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Dmytro Firtasch in der Rolle eines Reformers

Eugen Theise5. März 2015

Während er auf die Entscheidung über seine Auslieferung an die USA wartet, verliert der ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch keine Zeit. Mit einer PR-Kampagne präsentiert er sich als reformorientierter Geschäftsmann.

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Ukraine Konferenz Wien 2015 (Foto: DW)
Bild: DW/E.Theise

In den Lobbys der Luxushotels Park Hyatt und Ritz-Carlton kann man in diesen Tagen Abgeordnete und bekannte politische Rentner aus verschiedenen Ecken Europas treffen, die bei einer Tasse Wiener Melange über Reformen in der Ukraine philosophieren. Sie sind Gäste des internationalen Forums "Ukraine Tomorrow", das am Dienstag (03.03.2014) im Palais Ferstel stattfand. Nur das Allerbeste - für seine Gäste hat Dmytro Firtsch seinen Geldbeutel nicht geschont.

Firtasch, Sponsor des Wiener Forums, ist mit Gaslieferungen an die Ukraine reich geworden. Ab dem Jahr 2006 verdiente er in Zusammenarbeit mit Gazprom Milliarden, dann kaufte er riesige Industrieaktiva auf, vor allem in der chemischen Industrie.

Festgesetzter "Mäzen"

Dmytro Firtasch beim Forum "Ukraine Tomorrow" in Wien (Foto: DW)
Dmytro Firtasch beim Forum "Ukraine Tomorrow" in WienBild: DW/E.Theise

Wien ist zufällig zum Ort der neuen "ukrainischen" Initiative geworden. Denn der Initiator Firtasch befindet sich hier und darf das Land nicht verlassen. Vor einem Jahr wurde er in der Nähe des Wiener Büros seiner Firma auf Gesuch des US-amerikanischen FBI verhaftet. Die USA beschuldigen den ukrainischen Geschäftsmann, versucht zu haben, mit Bestechungsgeldern an eine Genehmigung für den Abbau von Titan in Indien zu kommen. Jetzt wartet der Oligarch auf die gerichtliche Entscheidung über seine Auslieferung an die USA. Die Kaution in Höhe von 125 Millionen Euro zahlte, wie in den Medien berichtet wurde, einer seiner einflussreichen russischen Freunde.

Während ein Team von zwei Dutzend Anwälten versucht, ihn vor dem Gefängnis zu bewahren, eröffnete Dmytro Firtasch eine "zweite Front" im Kampf für seine Freiheit - eine Imagekampagne. In den führenden ukrainischen Medien erschienen am Vorabend des Wiener Forums Dutzende TV-Beiträge und Artikel über die Reformpläne für die Ukraine.

Einen Plan gibt es aber (noch) nicht

Aber es stellte sich heraus, dass es noch keinen "Marshall-Plan für die Ukraine" gibt. Ihn sollen bis Ende des Jahres Experten erstellen. Bei dem Forum wurden bisher nur die künftigen Koordinatoren der Arbeitsgruppen vorgestellt. Es sind bekannte ehemalige Politiker, wie der ehemalige französische Außenminister Bernard Kouchner und der ehemalige polnische Premier und Außenminister Włodzimierz Cimoszewicz.

Im Rahmen von Firtaschs Initiative soll in Österreich die "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" geschaffen werden. In deren Aufsichtsrat soll der Bundestagsabgeordnete von der regierenden CDU, Karl-Georg Wellmann, vertreten sein. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betonte der deutsche Politiker, dass Dmytro Firtasch keinen Einfluss auf die Arbeit der Experten haben werde, auch wenn der die Initiative finanziert: "Wir haben gesagt: die Menschen, die reich geworden sind in der Ukraine in den letzten 20 Jahren, die sollen sich jetzt mit ihrem Reichtum an dem Wiederaufbau beteiligen. Wir wollen, dass sie ihr Geld geben für verschiedene Projekte", sagte Wellmann.

Für die Idee oder für ein Honorar?

Karl-Georg Wellmann , CDU, (links), Peer Steinbrück, SPD, (rechts) und der ukrainische Geschäftsmann Dmytro Firtasch (Foto: DW)
Karl-Georg Wellmann , CDU, (links), Peer Steinbrück, SPD, (rechts) und der Geschäftsmann Dmytro FirtaschBild: DW/E.Theise

In der deutschen Presse hat die Initiative von Dmytro Firtasch für viel Resonanz gesorgt. Vor allem, weil der ehemalige deutsche Finanzminister, der Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück, Berater für Finanzfragen wurde. Ein größeres Ukraine-Interesse war bislang bei ihm nicht beobachtet worden. Dafür hat der Politiker Berühmtheit erlangt, dass er mit Vorträgen auf Konferenzen und Wirtschaftsforen gut dazuverdient. Nach Angaben der Website des Deutschen Bundestages erhält er zwischen 15.000 und 30.000 Euro für einen Vortrag.

Steinbrücks Honorare warfen sogar bei den letzten Bundestagswahlen einen Schatten auf seinen Wahlkampf als Kanzlerkandidat der SPD. "Während des Wahlkampfes war bekannt geworden, dass Steinbrück seit 2009 mit Vorträgen 1,25 Millionen Euro verdient habe“, stellt unter anderem die Website des bekannten Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" fest.

"Ohne die Oligarchen wird es nicht gehen"

Zu den Aufgaben Steinbrücks gehört es, Geldgeber für das Projekt zu finden. Der deutsche Abgeordnete glaubt, dass es ohne die Oligarchen nicht gehen wird. "Aber unser Beratungskreis ist völlig unabhängig und auf keinerlei Vorgaben angewiesen. Wir stehen nicht unter dem Einfluss von denjenigen, die bisher in der Ukraine als Großindustrielle oder als Oligarchen eine Rolle gespielt haben", sagte Steinbrück.

An Dmytro Firtaschs Uneigennützigkeit glaubt auch der ehemalige polnische Minister Włodzimierz Cimoszewicz. Er wird in der künftigen "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" für die Korruptionsbekämpfung zuständig sein. Cimoszewicz hofft, dass die ukrainischen Oligarchen und Politiker bereit sind, die Spielregeln zu ändern und die Politik von der Wirtschaft zu trennen. "Ich hoffe, dass sie verstehen, dass die Situation kritisch ist. Sie müssen letztendlich irgendetwas für ihr Land tun, andernfalls können sie einfach alles verlieren", sagte Cimoszewicz. Gleichzeitig bezeichnet er seine Anti-Korruptions-Mission offen als "praktisch unmöglich".

Rätselhafte Milliarden in Sonderfonds

Neben der Beratungstätigkeit ist auch die Errichtung eines "Fonds für den Wiederaufbau der Ukraine" vorgesehen. Die Mittel des Fonds sollen in die Modernisierung der Wirtschaft fließen und unter anderem Projekte ausländischer Investoren finanzieren, sagte der ehemalige österreichische Außenminister Michael Spindelegger. "Was wir vorhaben, ist zu definieren, was in der Ukraine geschehen muss, damit bei Business-zu-Business-Geschäften zukünftig Sicherheit gewährleistet ist und Geld auch von einem Unternehmen zum anderen fließen kann, also in Joint Ventures in der Form von Handelsverträgen, die es gibt. Das ist derzeit alles im Moment durch die Unsicherheit de facto nicht möglich", so der Österreicher.

Wie viel Geld in dem Fonds sein wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Auf dem Forum in Wien wurden Summen zwischen einer halben Milliarde bis zu einigen Milliarden Euro genannt. Im Gespräch mit der DW gab Dmytro Firtasch keine Antwort auf die Frage, wie viel er selbst bereit sei zu investieren. "Wir werden sehen. Ich werde in 'meinen' Branchen des Modernisierungsprogramms investieren", sagte der Geschäftsmann und meinte damit offensichtlich vor allem die chemische Industrie. Chemie-Anlagen verbrauchen große Mengen an Gas. Nach dem Machtwechsel in Kiew hat Firtasch die Möglichkeit verloren, in Umgehung des staatlichen Konzerns Naftogaz russisches Gas zu vergünstigten Preisen einzukaufen. Jetzt ist die Erhöhung der Energie-Effizienz eine Frage von Leben und Tod für das Chemie-Imperium des Oligarchen.

Werden sich die Oligarchen bessern?

Vor Dmytro Firtasch haben schon andere ukrainische Oligarchen wie Wiktor Pintschuk und Rinat Achmetow Reform-Initiativen vorgestellt. Sie alle endeten im Nichts. Auch diesmal sei nichts anderes zu erwarten, meint der Wirtschaftswissenschaftler vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche, Vassily Astrov. Er ist überzeugt, dass gerade die Oligarchen ein großes Problem auf dem Weg der Modernisierung der Ukraine darstellen. "Es geht unter anderem um die Spielregeln, die in der Wirtschaftspolitik durch staatliche Strukturen und Ministerien durchgesetzt werden. Die Oligarchen sind Eigentümer von großen Unternehmen. Für große Unternehmen ist es nicht interessant, Konkurrenz zu haben. Deswegen versuchen sie alles zu machen, um diese Wettbewerbsregeln möglichst außer Kraft zu setzen. Der Grad der Monopolisierung ist sehr groß", so Astrov im Gespräch mit der DW.

Der "Firtasch-Plan" könnte sich jederzeit aus einem anderen Grund in Luft auflösen. Falls Österreich Firtasch an die USA ausliefert, dann könnte er für 50 Jahre hinter Gitter kommen und sein gesamtes Eigentum verlieren.

In Kürze erscheint ein DW-Interview mit Dmytro Firtasch.