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Doppelte Staatsbürgerschaft

Daniel Heinrich / Basak Özay28. November 2013

Künftig sollen alle Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, dauerhaft die deutsche Staatsbürgerschaft behalten. Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisiert diesen Beschluss trotzdem scharf.

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Die Studentin Merve Gül zeigt einen türkischen und einen deutschen Reisepass (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft beschreiten die Koalitionspartner neue Wege. Wie es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt, soll der bisher geltende "Optionzwang" für Kinder ausländischer Eltern wegfallen. Die bisherige Regelung sah vor, dass sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bis zum 23. Geburtstag für die deutsche Staatsangehörigkeit oder für die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden mussten. Wer diesen Stichtag verpasste, dem drohte die automatische Ausbürgerung. Von dieser Regelung gab es allerdings auch Ausnahmen. Dazu zählten etwa Kinder von EU-Bürgern - sie konnten problemlos zwei Staatsangehörigkeiten haben. Nun können künftig alle in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern zwei Pässe besitzen - und zwar dauerhaft. Die zahlenmäßig größte Gruppe der Migranten in Deutschland sind die Türken, diese Regelung bezieht sich aber auch auf alle anderen, wie etwa Bosnier, Serben, Russen oder Afghanen.

Vor allem in der Union gab es bislang große Vorbehalte, die geltende Regelung zu verändern: "Wir haben sehr intensiv darüber diskutiert. Letztlich haben wir erkannt, dass diese Entscheidung vor allem ein Problem für junge Migranten ist, die hier geboren sind", so Aygül Özkan im DW-Gespräch. Die niedersächsische Sozialministerin aus den Reihen der Christlich-Demokratischen Union (CDU) sieht in der Neuregelung einen Ausdruck der neuen Willkommenskultur: "Es ist ein Zeichen der Anerkennung für all diejenigen Migranten, die sehr gut integriert sind und die sich zu Deutschland bekennen."

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
"Die SPD hat was anderes versprochen", klagt Kenan KolatBild: picture-alliance/dpa

Eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft für alle Ausländer, die in Deutschland dauerhaft leben, unabhängig davon, ob sie hier geboren wurden oder nicht, wie ursprünglich von der SPD gefordert, lehnt die Union jedoch ab.

Türkische Gemeinde ist enttäuscht

Genau dies kritisiert die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) scharf. Kenan Kolat, der Vorsitzende der TGD, zeigt sich im DW-Gespräch schwer enttäuscht und nahm vor allem die SPD ins Blickfeld seiner Kritik: "Es ist unmöglich, dass wir dieses Ergebnis akzeptieren. Die SPD hatte vor den Koalitionsverhandlungen angekündigt, dass sie ohne eine generelle Regelung den Koalitionsvertrag nicht unterschreiben würde. Dies ist aber nicht zustande gekommen." Er freue sich zwar für die Jugendlichen, die von der neuen Gesetzeslage profitieren würden, generell sehe er in dem Beschluss aber eine große Ungerechtigkeit gegenüber den Türken in Deutschland, so Kolat.

Der SPD-Bundestagsabgeordnet Mahmut Özdemir weißt die Kritik an seiner Partei zurück: "Ohne die Einflussnahme durch die SPD wäre das Thema sofort unter den Tisch gefallen. Dieses Ergebnis ist ein Achtungserfolg bei einem Thema, das noch längst nicht zu Ende diskutiert ist." Im Gespräch mit der DW betont er, dass die SPD auch weiterhin für die doppelte Staatsangehörigkeit einstehen würde.

Muslimische Frauen in Berlin-Kreuzberg (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Alle Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, sollen künftig den Doppel-Pass bekommenBild: Getty Images

Doppelte Identitäten

Auch die Integrationsbeauftrage der SPD-Bundestagsfraktion Aydan Özoguz betont im DW-Gespräch: "Wir haben ein integrationsfeindliches Signal aufheben können. Allerdings hätte ich mir mehr gewünscht und deswegen trete ich auch in Zukunft für die doppelte Staatsangehörigkeit für alle ein."

Vor allem die türkischstämmige Bevölkerung hatte das Thema in der Vergangenheit bewegt. Mit rund drei Millionen Menschen sind sie die zahlenmäßig stärkste Gruppe unter den Migranten in Deutschland. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist hier geboren, aber nur knapp die Hälfte verfügt über einen deutschen Pass. Ein entscheidender Grund dafür sei, dass viele ihren türkischen Pass nicht abgeben wollten, um einen deutschen zu bekommen. Dies ist eines der Ergebnisse einer Untersuchung, die das Essener Zentrum für Türkeistudien im Juli vorgelegt hat. Danach wollten über 80 Prozent der Türken in Deutschland die türkische Staatsangehörigkeit behalten. Sie fürchteten vor allem Nachteile für den Fall, das sie eines Tages in die Türkei zurückkehren.