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Auen als Hochwasserschutz

Tobias Oelmaier14. Juni 2013

Wer Überflutungsflächen zur Verfügung stellt, hat selbst nichts davon. Die Profiteure liegen flussabwärts, sagt der Karslruher Professor und Auenforscher Emil Dister weist im DW-Interview.

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Professor Emil Dister, Leiter des WWF-Aueninstituts in Karlsruhe (Foto: WWF)
Prof. Emil DisterBild: KIT

DW: Professor Dister, wie wäre das Hochwasser in Deutschland mit intakten Auen verlaufen?

Emil Diester: Glimpflicher, das kann man sagen. Man kann natürlich ein Hochwasser nicht vermeiden. Das ist ein Naturereignis, und wenn sehr viel Niederschag vom Himmel fällt, muss das Wasser abfließen. Aber man kann die Höhe der Hochwasserwelle reduzieren, indem man das Wasser in die Breite fließen lässt. Dazu muss man dem Fluss das ursprüngliche Überflutungsgebiet, also die Auen, in Teilen zumindest zurückgeben.

Können Sie beschreiben, wie unsere Flusslandschaften heute im Vergleich zu vor ein paar hundert Jahren aussehen?

In den letzten 200 Jahren haben die Flüsse im Durchschnitt 80 Prozent ihrer Überflutungsgebiete durch Eindeichungen verloren.

Könnte man die Dämme und Auen wenigstens zu einem gewissen Teil wieder rückbauen?

Das ginge nicht vollständig, aber zu einem beachtlichen Teil. Wir haben im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz für die gesamte Bundesrepublik die großen und mittleren Flüsse untersucht und festgestellt, dass hier in großem Umfang noch Möglichkeiten gibt, dem Fluss mehr Raum zu geben.

Wie viel Platz braucht so ein Fluss? Wie weit darf man an die Ufer heranbauen?

Das hängt von der Größe des Flusses ab, vom Gefälle und von vielen anderen Faktoren. Das ist sehr komplex. Es gibt am nördlichen Oberrhein Auen, die sechs bis acht Kilometer breit sind. Heute können sie sich aber nur noch auf 200 oder 300 Meter erstrecken. Die sechs Kilometer kann man nicht mehr zurückbringen, aber es gibt Bereiche, wo man sogar noch quadratkilometergroße Flächen dem Fluss zur Verfüggung stellen könnte.

Ist das mit den begradigten Flussläufen und den fehlenden Auen ein rein deutsches Problem?

Nein. Das ist ein generelles Problem, das aber in Deutschland besonders ausgeprägt ist, weil wir eine dicht besiedelte Industrienation sind. Generell haben fast alle diese Probleme. Wir kennen das von der Donau, wir kennen das von Flüssen, die zum Teil naturnah scheinen, es aber nicht sind. Da denke ich an die Theiss in Ungarn und Rumänien, einen der Flüsse, die in Europa am meisten Auenfläche verloren haben, aber wir können das genauso gut an allen anderen Flüssen in Europa feststellen.

Schafft man wieder mehr Auen, könnte man diese dann auch landwirtschaftlich nutzen, oder gibt es hier an die Pflanzen besondere Anforderungen?

Die Auen brauchen Pflanzen, die mit dem Wasser zurecht kommen. Das können entweder Auenwälder sein, die bewirtschaftet werden oder Auenwiesen mit bestimmten Wiesenpflanzen. Ackerbau funktioniert nicht, weil Kulturpflanzen das Hochwasser nicht vertragen.

Gelten die selben Grundsätze wie für die Flussauen auch für die großen Flussdeltas, zum Beispiel am Ganges, am Mekong, in Bangladesch oder am Nil?

Das ist etwas anders, weil die Probleme für diese Räume immer oberhalb, also flussaufwärts gelöst werden müssen. Es liegt in der Natur des Wassers, dass es immer bergab fließt. Gibt man dem Fluss also stromaufwärts mehr Raum, erzielt man flussabwärts die Wirkung. Deshalb liegen die Probleme auch darin, dass derjenige, der die Überflutungsflächen zur Verfügung stellt, selbst nichts davon hat. In den Deltagebieten hat man wenig Möglichkeiten, man müsste den Hochwasserschutz flussaufwärts in Angriff nehmen.

Prof. Emil Dister forscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) am WWF-Aueninstitut. Seine Schwerpunkte sind Auen-Ökologie, Renaturierung von Flüssen und ihren Auen, ökologisch orientierter Hochwasserschutz und Umweltverträglichkeitsstudien.

Die Fragen stellte Tobias Oelmaier.