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Ein europäischer Pragmatiker

Bartosz Dudek 31. August 2014

Donald Tusk ist überzeugter Europäer. Seine ausgeglichene Art hat ihm Erfolge in der polnischen Politik und Freunde in europäischen Hauptstädten beschert. Diese Eigenschaften werden dem neuen EU-Ratspräsidenten helfen.

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Donald Tusk neuer Ratspräsident der Europäischen Union
Bild: Reuters

"Er ist ein leidenschaftlicher, überzeugter und überzeugender Europäer", so kommentierte Angela Merkel die Wahl Donald Tusks zum Präsidenten des Europäischen Rates. Genau diese Worte hat sie auch 2010 in ihrer Laudatio gewählt, als der polnische Premier den Aachener Karlspreis erhielt: Eine Ehre, die nur großen europäischen Persönlichkeiten zuerkannt wird. Nicht ohne Grund. Es war die europa- und deutschlandfreundliche Haltung Tusks und seiner liberalen Partei "Bürgerplattform" (PO), die ihm 2007 einen Erdrutschsieg über die europaskeptischen, nationalkonservativen Gebrüder Kaczynski bescherte.

Der weltoffene, freundliche und dialogbereite Tusk stand im krassem Gegensatz zu seinem oft kompromisslosen und streitlustigen Vorgänger Jaroslaw Kaczynski. Während Kaczynskis Auftritte seinerzeit gleichermaßen für Ratlosigkeit und Unbehagen sowohl in Berlin als auch in Moskau sorgten, konnte Tusk schlagartig die deutsch-polnischen Beziehungen verbessern und sogar ein konstruktives Verhältnis zu Wladimir Putin aufbauen. Im kollektiven Gedächtnis wird wohl die Umarmung Tusks und Putin am Absturzort der polnischen Präsidentenmaschine in Smolensk bleiben. Tusk hat aber auch die Fähigkeit, unangenehme Sachen zwar diplomatisch, aber klar zu sagen, wie beim Besuch Putins in Polen zum 70. Jahrestag des Ausbruchs des 2. Weltkrieges. Er, der studierte Historiker, erinnerte damals seinen Gast daran, dass nicht nur Hitlers Deutschland, sondern auch Stalins Sowjetunion Polen überrollt hatte.

Die Entscheidung "heute" getroffen

Für viele war die Wahl Tusks zum Präsidenten des Europäischen Rates eine Überraschung. "Ich habe die Entscheidung heute getroffen", erklärte Tusk nach seiner Wahl. Tatsächlich hatte Tusk, der schon 2012 im Gespräch als potentieller Nachfolger des Kommissionspräsidenten Barroso war, noch vor kurzem mehrmals bekräftigt, dass er sich auf die polnische Politik konzentrieren wolle. Dass es anders kam, hat mehrere Gründe. Nach dem zweiten Wahlsieg von 2011 zeigen inzwischen die Umfragewerte einen deutlichen Vorsprung der Partei seines Erzrivalen Jaroslaw Kaczynski. So ist der Ruf nach Brüssel eine Art Flucht nach vorne.

Außerdem ist da der russisch-ukrainische Konflikt, den Polens Außenminister Sikorski klar als "Krieg" bezeichnet. Dies gibt dem Polen Tusk ganz andere Einflussmöglichkeiten an der EU-Spitze als zuvor auf nationaler Ebene. Die Schwäche des polnischen Premiers, dass er statt Englisch besser Deutsch und Russisch spricht, könnte hier sogar vom Vorteil sein. Der 1957 in Danzig geborene Tusk, der sich als junger Mensch in der Gewerkschaft "Solidarnosc" für die Menschenrechte und Befreiung vom Kommunismus engagierte, versteht zudem die post-sowjetische Mentalität der russischen Führung eindeutig besser als die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und ihre andere westeuropäischen Kollegen.

Der CDU-Bundestagabgeordnete Karl-Georg Wellmann ist davon überzeugt, dass dies der entscheidende Grund dafür war, Tusk mit dem hohen EU-Amt zu betrauen. "Es ist eine ausgezeichnete Entscheidung", lobt Wellmann im Gespräch mit der DW. In Berlin gilt Tusk als "vernünftig", "standhaft", aber gleichzeitig als jemand, der "die Politik der ruhigen Hand führen kann". Und das ist etwas, was an Angela Merkels Politikstil erinnert. Mit ihrer Unterstützung hat Tusk als EU-Ratspräsident durchaus die Chance, sein neues Amt ab Dezember mit mehr Gewicht aktiver und wirksamer zu gestalten als dies sein Vorgänger getan hat.