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Hamburg und die Weiße Rose

22. Februar 2011

Die "Weiße Rose" steht für Zivilcourage und mutiges Aufbegehren gegen die Nationalsozialisten. Dass die studentische Gruppe nicht nur in München, sondern auch in Hamburg aktiv war, wissen nur Wenige. Eine Aufarbeitung.

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Die Geschwister Scholl während eines Ausflug (Foto: picture alliance/dpa)
Die Geschwister Scholl während eines AusflugsBild: picture alliance/dpa

Wer an den Widerstand gegen das Hitler-Regime denkt, dem fallen neben Claus Graf von Stauffenberg zuallererst die Namen von Hans und Sophie Scholl ein. Als "Weiße Rose" schlossen sich die beiden mit anderen Münchner Studenten gegen die NS-Diktatur zusammen. Zwischen Juni 1942 und Februar 1943 ließ die Gruppe heimlich Flugblätter drucken, verteilte sie per Post und legte sie in riskanten Aktionen öffentlich aus. "Nieder mit Hitler!" und "Freiheit!", so lauteten ihre Losungen. Hans und Sophie Scholl, Gründer der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" an der Münchner Universität, wurden am 22. Februar 1943 in München hingerichtet. Über Deutschland hinaus wurden die mutigen Taten der "Weißen Rose" noch während des Zweiten Weltkriegs bekannt. Unter anderem würdigte sie Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann in der BBC. Bis heute gelten die Mitglieder der "Weißen Rose" als Symbol für Zivilcourage, Mut und politische Verantwortung.

Mantel der Gleichgültigkeit

Foto von Franz Josef Müller als junger Mann (Foto: Privatbesitz Weiße Rose Stiftung e.V.)
Franz Josef Müller im Jahr 1942Bild: Privatbesitz der Weisse Rose Stiftung e.V.

"Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den Juden widerfahren ist?", so steht es auf dem fünften und vorletzten Flugblatt der "Weißen Rose", kurz vor der Verhaftung ihrer Mitglieder durch die Geheime Staatspolizei am 18. Februar 1943. "Wollt Ihr mit dem gleichen Maße gemessen werden wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehasste und ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum trennt Euch von dem nationalsozialistischen Untermenschentum! Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe es zu spät ist!"

Franz Josef Müller, 86, war damals mit dabei. Als 17-Jähriger protestierte der in Ulm geborene Schüler zusammen mit den Münchner Medizinstudenten Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und dem Hochschulprofessor Kurt Huber gegen die Verbrechen des NS-Staates. Zusammen riefen sie die deutsche Bevölkerung zum passiven Widerstand gegen die NS-Diktatur auf. "Natürlich war es ein großes Vergnügen, dem NS-Kreisleiter unser Flugblatt zu schicken", erinnert sich Müller und schmunzelt dabei, "schließlich baten wir darum, das Flugblatt weiterzugeben. Das war jugendlicher Leichtsinn, denn der Tod stand vor der Tür."

Hamburger Verbindungen

Filmstill aus 'Sophie Scholl - Die letzten Tage' (Foto: picture alliance)
Foto aus dem Film "Sophie Scholl - Die letzten Tage", Regie: Marc RothemundBild: picture alliance

In der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass die Aktivitäten der "Weißen Rose" bis nach Hamburg reichten. Daran erinnert jetzt die Veranstaltungsreihe "Hamburg und die Weiße Rose", die auf Initiative der Körber-Stiftung und der Weiße Rose Stiftung stattfindet. Zum Programm gehören Vorträge, Stadtrundgänge und Ausstellungen. Auf großformatigen Tafeln mit vielen historischen Fotos, Dokumenten und Briefen wird die Entstehung der Weißen Rose erzählt, wie sie zu ihrem Namen kam und wie die meisten Mitglieder denunziert, von der Gestapo verhaftet und später durch das Fallbeil hingerichtet wurden.

Die Mitglieder der Hamburger "Weißen Rose" kamen überwiegend aus einem akademisch geprägten Milieu. Dazu gehörte ein Kreis, der aus Schülern des reformorientierten Lichtwark-Gymnasiums hervorging und sich später um Studenten der Universität erweiterte. Aber auch Künstler, Angehörige der Swing-Jugend oder die "Candidates of Humanity", eine Gruppe von Medizinern am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, setzten sich mit den Ideen der Münchner Widerständler auseinander. Ein wichtiger Treffpunkt war die Buchhandlung "Agentur des Rauhen Hauses" am Jungfernstieg, wo auch verbotene Literatur verteilt wurde.

Mutige Studenten

Jugendfoto von Traute Lafrenz (Foto: privat/Seybold Film)
Jugendfoto von Traute LafrenzBild: Privatbesitz der Weisse Rose Stiftung e.V

Ein besonderes Kapitel widmet die Ausstellung der Hamburgerin Traute Lafrenz. Zusammen mit Hans Conrad Leipelt brachte sie die Flugblätter von München nach Hamburg, wo sie ebenfalls verbreitet wurden. Auf Fotos sieht man die hübsche 23-jährige Medizinstudentin mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Detailliert werden ihr Lebensweg und ihre Verhaftung durch die Gestapo beschrieben, ihre Befreiung aus NS-Haft durch US-Soldaten und ihre Emigration nach Kriegsende in die USA, wo sie als Leiterin einer heilpädagogischen Einrichtung für geistig behinderte Kinder wirkte. Zu den Höhepunkten der Veranstaltungsreihe zählt ein Zeitzeugengespräch mit Traute Lafrenz.

Todesurteile gegen die "Weiße Rose"

Die heute 91-jährige Lafrenz war nicht die einzige Hamburgerin, die wegen ihrer Verbindungen zur "Weißen Rose" inhaftiert wurde: Mehr als 30 weitere Personen aus der Freien und Hansestadt Hamburg ereilte dasselbe Schicksal. Acht von ihnen überlebten die Verfolgung nicht, darunter Hans Leipelt. Zuvor wurden die meisten Angeklagten in den Schauprozessen vor dem sogenannten Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler wegen Hochverrats zum Tode verurteilt - darunter auch die Geschwister Scholl.

Franz Josef Müller erhielt aufgrund von Ermittlungsfehlern "nur" eine Gefängnisstrafe. Seit den siebziger Jahren ist er, der nach Kriegsende Jura studierte und Lehrer wurde, als Zeitzeuge unterwegs. 1987 gründete er die Weiße Rose Stiftung mit und war bis 2004 erster Vorsitzender. Heute ist er Ehrenvorsitzender. "Unser Anliegen damals als Weiße Rose war es, Menschen mit Argumenten, mit einem hohen sprachlichen Niveau anzusprechen", erklärt Müller heute rückblickend, "es war etwas Nobles um diese Gruppe."

Autor: Michael Marek

Redaktion: Sabine Oelze