Prozent ausgehandeltBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Doch die Verhandlungen gerieten ins Stocken, als Moskau forderte, Inhaber sogenannter Dienstpässe sollten ganz ohne Visa in die EU reisen dürfen. Davon würden in erster Linie russische Beamte profitieren, darunter auch Mitarbeiter von Botschaften und internationalen Organisationen, die keinen Diplomatenstatus haben. Mehrere EU-Länder, darunter auch Deutschland, sprachen sich gegen diese Ausnahmeregelung aus.

Überraschende Wende in Berlin

Doch nun zeichnet sich ein Durchbruch ab. Das Auswärtige Amt bestätigte auf DW-Anfrage Anfang März entsprechende Medienberichte. Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, freut sich über die Entscheidung der Bundesregierung, die Visa-Freiheit für russische Dienstpassinhaber unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen. "Es ist ein wichtiger Schritt, den wir lange gefordert haben", sagte Lindner im DW-Gespräch. "Aber unsere Forderungen gehen natürlich noch weiter." Der Ost-Ausschuss trete langfristig für Visa-Freiheit zwischen EU und Russland ein, so Lindner.

Rainer Lindner (Foto: DW)
Rainer Lindner befürwortet eine Visa-Freiheit für Inhaber russischer DienstpässeBild: DW

Die Änderung der deutschen Haltung kam unerwartet. Zu den Einzelheiten wollte man sich bislang weder seitens der Bundesregierung noch seitens der EU-Kommission äußern. Russland dagegen zeigt sich schon jetzt gegenüber der Presse gesprächsbereit. "Der Weg ist frei", sagte der DW der russische Botschafter bei der EU in Brüssel, Wladimir Tschischow. Die Zufriedenheit war seiner Stimme deutlich anzuhören. Die deutsche Position habe wesentlich dazu beigetragen, dass auch andere EU-Länder ihre Bedenken gegen russische Dienstpassinhaber aufgaben, so Tschischow.

Doch auch Russland zeige Entgegenkommen. Moskau habe sich bereiterklärt, das visafreie Reisen auf rund 15.000 Personen mit biometrischen Pässen zu begrenzen, sagte der Diplomat Tschischow. Das sei zehnmal weniger als die gegenwärtige Zahl der Dienstpassinhaber.

Vorteile für Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Russland-Experten wie Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sehen auch wirtschaftliche Gründe für die Wende in Berlin. "In Deutschland ist der Konsens gewachsen, dass Visa-Erleichterungen und irgendwann eine Visa-Befreiung mit Russland sowohl für die Zivilgesellschaft als auch für die Wirtschaft und die politischen Beziehungen positiv sind", sagte Meister der DW.

Stefan Meister (Foto: Stefan Meister)
Stefan Meister hält Visa-Erleichterungen auch für die russische Zivilgesellschaft für wichtigBild: Stefan Meister

Dies bestätigt auch Rainer Lindner vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft: "Ich glaube, dass zunächst einmal innerhalb Deutschlands eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen worden ist, hier etwas zu tun." Eine Umfrage im Auftrag des Ost-Ausschusses habe ergeben, dass 80 Prozent der deutschen Unternehmen eine beiderseitige Visa-Liberalisierung zwischen Russland und Deutschland befürworten, so Lindner.

Als treibende Kraft hinter der neuen Haltung Berlins sieht Lindner die Bundeskanzlerin. Angela Merkel habe bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen im November 2012 in Moskau deutlich gespürt, "dass dieses Problem ein sehr wichtiges und brennendes ist". Die Verhandlungen fanden damals vor dem Hintergrund einer Abkühlung der deutsch-russischen Beziehungen statt. Der Kreml reagierte gereizt auf Kritik an innenpolitischen Verhältnissen in Russland. Moskau hofft nun, dass bereits in den kommenden Monaten ein Abkommen über Visa-Erleichterungen unterzeichnet wird. Sollte es schnell ratifiziert werden, könnte es noch vor den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi 2014 in Kraft treten.