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Doping-Experte macht DFB Druck

3. März 2015

In der Debatte um Doping im Fußball sieht Doping-Experte Fritz Sörgel den DFB in der Pflicht. Außerdem äußert der Pharmakologe Zweifel an der Unabhängigkeit der Ethikkommission des Verbandes.

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verwackeltes DFB-Logo (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M.Tirl dpa/lhe

"Fußball ist ein Volkssport, der wichtigste Sport in Deutschland, und da kann man sich nicht erlauben, dass etwas ungeklärt bleibt", sagte der Nürnberger Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel im ZDF-Morgenmagazin. Der Deutsche Fußballbund (DFB) hatte zuvor seinen Aufklärungswillen beteuert. Der DFB werde darüber nachdenken müssen, ob die "Narrenfreiheit", die der Fußball nun mal habe, weiter gelten könne, und der Verband "in Zukunft nicht eine Schippe drauflegen muss, damit er glaubwürdig wird", sagte Sörgel, der seit kurzem Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin ist. Zweifel äußerte Sörgel daran, dass die Ethikkommission des DFB, in Leute sitzen würden, "die jetzt nicht unbedingt als unabhängig angesehen werden können", das geeignete Gremium für die Aufklärung sei. Wen genau er damit meinte, ließ Sörgel aber offen.

Berichten der Freiburger Evaluierungskommission zufolge hat in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren Anabolika-Doping beim Bundesligisten VfB Stuttgart "in größerem Umfang" sowie in kleinerem Rahmen beim damaligen Zweitliga-Club SC Freiburg eine Rolle gespielt. Auch der BDR ist ins Visier des Gremiums geraten. Hier soll laut erkenntnissen der Kommission "Doping vor allem mit anabolen Steroiden in den Jahren zwischen 1975 und 1980 auf Veranlassung des Freiburger Sportmediziners Armin Klümper stattgefunden haben". VfB, SCF und BDR haben sich von Doping-Praktiken klar distanziert.

Kommissionsmitglied Singler: "Es gab Anabolika im Fußball"

Sörgel kritisierte außerdem, dass Kommissionsmitglied Andreas Singler die Erkenntnisse ohne Absprache und im Alleingang an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Singler hatte angebliche Doping-Praktiken beim VfB Stuttgart beschrieben und in der "Bild"-Zeitung Bezug auf den umstrittenen früheren Freiburger Sportmediziner Armin Klümper genommen. Bei dem Freiburger Sportmediziner Klümper wurden im betroffenen Zeitraum, Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, damals auch Spieler des Fußball-Bundesligisten behandelt. "Klümper schickte die Präparate an den Masseur oder ließ sie dorthin schicken. Beim VfB bezahlte der Verein die Rechnung", zitierte die "Bild" Singler. "Beim VfB wurde das Anabolika-Mittel auch mindestens in einem Fall nachbestellt. Damit ist bewiesen: Es gab Anabolika im deutschen Fußball."

Spieler des VfB Stuttgart feiern die Deutsche Meisterschaft 1983/1984 (Foto: dpa/Herbert Rudel)
Stuttgart wurde 1984 Deutscher MeisterBild: picture-alliance/dpa/H. Rudel

Der damalige Stuttgarter Physiotherapeut Francois Caneri distanzierte sich entschieden von Doping-Vorwürfen: "Ich selbst habe mit den Spielern die Medikamente in der Apotheke eingekauft. Ich weiß, was in den Tüten war", zitierten die "Stuttgarter Nachrichten" Caneri, der von 1976 bis 1982 beim VfB angestellt war und Spieler in Klümpers frühere Praxis in Freiburg begleitete. "Doping hat es beim VfB nicht gegeben - das hätte ich gewusst", versicherte Caneri. "Ich war sechs Jahre lang mit den Spielern jeden Tag zusammen, so etwas hätte man ihnen angesehen - an der Haut, an den Augen, am Muskelzuwachs, am Reaktionsvermögen." Caneri räumte jedoch ein: "Grundsätzlich ist alles möglich, die Spieler verraten einem nicht alles."

Sörgel: "Fußballer haben experimentiert"

Pharmakologe Sörgel, der die Doping-Vorwürfe vor Abschluss der Arbeit der Evaluisierungskommission lieber noch nicht in der Öffentlichkeit gesehen hätte, mahnte, mit Verdächtigungen über möglicherweise - auch aktuelle - Doping-Praktiken im Fußball vorsichtig zu sein. "Man muss fairerweise sagen, dass im Fußball - und es werden in einigermaßen vernünftiger Weise nun auch Dopingtests durchgeführt - keine spektakulären Fälle aufgetreten sind", sagte Sörgel. "Deshalb muss man mit Verdächtigungen vorsichtig sein." Die Vergangenheit sei ein ganz anderes Kapitel. "Früher war das Unrechtsbewusstsein, was Doping angeht, ein ganz anderes gewesen", meinte er. Bekannt sei, dass in früheren Jahrzehnten die Einnahme des stimulierenden Captagons "eine ganz große Rolle" gespielt habe.

Pharmakologe Fritz Sörgel in seinem Labor (Foto: Daniel Karmann/dpa)
Doping-Experte Fritz SörgelBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

So hatte der frühere Bundesliga-Trainer Peter Neururer 2007 behauptet, dass zahlreiche deutsche Profi-Fußballer Ende der 80er Jahre das Doping-Mittel Captagon benutzt hätten, unter anderem bei den von Neururer betreuten Teams Rot-Weiss Essen und Alemannia Aachen in der 2. Bundesliga. Nationaltorhüter Toni Schumacher berichtete 1987 in seinem Buch "Anpfiff" vom Missbrauch von Captagon.

"Die Fußballer haben auch kräftig experimentiert", erläuterte Sörgel. "Das war über drei, vier Jahrzehnte einfach etwas, was nebenher lief, was die Fußballer gerne angewendet haben, um am nächsten Sonntag wieder spielen zu können."

asz/jw (dpa)