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Dopingbericht lässt viele Fragen offen

Thomas Klein7. August 2013

Die vom Bundesinstitut für Sport veröffentlichte Studie zum Doping in der Bundesrepublik Deutschland sorgt weiter für Wirbel. Auch die Kritik an DOSB-Präsident Thomas Bach wird lauter.

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Symbolbild Doping (Foto: Fotolia/Klaus Eppele)
Symbolbild DopingBild: Fotolia/Klaus Eppele

Die Enthüllungen über die weitreichenden Dopingpraktiken in der Bundesrepublik halten Sport und Politik weiter in Atem. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat bereits erste Maßnahmen ergriffen. "Wir haben eine unabhängige Kommission eingesetzt und den Vorsitzenden benannt, das ist der ehemalige Bundesrichter Udo Steiner", sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. Steiner werde den Bericht "evaluieren" und "dann auch dem Präsidium des DOSB Empfehlungen geben für den Umgang damit und auch für Lehren für die Zukunft."

Bach begrüßt die nun stattfindende öffentliche und wissenschaftliche Diskussion über die Dopingvergangenheit der Bundesrepublik. "Das ist alles, was wir wollten. Wir wollten Klarheit und Offenheit. Und jetzt kann man sich mit größtmöglicher Transparenz mit diesen Ergebnissen befassen", erklärte Bach, der sich gerade für das höchste Amt im Sport bewirbt: die Präsidentschaft im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Er selbst habe, trotz jahrzehntelanger Athleten- und Funktionärskarriere, keine Kenntnis von Dopingpraktiken gehabt. "Schon als Athlet war für uns in Fechterkreisen das Thema Doping kein Thema."

"Dann hat er ein gespaltenes Bewusstsein"

Doch Bachs Aussagen sorgen für Verwirrung und Kritik bei ehemaligen Sportlern und Trainern. "Ich glaube ihm kein einziges Wort! Wer 1976 Olympiasieger war und erlebt hat, welche Wogen in der öffentlichen Berichterstattung zum Doping in Montreal ausgelöst wurden, wer 1980 Sprecher der Athleten war, mit dem Bundeskanzler verhandelt hat, ob man nach Moskau fährt oder nicht; wenn der das nicht gewusst hat, dann hat er ein gespaltenes Bewusstsein", kritisierte Hansjörg Kofink, ehemaliger Bundestrainer der Kugelstoßerinnen.

Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (Foto: dapd)
Der ehemalige Fecht-Olympiasieger Thomas Bach will sich im Septmeber zum Präsidenten des IOC wählen lassenBild: dapd

Auch die Ex-Spitzensportlerin Heidi Schüller erhebt schwere Vorwürfe gegen den DOSB-Präsidenten: "Bach ist für mich eindeutig der falsche Mann am falschen Platz. Zum Thema Doping muss er mehr gewusst haben, als er zugibt. Damals wurde überall darüber gesprochen, da kann er ja nicht immer nur weggehört haben", sagte die 63-Jährige. "Aber wenn man IOC-Präsident werden will, dann schweigt man besser." Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie sorgt bei der früheren Weitspringerin für Unverständnis. "Es ist schon fast lächerlich, wie lange alle Veröffentlichungen verhindert wurden."

Mit Steuermitteln unterstützt

Die Vergangenheit hat den deutschen Sport eingeholt. Für den ehemaligen Sportausschussvorsitzenden Peter Danckert gibt es praktisch kaum mehr einen Unterschied zum DDR-Doping und dem staatlich geduldeten und von Steuergeldern finanzierten Doping in der Bundesrepublik, wie es in der Forschungsarbeit der Berliner Humboldt-Universität beschrieben und analysiert wurde. "Es gab in Ost und West flächendeckendes Doping", sagte Danckert. Er sehe Unterschiede nur noch in Nuancen. Einer sei, dass "Doping im Osten staatlich angeordnet war und im Westen staatlich geduldet. Jetzt sind wir sogar noch einen Schritt weiter und müssen sagen, dass es im Westen mit Steuermitteln unterstützt worden ist."

Doping-Experte und Molekularbiologie Werner Franke fordert hingegen sogar eine strafrechtliche Aufklärung des westdeutschen Dopingprogramms. Wie schon bei den Prozessen des DDR-Dopingprogramms, müssten auch die Hintermänner in Westdeutschland wegen Körperverletzung vor Gericht. "Wieso wurde etwas bestraft bei DDR-Tätern, aber nicht bei west- oder gesamtdeutschen Tätern?"

"Bericht wird von Platzhaltern dominiert"

Doch wer sind die Hintermänner? Wer war verantwortlich für die Dopingpraktiken seit den 40er Jahren in der Bundesrepublik? Fragen, auf die auch die veröffentlichte Studie bisher keine eindeutigen Antworten liefert. Erste Reaktionen seitens der Politik kommen von der Opposition. Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, kritisierte, dass die Studie nicht komplett veröffentlicht worden ist. Freitag sprach von einem Bericht, "der von Auslassungen und Platzhaltern wie 'N.N.' dominiert wird." Die Politik habe ein Anrecht darauf, mehr zu erfahren, auch um die richtigen Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.

Danckert und auch Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) sprachen sich bereits mehrfach für ein Anti-Doping-Gesetz aus, welches nun endlich auf den Weg gebracht werden könnte. Zudem sagte Prokop: "Es sei ein Unding, dass die Verjährungsfrist nur acht Jahre betrage. Wir müssen diese kurze Frist deutlich verlängern." Betrüger könnten sich dann nie sicher sein, dass ihre zweifelhaften Erfolge bestand haben.

Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (Foto: dpa)
Clemens Prokop fordert längere VerjährungsfristBild: picture-alliance/dpa

Sondersitzung des Sportausschusses

"Man kann nicht DDR-Trainer und Mediziner wegen Körperverletzung verurteilen und auf der anderen Seite solche Leute wie die Radsport-Ärzte Heinrich und Schmidt, die in der Freiburger Tradition eines Professor Keul gewirkt haben, mit Mindeststrafen wie 90 Tagessätzen davonkommen lassen", sagte Uwe Trömer, zweiter Vorsitzender des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins DOH. Die Forderungen nach schärferen Gesetzen und einer lückenlosen Aufklärung werden lauter. Die Politik ist gefordert und hat auch schon reagiert: Die SPD verlangt von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei der Sondersitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages Rede und Antwort zu stehen. Auch der an der Studie beteiligte Wissenschaftler Giselher Spitzer, BISp-Direktor Jürgen Fischer und Thomas Bach sollen zur Sitzung eingeladen werden.