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Ursachen-Suche

Thomas Mösch30. November 2008

Den blutigen Unruhen zwischen christlicher und muslimischer Bevölkerung in Zentral-Nigeria liegen sozio-okonomische Probleme zugrunde. Und das Fehlen verantwortungsbewusster Politik.

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Symbolbild Kommentar
Bild: DW

Mit religiösen Unruhen solchen Ausmaßes hatte in der Provinzhauptstadt Jos offenbar niemand gerechnet. Die Kommunalwahlen am Donnerstag (27.11.2008) waren friedlich verlaufen. Als es dann Freitagmorgen erste Übergriffe gab, waren noch gar keine offiziellen Ergebnisse bekannt. Doch offenbar reichten schon Gerüchte über mögliche Manipulationen aus, um das Pulverfass zu entzünden.

Augenzeugen fühlen sich an die Unruhen erinnert, die Jos im September 2001 erschüttert und vermutlich bis zu 1000 Menschen das Leben gekostet hatten. Seitdem hat es unzählige Treffen zwischen den Vertretern der Religionsgemeinschaften und den Staatsorganen gegeben, um die Ursachen zu analysieren und zukünftige Gewaltausbrüche zu vermeiden.

Die relative Ruhe der letzten sieben Jahre hat offenbar getrogen. Dabei haben alle Seiten immer wieder betont, dass sie friedlich zusammen leben und arbeiten wollen. Alles nur Fassade?

Nord-Süd-Konflikt

Noch ist nicht klar, wer genau hinter diesen neuen Unruhen steckt. Doch das Muster erscheint bekannt: Ein anscheinend eher nichtiger Anlass löst massive Gewalt aus - hier eine Kommunalwahl, dort ein Schönheitswettbewerb, andernorts eine Vieherde, die einen Acker verwüstet.

Es ist nicht überraschend, dass dies immer wieder auch im Bundesstaat Plateau im Zentrum Nigerias passiert. Hier treffen die muslimisch dominierte Kultur des Nordens und das eher im Süden verwurzelte Christentum aufeinander. Die zahlreichen kleineren Völker dieses Berglandes fühlen sich seit langem bedrängt durch die sehr homogen auftretenden muslimischen Zuwanderer aus dem Norden. Oft sind diese zudem Viehhirten, die nun mit den Ackerbauern um das fruchtbare Land konkurrieren.

Siedler gegen Eingeborene

Zuwanderer genießen in Nigeria gegenüber den Alteingesessenen über Generationen hinweg nur eingeschränkte Rechte - obwohl alle Staatsbürger desselben Landes sind. Immer wieder eskalieren politische und ökonomische Konflikte deshalb zu religiösen Unruhen: Die so genannten "Siedler" fordern Teilhabe an Macht und Ressourcen, die so genannten "Eingeborenen" beharren auf ihren Vorrechten.

Politiker nutzen diese Interessenkonflikte immer wieder aus, um ihre Wählerbasis zu mobilisieren. Dabei schrecken sie auch vor Gewalt nicht zurück. Die große Masse arbeitsloser Jugendlicher lässt sich in Nigeria nur all zu leicht für wenig Geld oder windige Versprechungen als Schlägertrupps rekrutieren.

Politiker tragen Mitschuld

Viele Politiker scheinen kein Interesse daran zu haben, die der Gewalt zugrunde liegenden Probleme zu lösen. Sie müssten dann die Ressourcen des Landes gerecht verteilen, anstatt in die eigene Tasche zu wirtschaften. Bisher dulden oder fördern sie lieber ein Denken, wonach die Ansprüche der andersgläubigen Nachbarn schuld an der eigenen Misere sind.

Ursachenforschung als Ausweg

Zum Glück gibt es auch in Nigeria ermutigende Beispiele, die den Weg aus der Gewaltspirale weisen. Insgesamt ist die religiös oder ethnisch beeinflusste Gewalt im Land in den letzen Jahren deutlich zurückgegangen. Im Bundesstaat Kaduna, der noch in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts die meisten Opfer inter-religiöser Gewalt zu beklagen hatte, haben ehemalige Feinde einen langwierigen, aber bisher erfolgreichen Aussöhnungsprozess begonnen, der auch auf andere Regionen ausstrahlt.

Die Gewalt in Jos zeigt, dass dort bisher nicht offen genug über die Ursachen der Konflikte gesprochen wurde. Zudem müssen die Politiker endlich der Jugend des Landes ökonomische Perspektiven aufzeigen, anstatt sie immer wieder im Namen angeblich religiöser oder ethnischer Interessen auf den Straßen zu verheizen.