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Ringen um die Anerkennung Palästinas

Andreas Gorzewski2. Dezember 2014

Die Gespräche über eine Zweistaatenlösung in Nahost kommen nicht voran. Trotzdem wächst die Zahl der Länder, die Palästina als Staat anerkennen. Ob das dem Friedensprozess hilft oder schadet, ist umstritten.

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Palästinenser neben einer Palästina-Flagge am 20.03.2013 im Westjordanland nahe einer jüdischen Siedlung (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Die Zahl palästinensischer Botschaften und Vertretungen in der Welt wächst. Ende Oktober hatte Schweden als erstes westeuropäisches EU-Mitglied Palästina als eigenständigen Staat anerkannt. Das hatten Länder wie Bulgarien, Rumänien, Polen, Tschechien oder Ungarn schon vor ihrem EU-Beitritt getan. Auch die Parlamente in Großbritannien, Irland und Spanien sprachen sich für diesen Schritt aus. Allerdings waren ihre Abstimmungen für die jeweiligen Regierungen nicht unmittelbar bindend. Das EU-Parlament will noch im Dezember über eine mögliche Anerkennung abstimmen.

Seit vielen Jahrzehnten bemühen sich die Palästinenser darum, ein allseits anerkanntes Mitglied der Staatengemeinschaft zu werden. 1947 hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 181 für die Teilung des damaligen britischen Mandatsgebiets gestimmt. Der UN-Teilungsplan sah einen israelischen und einen arabischen Staat vor. Um Streit über Jerusalem zu vermeiden, sollte die für Juden, Christen und Muslime heilige Stadt unter UN-Verwaltung bleiben. Doch die arabische Seite und die arabischen Nachbarstaaten lehnten den Plan ab. Dies geschah mit der Begründung, der Plan verletze die Rechte der Mehrheitsbevölkerung in Palästina, die zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich nicht-jüdischen Religionen angehörte. Im folgenden Palästinakrieg konnte Israel sein Gebiet ausweiten. Der arabisch besiedelte Gaza-Streifen wurde von ägyptischen Truppen besetzt, das Westjordanland von jordanischen Militärs.

Im Sechs-Tage-Krieg 1967 eroberte Israel unter anderem das Westjordanland, den Gaza-Streifen und den Osten der Stadt Jerusalem. Daraufhin verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 242, die bis heute die völkerrechtliche Grundlage für Lösungsvorschläge des Konflikts ist. Die Resolution verlangte den Rückzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten. Zugleich betonte das UN-Dokument das Recht aller Staaten, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen zu leben. Israel setzte sich mit der Annexion von Ost-Jerusalem jedoch über die Resolution hinweg. Der jüdische Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem schaffte zusätzlich Fakten, die die Verhandlungen über den künftigen Status der besetzten Gebiete erschweren.

Abstimmung im britischen Parlament zur Anerkennung Palästinas als Staat 13.10.2014 (Foto: Reuters)
Vor der Abstimmung in Grobritannien im Oktober: Demonstration für einen palästinensischen StaatBild: Reuters/Luke MacGregor

1988 wurde der Staat Palästina ausgerufen

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) setzte gegen Israel zunächst vor allem auf den bewaffneten Kampf. PLO-Mitgliedsorganisationen verübten zahlreiche Terroranschläge. Unter dem Eindruck der ersten Intifada in den besetzten Gebieten verzichtete Jordanien im Juni 1988 auf seine Gebietsansprüche westlich des Jordanflusses. Die PLO rief am 15. November 1988 in Algier einen eigenen Staat aus. Obwohl dies nur ein symbolischer Akt war, erkannten binnen weniger Wochen etwa 90 Länder diesen Staat an, darunter auch die DDR. Allerdings hatte die PLO-Führung noch in Tunesien ihre Basis. Erst 1994 entstand als Folge der Osloer Friedensgespräche die palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah. Bis heute haben mehr 130 Länder Palästina als souveränen Staat anerkannt. In Deutschland ist Palästina mit einer diplomatischen Mission, aber nicht mit einer Botschaft vertreten.

Auch in internationalen Organisationen ist die Autonomiebehörde schon weit vorangekommen. Bereits 1974 war die PLO mit Beobachterstatus zur UN-Generalversammlung eingeladen worden. 2011 beantragte die Autonomiebehörde, in der die PLO den Ton angibt, die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Dieser Vorstoß hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, da die USA ihr Veto im UN-Sicherheitsrat angekündigt hatten. Stattdessen erhielt Palästina am 29. November 2012 den Beobachterstatus bei der UNO. Die Mehrheit dafür in der Generalversammlung war eindeutig: 138 Staaten stimmten dafür, die USA, Israel und sieben andere Staaten dagegen. 41 Staaten - darunter auch Deutschland - enthielten sich. In der Generalversammlung haben die USA kein Veto. In der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) wurde Palästina dagegen im Jahr 2011 Vollmitglied.

Palästinenserpräsident Abbas spricht am 2.12.2012, nachdem Palästina bei der UNO Beobachterstatus erhielt, in Ramallah. (Foto: AFP)
Beobachterstatus bei der UNO seit 2012: Abbas spricht nach seiner Rückkehr aus New York in RamallahBild: ABBAS MOMANI/AFP/Getty Images

Volk, Territorium und Staatsgewalt als Kriterien

Ein Staat muss aus Sicht des Völkerrechts mehrere Merkmale haben. Entscheidende Kriterien sind ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet und eine Institution, die effektiv die Staatsgewalt ausübt. Im Hinblick auf Palästina ist umstritten, ob die Autonomieregierung unter Präsident Mahmud Abbas diese Staatsgewalt in ausreichendem Maße ausüben kann. So hat die Palästinenserregierung keinen nennenswerten Einfluss im Gaza-Streifen. Dort herrscht die radikale Hamas-Bewegung. Außerdem schränkt die israelische Besatzungspolitik die Handlungsfähigkeit der Autonomieregierung in vieler Hinsicht ein.

Die Folgen der fortschreitenden Anerkennung Palästinas sind umstritten. Die USA, Israel, Deutschland und einige andere Staaten sind der Ansicht, dass eine umfassende Nahost-Friedensregelung Vorbedingung für eine Aufwertung der Autonomiebehörde sei. Ein Alleingang der Palästinenser ist nach dieser Einschätzung kontraproduktiv.

Umgekehrt setzen die Befürworter einer Anerkennung darauf, dass damit eine neue Dynamik erzeugt werden kann. "Eine Welle der Anerkennungen Palästinas durch EU-Staaten wäre ein starkes Signal an Israel, die Verhandlungen wieder ernst zu nehmen, den Siedlungsbau zu stoppen und ehrlich auf eine Zweistaatenlösung hinzuarbeiten", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".