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Doktortitel aus Dankbarkeit

Christian Ignatzi11. April 2014

Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat einen Ehrendoktortitel verliehen bekommen, obwohl ihr der akademische Doktorgrad kürzlich entzogen wurde. Ein Ersatz oder ein Titel ohne Wert?

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Symbolbild Doktorarbeit (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/MAST

Was eint Albert Einstein, Philipp Rösler, Peer Steinbrück und Kermit, den Frosch? Richtig. Sie alle haben mindestens einen Ehrendoktortitel erhalten - weil sie sich um Wissenschaft oder Gesellschaft verdient gemacht haben. So zumindest haben es die den Titel verleihenden Hochschulen formuliert. Am Freitag (11.04.2014) zeichnete die Universität Lübeck die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan mit einem Ehrendoktortitel aus. Bereits 2012 hatten die Lübecker entschieden, Schavan für ihre Verdienste im Kampf um den Erhalt der Universität zu würdigen.

Pikant bei der Personalie: Im März hatte Schavan ihren akademischen Doktortitel wegen Plagiats verloren. Erschleicht sich die Politikerin ihren Titel nun auf diese Weise zurück? Klar ist: Schavan wird in Lübeck nicht für wissenschaftliche Verdienste ausgezeichnet, sondern weil sie im Sommer 2010 geholfen hatte, die Medizinerausbildung in Lübeck zu retten. Sie trug zur Rettung der Universität bei, indem sie dem Land aus Bundesmitteln 25 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für die Forschung zusagte.

Ehrendoktor ist kein akademischer Grad

Annette Schavan in Lübeck (Foto: dpa)
Auszeichnung in Lübeck: Annette Schavan bekommt einen neuen EhrendoktortitelBild: picture-alliance/dpa

"Man darf den Ehrendoktortitel nicht mit einem akademischen Grad vergleichen", sagt Michael Hartmer vom Deutschen Hochschulverband der DW. "Dabei handelt es sich lediglich um eine Ehrung." Wer eine solche bekommen kann, entscheide jede Universität selbst, ergänzt Max-Emmanuel Geis, Experte für Hochschulrecht an der Uni Erlangen: "Die Promotionsordnung einer Hochschule schreibt das vor", sagte er der DW. In Erlangen würde ein Ehrendoktortitel generell nur für wissenschaftliche Leistungen zugesprochen. "In Lübeck ist die Ehrung aber ausdrücklich auch für persönliche Verdienste möglich."

Solch einen persönlichen Verdienst sieht die Universität Lübeck in ihrer Rettung durch Annette Schavan. Max-Emmanuel Geis sieht das anders: "Zumindest kann man darüber streiten, denn die Rettung der Universität war schließlich eine normale Amtshandlung als Ministerin." Dass Schavan ihren Doktortitel verlor und nun einen neuen Ehrendoktortitel bekommt, hält der Professor nicht für verwerflich. Es sei aber fraglich, ob Politiker überhaupt solche Titel zugesprochen bekommen sollten. Michael Hartmer gibt ihm Recht: "Generell sollte man Ehrendoktortitel nur an Personen vergeben, die wissenschaftlich etwas geleistet haben", sagt er.

Zwei Kriterien für Ehrendoktoren

Häufig ist das nicht der Fall. Vergeben würden Ehrendoktortitel nach zwei unterschiedlichen Kriterien, sagt Hartmer: "Einerseits geht es darum, dass der zu Ehrende mit der Ehrenpromotion in Anerkennung eigener wissenschaftlicher Leistungen die Würdigung erhält. Die zweite, eher angelsächsisch geprägte Tradition lässt zu, dass auch allgemeine Leistungen für die Universität, oft von Personen aus Wirtschaft und Politik geehrt werden." Diese zweite Tradition hätte sich in den vergangenen Jahren auch verstärkt in Deutschland durchgesetzt. Und auch, wenn Hochschulen wissenschaftliche Leistungen ehren wollen, heißt das noch lange nicht, dass das jeder anerkennt. Das zeigt etwa der Fall Edward Snowden, den die Universität Rostock für wissenschaftliche Leistungen auszeichnen will. "Ich sehe aber nicht, dass er etwas Wissenschaftliches erreicht hätte", kritisiert Michael Hartmer.

Verleihung der Ehrendoktorwürde an Angela Merkel (Foto: Reuters)
Auch Angela Merkel ist Inhaberin diverser Ehrendoktortitel: zum Beispiel der Uni NimwegenBild: Reuters

Verpönt unter Wissenschaftlern ist die Möglichkeit, Ehrendoktortitel zu kaufen. In den Vereinigten Staaten darf jede Kirche solch einen Titel vergeben und jede noch so kleine Institution darf sich theoretisch offiziell als Kirche eintragen lassen. Im Internet sind Ehrendoktorwürden für jedermann schon für rund 100 Euro verfügbar. "Eine kluge Hochschule", sagt Max Emmanuel Geis, "würde niemals einen Doktortitel für ein Mäzenatentum vergeben, und einen Doktortitel zu kaufen ist bei uns ohnehin gesetzeswidrig." Titel aus den Vereinigten Staaten seien hierzulande nicht anerkannt.

Kritisch sieht er auch die Verleihung eines Ehrendoktortitels aus dem Jahr 1996: Der Fernsehstar Kermit der Frosch, eine Puppe aus der bekannten Muppet-Show, bekam den Titel damals vom Southampton College an der Long Island University, in Würdigung seines Umweltaktivismus. Eine solche Auszeichnung, da sind sich die Wissenschaftler einig, ziehe die Ehrendoktorwürde ins Lächerliche. "Aber in den Vereinigten Staaten ticken die Uhren manchmal anders", sagt Michael Hartmer.

Kermit der Frosch und das Krümelmonster (Foto: ARD)
Selbst Kermit, der grüne Frosch, wurde einst von einer Universität geehrtBild: picture-alliance/dpa

Debatte nicht zu hoch hängen

Ob die Debatte um Annette Schavan und ihren Ehrendoktortitel nun berechtigt ist oder nicht - zu hoch hängen sollte man sie nicht. Die Politikerin hatte vor ihrer Verleihung der Universität Lübeck schon drei Ehrendoktortitel unterschiedlicher Institutionen. "Es kommt auch immer darauf an, welches Renommee eine Institution hat, die den Doktortitel vergibt", sagt Hartmer. Angesehen wird ein Doktor h.c. (honoris causa), wie man ihn nennt, generell eher in wissenschaftlichen Kreisen.

Die Verleihung hat für die Universität Lübeck letztlich aber doch ein "Gschmäckle". Dabei hätte sich das einfach vermeiden lassen, glaubt Professor Geis: "Die Leistungen von Politikern oder Wirtschaftsträgern lassen sich auch anders ehren. Etwa durch die Vergabe eines Ehrenrings oder des Ranges eines Ehrensenatoren."