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Diplomaten am Ball

Ronny Blaschke11. Mai 2015

Am 12. Mai jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zum 50. Mal. Der Fußball leistete schon vorher einen Beitrag zur Vertrauensbildung.

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Bundesliga Borussia Mönchengladbach Günter Netzer Shmuel Rosenthal (Foto: imago/Horstmüller)
Günter Netzer mit seinem israelischen Mannschaftskameraden Shmuel Rosenthal bei Borussia MönchengladbachBild: Imago/Horstmüller

Einer der ersten deutschen Repräsentanten, die nach Israel eingeladen wurden, kam aus dem Sport: Willi Daume, Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), überreichte dem israelischen Sportverband 1957 eine Spende für ein neues Gebäude. Damals wollten Israelis und Deutsche nach vorn blicken. In der Bundesrepublik fanden Alt-Nazis neue Aufgaben. Der einstige kommissarische Reichssportführer Karl Ritter von Halt wurde Präsident des Olympischen Komitees. Wie Karl von Halt war auch Willi Daume Mitglied der NSDAP gewesen. Halt und Daume machten sich nun für den israelischen Sport stark. Die FAZ titelte 1957: "Der Sport lässt die Vergangenheit vergessen". Ließen sich die Funktionäre von Schuldgefühlen treiben? Die Israelis interessierten sich kaum für die Herkunft ihrer neuen deutschen Freunde, erinnert der Historiker Moshe Zimmermann aus Jerusalem: "In Israel bemühte man sich um eine Normalisierung - und die beruhte auf Ignoranz. Es zählte der Pragmatismus."

Auch im Fußball. Seit 1957 schickte der Israelische Fußballverband seine besten Trainer zur Ausbildung an die DSB-Trainerakademie nach Köln. Zu den ersten Absolventen zählte Emanuel Schaffer, aufgewachsen im Ruhrgebiet. Schaffer freundete sich mit Hennes Weisweiler an. Der deutsche Trainer gab 1968 einen Kurs am Wingate-Institut in Netanya, dem führenden Sportinstitut Israels. Monate später reiste die deutsche Jugendnationalmannschaft nach Israel. Ihre Testspiele fanden noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Gefeierte Borussia aus Mönchengladbach

Als erster deutscher Verein war der FC Bayern Hof 1969 zu einigen Testspielen in Israel zu Gast. Im August 1969 reiste die israelische Nationalmannschaft zu einem Trainingslager in die Sportschule Hennef. In Frechen bei Köln fand das erste Länderspiel gegen Deutschland statt. Gegner war die deutsche Olympia-Auswahl. Legendär ist bis heute auch das Gastspiel Mönchengladbachs 1970 in Tel Aviv. Die Borussia besiegte die israelische Nationalmannschaft 6:0. Bis in den frühen Morgen wurden die Gladbacher gefeiert. "Für uns ging es damals um Fußball", sagt Herbert Laumen, der als Spieler dabei war. "Über die politische Bedeutung wurde kaum gesprochen."

Das Engagement der Borussia, die 27 Mal gegen israelische Teams spielen sollte, täuschte über das Verhalten anderer Vereine und des Deutschen Fußball-Bundes hinweg, erläutert der Publizist Alex Feuerherdt, der sich in Aufsätzen und Vorträgen mit dem israelischen Fußball beschäftigt. Das erste A-Länderspiel zwischen Israel und Deutschland fand am 25. März 1987 statt, erst 22 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen. "Es war ein deutscher Auftritt mit Peinlichkeiten", sagt Feuerherdt. Das Stadion in Ramat Gan war beim 2:0-Sieg der Deutschen zur Hälfte gefüllt. Staatspräsident Chaim Herzog blieb dem Spiel fern. In der nationalen Gedenkstätte Yad Vashem hätten einige deutsche Spieler versucht, ihr "gelangweiltes Gähnen zu tarnen", schrieb die israelische Zeitung Chadaschot.

DFB-Auswahl in Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem
Deutsche Nationalspieler 1987 in Yad VashemBild: picture-alliance/dpa

Kritische zweite Generation

17 Jahre nach der Mönchengladbacher Premiere in Tel Aviv stand die israelische Öffentlichkeit dem DFB kritisch gegenüber. "Ab etwa 1980 meldete sich eine neue Generation zu Wort, die den Krieg nicht erlebt hat", sagt der Historiker Moshe Zimmermann. "Schriftsteller und Politiker betrachteten die deutsche Mannschaft als eine Art Vertreterin der deutschen Vergangenheit." Die Wiedervereinigung weckte bei vielen Israelis zudem Ängste vor einem mächtigen Deutschland. Die Anschläge auf Asylbewerber in Rostock oder Hoyerswerda verstärkten diese Ängste, sagt Zimmermann. Zu spüren war das während der WM 1994 in USA. Die meisten Israelis wollten die deutsche Auswahl verlieren sehen.

Anfang des Jahrtausends haben Staat und Zivilgesellschaft in Deutschland um eine würdige Erinnerungskultur gestritten. Theo Zwanziger stieß als DFB-Präsident politische Projekte an. Der Verband ließ seine Rolle im Dritten Reich erforschen. 2006 ließ die fröhliche Atmosphäre während der heimischen WM das Ansehen Deutschlands in Israel wachsen, zahlreiche Fanklubs von deutschen Vereinen entstanden im Heiligen Land. 2008 begründete der DFB eine Tradition: Jährlich im Dezember reist die Auswahl der U 18 zu einem Turnier nach Israel.

Wenig Austausch bei Profis und Trainern

Im jeweils anderen Land gearbeitet haben allerdings noch nicht sehr viele Profis und Trainer. In der höchsten israelischen Liga waren bislang zwei deutsche Cheftrainer engagiert: Uwe Klimaschewski 1972 in Haifa und Lothar Matthäus 2008 in Netanya. Im deutschen Profifußball hat es noch keinen israelischen Coach gegeben, aber Spieler wie Shmuel Rosenthal, Itay Shechter oder Almog Cohen. Vielleicht werden es bald mehr, denn seit 2013 beschäftigt der Israelische Fußballverband einen Technischen Direktor aus Deutschland: Michael Nees habe bislang keine Ressentiments gespürt. Im Gegenteil, sagt er, wie die Idee für ein Werbevideo der israelischen U21-Mannschaft zeigt. "Ich sollte im Film in der Kabine sitzen und Falafel essen. Und meine Spieler sollten übers Training sprechen. Auf Deutsch. Das Motto war: Endlich haben wir eine Mannschaft, die wie eine deutsche Mannschaft spielt."

Lothar Matthäus als Trainer von Maccabi Netanya (Foto: David Silverman/Getty Images)
2008 war Lothar Matthäus Trainer in NetanyaBild: David Silverman/Getty Images