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Die FDP wird bunter

Marcel Fürstenau6. Januar 2015

Die Liberalen haben sich einen frischen Anstrich verpasst: Neben den Parteifarben Gelb und Blau schmückt nun Magenta das Logo. Doch in der neuen Verpackung steckt ein alter Inhalt. Von Marcel Fürstenau, Stuttgart.

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Dreikönigstreffen der FDP: Christian Lindner auf der Bühne - Foto: Daniel Naupold (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Daniel Naupold

Der Dreikönigstag ist den deutschen Liberalen heilig. Dann nämlich eröffnet die Freie Demokratische Partei in Stuttgart das politische Jahr und feiert sich immer auch ein bisschen selbst. Da kann es der FDP noch so schlecht gehen, in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs ist an diesem gesetzlichen Feiertag Zuversicht erste liberale Pflicht. Keine leichte Übung für eine Partei, die seit 2013 nicht mehr im Bundestag vertreten ist und der Meinungsforscher die nächsten Niederlagen bei den Wahlen in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen vorhersagen.

Doch davon lässt sich die im barocken Staatstheater versammelte FDP-Familie die gute Laune nicht vermiesen. Auch der Wettergott hat ein Einsehen mit der arg gebeutelten Partei, die nur noch in sechs von 16 Länderparlamenten vertreten ist und das ausnahmslos auf den Oppositionsbänken. Draußen zeigt das Thermometer minus fünf Grad an, aber ansonsten ist es ein strahlender Wintertag. "Der Himmel ist blau, die Sonne ist gelb!", jubelt Michael Theurer. Der Europa-Abgeordnete ist zugleich Vorsitzender des gastgebenden Landesverbandes.

Auch die Krawatten leuchten in Magenta

Blau und Gelb sind die klassischen FDP-Farben. Hinzugekommen ist das leuchtende Magenta. Auffällig viele Herren im weiten Rund des Staatstheaters trugen Krawatten mit dem neuen liberalen Farbtupfer - ein Zeichen des Neuanfangs. Niemand verkörpert den Aufbruch in die erhoffte bessere Zukunft deutlicher als Lencke Steiner.

Deutschland Parteien FDP Dreikönigstreffen 2015 in Stuttgart Lencke Steiner
Bremer Spitzenkandidatin Steiner: Auf der Bühne, ohne zu RedenBild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Die unbekannte Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl sitzt vorne auf der Bühne in einem weißen, kühl-eleganten Sessel. Von ihren Schultern fällt einer breiter, bis zur Hüfte reichender Schal. Die Farbe: Magenta. Öffentlich reden wird die parteilose Quereinsteigerin ebenso wenig, wie ihre Hamburger Kollegin Katja Suding, die drei Meter neben ihr auf der Bühne sitzt.

Die Hauptrolle nimmt natürlich der Parteivorsitzende ein. Christian Lindner beginnt mit einem Blick "auf unser Land". Der 35-Jährige sieht ein "starkes, zufriedenes Deutschland". Doch hinter der Fassade der Prosperität wachse die Verunsicherung, warnt er vor trügerischer Zufriedenheit und Stillstand. Ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch seine Rede zieht. Lindner zählt die Herausforderungen auf: Globalisierung, Digitalisierung, internationale Krisen. Darauf würden oft leider auch Neid und Ressentiments folgen. Ein erster, noch indirekter Hinweis auf die politische Konkurrenz von der Alternative für Deutschland (AfD). Die erst vor zwei Jahren gegründete Partei hat der FDP aus dem Stand mit anfangs bürgerlich anmutender Attitüde eine Menge Wählerstimmen gekostet.

Von der AfD Wähler zurückholen

Inzwischen entpuppt sich die AfD als zunehmend populistischer, untereinander zerstrittener Haufen ohne Berührungsängste zu den islam- und teilweise ausländerfeindlichen Demonstranten der "Pegida"-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Lindners Attacken auf die AfD lassen erahnen, dass er in deren Reihen viele enttäuschte FDP-Anhänger vermutet. Wie ein Angebot klingen seine Worte. Man müsse die Sorgen der Menschen im Zusammenhang mit Zuwanderung und Flüchtlingen ernst nehmen. Man dürfe sie nicht pauschal beschimpfen. Um nicht missverstanden zu werden, betont der FDP-Chef, Salafisten und Populisten würden die "innere Liberalität unserer Gesellschaft" gefährden. Die AfD habe die bürgerliche Maske fallen lassen. "Und dahinter verbirgt sich ein hässliches reaktionäres Gesicht."

Programmatisch will Lindner seine Partei im Kern unverändert lassen. Kein "modisches liberales Light-Produkt" sei das, sondern eine "höhere Dosis" FDP. An den aus seiner Sicht bewährten Themen will der Bundesvorsitzende festhalten, allen voran an einer sozialen Marktwirtschaft mit möglichst wenig staatlichem Einfluss. Wenn Deutschland Export-Weltmeister bleiben wolle, müsse man das "weltbeste Bildungssystem" anstreben, wiederholt Lindner eine alte FDP-Forderung. In Deutschland aber würden sich Schüler in der Pause über die neusten Apps für Smartphones unterhalten und müssten danach zurück in die "Kreidezeit" - also in den althergebrachten Unterricht, bei dem der Lehrer an der Tafel steht.

Zurückhaltende Kritik an Angela Merkel

Der in Berlin regierenden großen Koalition wirft Lindner vor, sich der "Gestaltung unserer Zukunft" zu verweigern. Als weitere Beispiele nennt er die seines Erachtens verfehlte Rentenpolitik und die stockende Energiewende. Lindner übt sich aber auch in Selbstkritik. Schließlich habe die FDP habe die Bundesrepublik lange mitgestaltet. "Und wer immer nur die Schwächen anderer betont, scheint sich seiner eigenen Stärken nicht sicher zu sein."

FDP-Chef Lindner auf Dreikönigstreffen 2015 in Stuttgart - Foto: Daniel Naupold (dpa)
FDP-Chef Lindner: "Kein modisches liberales light-Produkt"Bild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

Als entscheidenden Fehler während der Regierungsbeteiligung von 2009 bis 2013 bezeichnet der seit gut einem Jahr amtierende liberale Frontmann den damaligen Verzicht auf das Finanzministerium. Die FDP hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprechen müssen, als sie eine umfassende Steuerreform ablehnte. Dafür trage er auch persönliche Verantwortung, sagt Lindner, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits dem FDP-Bundesvorstand angehört habe. "In meinem politischen Leben wird mir so etwas nicht noch einmal passieren", ruft Lindner unter großem Beifall in den Theater-Saal hinein.

Das FDP-Vokabular klingt vertraut

"Warum gehört die FDP in den Bundestag?", fragt Lindner sich und das ihm wohlgesonnene Publikum. "Warum sind wir selbst in die Freie Demokratische Partei eingetreten?" Seine denkbar knappe Antwort: "Aus Liebe zur Freiheit." Ein "Lebensgefühl" sei die Freiheit. So wie man es empfinde, wenn man seine erste eigene Wohnung beziehe. Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ist das hinter diesem Beispiel stehende Prinzip. Auch das ein typischer Begriff aus dem liberalen Vokabular, wie es seit Jahrzehnten in keinem Partei-Programm fehlen darf. So will Lindner verstanden werden. Millionen Menschen in Deutschland würden dieses Freiheitsgefühl teilen, "aber insgesamt zu wenig".

Es fallen dann noch andere für die FDP wichtige Schlüsselworte: Schutz der Privatsphäre, Datenschutz - kurz: Bürgerrechte. Werte, die laut Lindner nur mit den westlichen Partnern in Washington, London und Paris zu verteidigen sind. Auch Russland gehöre ins europäische Haus, wenn es die Hausregeln einhalte. Gemeint ist das Völkerrecht. Wirtschaftspolitisch steht die FDP erwartungsgemäß eindeutig hinter dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP. Ein Blick auf die von Lindner skizzierte liberale Agenda unter seiner Führung zeigt: Die neue FDP ist inhaltlich die alte.

Teil einer neuen liberalen Bewegung?

Man habe im vergangenen Jahr das eigene "Selbstverständnis" geklärt. Nun sollen mit frischem Mut bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen wieder Wahlerfolge möglich werden. Allerdings können sich aktuell nur zwei Prozent vorstellen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Lindner gibt sich dennoch siegesgewiss: Die FDP messe sich nicht an Umfragen, "sondern an innerer Stärke". Wer heute die FDP unterstütze, werde Teil einer neuen Bewegung. Die Farben dieser Bewegung sind Gelb, Blau und Magenta.