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Skandalspiel von Belgrad

Volker Wagener15. Oktober 2014

Spielabbruch in Belgrad. Nach nur 41 Minuten im EM-Qualifikationsspiel Serbien gegen Albanien. Ein Skandalspiel der besonderen Art. Scheinbar provoziert von einem Albaner. Einfach unfassbar, findet Volker Wagener.

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Eine Drohne schwebt mit der großalbanischen Flagge über dem Stadion von Belgrad (Foto: REUTERS/Marko Djurica)
Bild: Reuters/Marko Djurica

Es gab sie schon immer und es gibt sie immer noch: Vorurteile gegenüber denen "vom Balkan". Die Geringschätzung der vermeintlich zivilisierten Mitteleuropäer gegenüber "den Balkanesen" hat Tradition. Schon zu Reichskanzler Bismarcks Zeiten war die südöstliche Großregion aus der Entfernung betrachtet nichts anderes als ein gefährliches Pulverfass. Das ist politisch inkorrekt, weil herabwürdigend, bekommt aber nun wieder Auftrieb bei denen, die Klischees so lieben. Selbst dran schuld, lässt sich da unter dem Eindruck des vermeintlichen albanischen "Drohnenangriffs" über Belgrad nur sagen.

Aktion eines politisch Pubertierenden oder diabolisches Kalkül?

Für die Drohnen-Attacke soll Olsi Rama verantwortlich sein. Stimmt diese Behauptung, dann wäre dies die Tat eines offensichtlich geistig, charakterlich und politisch Verwirrten. Denn Olsi Rama ist bei allem was er tut nicht nur Privatier. Er ist der Bruder des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama. Er soll von der VIP-Lounge eine Drohne mit angehängter albanischer Flagge über das Stadion per Fernbedienung gesteuert haben. Wie gesagt: er soll. Bestätigungen gibt es dafür nicht.

Stattdessen kursieren Theorien, denen zufolge "die Serben" selbst die Regie über die Flugeinlage über dem Partisan-Stadion geführt haben sollen. Zuzutrauen ist es beiden Seiten. Insofern ist der Skandalabend von Belgrad weniger ein Fußball- sondern viel mehr ein Politik-Thema. Eines für die Europäische Union. Denn auf der Flagge war noch weiteres hoch Explosives zu sehen: ein Großalbanien unter Einschluss des Kosovo und Teilen Mazedoniens, Griechenlands und Montenegros. Eine Tretmine für Brüssel.

Serbien, Albanien und das Kosovo wollen in die EU. Dieses Paket sollte reiflich geprüft werden. Brüssel hat schon einmal den Fehler gemacht, zu schnell osteuropäische Länder in die Familie aufgenommen zu haben. Rumänien und Bulgarien waren nicht nur wirtschaftlich noch nicht reif für einen EU-Beitritt. Die EU kann Aspiranten nicht gebrauchen, die ihre Rivalitäten in die Gemeinschaft wohl oder übel mit einbringen werden. Schon gar nicht, wenn es dabei um territoriale Ansprüche geht.

Volker Wagener (Foto: DW/Per Henriksen)
Volker Wagener, DW-RedakteurBild: DW

Rückspiel nächste Woche - Bruder Edi bei Serbiens Premier Vucic

Das Drehbuch der albanisch-serbischen Chaostage will es, dass der albanische Ministerpräsident Edi Rama am 22. Oktober einen Termin in Belgrad hat. Und zwar keinen aus dem politischen Routinegeschäft. Rama trifft Alexsandar Vucic, den serbischen Premier. Auf dieser Ebene gab es 68 Jahre keinen Kontakt. Ein Staatsbesuch von historischer Bedeutung also und das in kontaminierter Atmosphäre. Denn auch ohne das Belgrader "Drohnen-Gate" sind die Beziehungen zwischen Tirana und Belgrad auf einem Tiefpunkt.

Das ist kein neuer Befund, denn auch in der Ära Titos, der den jugoslawischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz propagierte und seinem albanischen Widersacher Enver Hodscha, welcher sich als Verwalter eines europäischen Steinzeit-Kommunismus verstand, waren sich Tirana und Belgrad spinnefeind. Was kommende Woche beim Vucic-Rama-Treffen über die Bühne gehen soll, ist der Versuch, politisches Tauwetter nahe null Grad einzuleiten.

Das Kosovo, ein Dorn im serbischen Fleisch

Das Stichwort heißt Kosovo, das Amselfeld. Wer immer für die Provokation von Belgrad verantwortlich ist, er oder sie haben ein Interesse daran eine Annäherung zu hintertreiben. Seit 1999 kämpfen Serben und Albaner um die frühere autonome Provinz Kosovo. Faktisch ist das Armenhaus Europas für die serbische Sache schon lange verloren. 2008 erklärten sich dort die Albaner für unabhängig, was Belgrad nicht anerkennt. Stattdessen gilt seit 2013 ein von der EU vermittelter kalter Friede. Mehr nicht! Die Drohne von Belgrad hat - völlig unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist - eines gezeigt: Die EU hat ein Problem in Südost.