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Vision vom Wüstenstrom

Sabine Kinkartz8. November 2012

Strom aus Sonne und Wind aus den Wüsten Nordafrikas, diese Vision steckt hinter dem Projekt Desertec. Doch von der Vision zur Aktion ist es ein mühsamer Weg. Einige Unternehmen werden ungeduldig.

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Die Sonne scheint über einem Parabolspiegel mit in der Mitte platzierten Solarreceivern eines solarthermischen Parabolrinnenkraftwerks(Foto: dpa)
Symbolbild Projekt Desertec in AfrikaBild: picture-alliance/dpa

Es war Ende Oktober dieses Jahres, als eine Nachricht aus Nordafrika den Geschäftsführer der Desertec-Industrie-Initiative (Dii), Paul van Son, aufhorchen ließ: Der marokkanische Industrieminister Abdelkader Amara gab bekannt, sein Land wolle mit einer Reihe europäischer Staaten eine Absichtserklärung abschließen, die sowohl den Bau eines 600 Millionen Euro teuren Solar- und Windkraftwerks in Marokko als auch den Export von grünem Strom nach Europa regeln werde.

Die Unterzeichnung sei für November geplant, hieß es, und Paul van Son war begeistert: "Wir waren richtig glücklich darüber, vor allem, dass die Erklärung so bald unterzeichnet werden sollte. Aber leider hat das nicht geklappt. Jedenfalls nicht heute. Vielleicht morgen, ich weiß es nicht." Der Niederländer van Son sitzt an diesem regnerischen 7. November 2012 im Berliner Auswärtigen Amt. Drei Tage lang findet hier die dritte Jahreskonferenz der Desertec-Initiative statt. Mehr als 500 Manager und Politiker aus 48 Ländern sind angereist, die Bundesminister für Umwelt, Wirtschaft und Äußeres stehen auf der Rednerliste.

Nichts übers Knie brechen

Genau der richtige Rahmen, um den so dringend benötigten Durchbruch für Desertec zu verkünden: "Es wäre das erste Abkommen zwischen Regierungen in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika, das den physischen Transport von Strom aus erneuerbaren Energien über Landesgrenzen hinweg regeln würde", sagt Son. Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und Malta wollen das Abkommen unterzeichnen.

Windpark bei Tanger in Marokko (Foto: dpa)
Aus Solar- und Windparks in Marokko soll Strom nach Europa fließen, doch Spanien sträubt sich nochBild: picture-alliance/dpa

Doch Spanien, das für das Pilotprojekt unverzichtbar ist, weil bislang nur dort Stromleitungen aus Marokko ankommen, zögert. Und das nicht nur wegen seiner angespannten Finanzlage. Spanien liefert Energie nach Marokko, der Stromtransport in die entgegengesetzte Richtung wäre nicht gut fürs Geschäft. Mustapha Bakkoury, der Chef der marokkanischen Agentur für Solarenergie MASEN, bleibt trotzdem optimistisch: "Der Energie-Export ist für uns ein strategisch wichtiges Thema. Man sollte sich lieber ein bisschen Zeit nehmen, damit in allen Bereichen Einigkeit besteht, als sich damit zu beeilen."

Konzerne werden ungeduldig

Das Engagement, das Interesse und die Visionen aller Länder stimmten schon überein, so Bakkoury. Es dürfe aber auch keine Widersprüche zu den nationalen Gesetzgebungen geben, nicht zu den Plänen jedes Einzelnen, nicht zu den Investitionsanstrengungen, die noch unternommen werden müssten: "Deshalb denke ich, es ist okay, wenn das noch ein paar Tage oder Wochen dauert."

Doch Desertec und seinem Geschäftsführer Paul van Son läuft nicht nur die Zeit davon. Immer deutlicher wird, dass es wohl einer Herkulesaufgabe gleichkommt, die Interessen der Unternehmen, Organisationen und Staaten, die an dem Wüstenstromprojekt beteiligt sind, unter einen Hut zu bekommen. 21 Unternehmen und Organisationen aus Mitteleuropa und Nordafrika sind an der Dii GmbH beteiligt, darunter deutsche Konzerne wie die Energieriesen RWE und E.ON, Schott Solar und die Deutsche Bank. Dazu kommen 35 assoziierte Partner.

Siemens verlässt den Club

Erste Zweifler kehren Desertec nun den Rücken. Der Siemens-Konzern wird Ende des Jahres aussteigen. Auf der anderen Seite würde der chinesische Netzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) gerne einsteigen, auch der bislang bei Desertec nur assoziierte US-Solarmodulhersteller First Solar will sich stärker engagieren. Hans Bünting, Geschäftsführer von RWE Innogy, zeigt sich zurückhaltend: "Es muss erst einmal überprüft werden, wie sinnvoll das wäre. Die Frage ist doch, was ein potenzieller Partner bei Desertec einbringen kann." Immerhin: Der chinesische Interessent hat Erfahrung mit Hochspannungsnetzen, First Solar stellt Solar-Panele her, die auch in Marokko verwendet werden sollen. "Am Ende müssen das die Gesellschafter entscheiden", so Bünting.

Viel Zeit bleibt nicht, um die Unstimmigkeiten zu beseitigen. Schon 2014 soll in Marokko die Stromproduktion anlaufen, dort sollen insgesamt 500 Megawatt erzeugt werden. Insgesamt plant Desertec in Nordafrika Referenzprojekte mit einer Gesamtleistung von 2,5 Gigawatt, spätestens in vier Jahren soll der erste Strom von Nordafrika nach Europa exportiert werden.

2050, so lautet die Vision, könnte es so viele Wind- und Solarkraftwerke in Nordafrika geben, dass nicht nur der Strombedarf der Wüstenregion, sondern auch 20 Prozent des europäischen Bedarfs gedeckt werden könnte. Desertec-Geschäftsführer Paul van Son hält an dieser Vision fest. Von den Arabern, so sagt er auf der Jahrestagung in Berlin, habe er ein gutes Sprichwort gelernt: "Geduld und Humor sind zwei Kamele, die dich durch die Wüste bringen."