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Kohlendioxid im Kalibergbau

Dagmar Röhrlich10. Oktober 2013

Es sollte eine Routinesprengung sein, zur Salzgewinnung. Doch dann flog den Bergleuten eine Druckwelle entgegen, ausgelöst durch große Mengen Kohlendioxid. Drei Männer starben. Was war da passiert?

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Ein Bergmann steht in einer Kali-Grube inmitten einer Kalilagerstätte. (Foto: dpa-Bildfunk)
Nie zuvor war so viel Kohlendioxid auf einmal in der Kali-Grube Unterbreizbach ausgetreten.Bild: picture-alliance/dpa

Am 1. Oktober 2013 waren drei Bergleute im thüringischen Bergwerk Unterbreizbach durch den Austritt von großen Mengen Kohlendioxid getötet worden - ein ungewöhnlicher Vorfall in einer Region Deutschlands, in der der Kalibergbau eine jahrhundertealte Tradition hat, und in der die Gefahren unter Tage eigentlich gut bekannt sind.

Auch die Landschaft ist hier durch den Bergbau geprägt: Je nach Wetterlage schwarz oder schneeweiß gefärbt, erheben sich Abraumhalden bis zu 200 Meter hoch über ihre Umgebung und zeigen dem Vorbeifahrenden schon von weitem, dass hier Bergbau betrieben wird. Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden hier Kalisalze gefördert - der Rohstoff für die Düngemittelindustrie.

Bergbau ist niemals ungefährlich: Nachgebendes Gestein kann für die Kumpel ebenso tödlich werden wie erstickende Grubengase im Kohlebergbau oder Methan, das in Kontakt mit der Luft explosiv reagiert.

Zwei Hände halten NP-Dünger (Stickstoff-Phosphor-Dünger) (Foto: Bernd Wüstneck dpa/lmv)
Kali-Salz ist der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von Stickstoff-Phosphor-DüngerBild: picture alliance/dpa

Im hessischen und thüringischen Kali-Revier hinterließ jedoch auch der Vulkanismus ein bedrohliches Erbe: nämlich Kohlendioxideinlagerungen im Salz. Vor 18 bis 22 Millionen Jahren drang in dem nehegelegenen Mittelgebirge Rhön glühend heiße, flüssige Magma an die Oberfläche. Es durchschlug auch die Salzlagerstätte im Untergrund.

Durch Risse im Gestein drang Kohlendioxid in das Salz ein. Einerseits lagerte es sich im Kristallgitter der Salze ein, andererseits wurde es als Gas in winzigen Bläschen eingeschlossen. Man sagt: Es "imprägnierte" das Salz. So kann eine Tonne Salz durchaus zehn Tonnen Kohlendioxid (CO2) enthalten.

Sprengungen für den Abbau

Gefährlich können diese Kohlendioxideinlagerungen beim Abbau werden. Um die Kalisalze zu fördern, werden sieben Meter lange Bohrlöcher vorgetrieben und mit Sprengstoff gefüllt. Nach der Sprengung werden die herausgeflogenen Salzbrocken per Lastwagen abtransportiert und zerkleinert. Über Förderbänder gelangt das Rohsalz zum Schacht, wo es nach oben in die Fabrik transportiert wird.

Falls eine Sprengung aber eine "Gasblase" öffnet, wird das Kohlendioxid frei. Meist sind diese Blasen klein und nicht weiter gefährlich. Es rumpelt, und ehe die Arbeit beginnen kann, muss das Kohlendioxid durch Frischluft ersetzt werden. Hin und wieder kommt es jedoch zu sehr heftigen Ausbrüchen, bei denen Millionen von Kubikmetern Gas freigesetzt und mehrere zehntausend Tonnen Salzgestein ausgeworfen werden.

1938 etwa forderte ein solcher Ausbruch im thüringischen Schacht Merkers elf Menschenleben. Tödlich endeten auch zwei Ausbrüche 1953 und 1958 im Schacht Menzengraben - ebenfalls in Thüringen. Die Opfer des Ausbruchs von 1953 starben allerdings übertage durch die Auswirkung der Explosion. Denn nach der Sprengung hatte sich die Kohlendioxidwolke zischend den Weg an die Oberfläche gesucht und sich am Boden ausgebreitet.

Der Förderturm der Kali-Grube der K+S Kali GmbH in Unterbreizbach (Thüringen) ist am 01.10.2013 hinter einer Warnleuchte zu sehen(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)
Wenn das Kohlendioxid an die Oberfläche gelangt, können auch dort noch Menschen erstickenBild: picture-alliance/dpa

Sirenen warnten die Anwohner, die ihre Häuser verlassen und sich in höher gelegenes Terrain in Sicherheit bringen konnten. Im April 1958 starben dort dann sechs Bergleute, weil sie bei einer Erkundungsbohrung eine Kohlendioxidansammlung getroffen hatten und sich das Gas explosionsartig ausbreitete.

Unberechenbares CO2

Weil die Gefahr solch heftiger Ausbrüche bekannt war, durfte im benachbarten hessischen Salzbergbau lange Zeit nur bei Schichtwechsel gesprengt werden. Dann hielt sich niemand im Bergwerk auf. Auf thüringischer Seite, in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik, wurde hingegen im laufenden Betrieb gesprengt.

Als die Gruben nach der Wende zusammengelegt wurden, kam es 1992 zu einer Art Kombination beider Methoden: Jetzt wird bei Schichtwechsel gesprengt, wenn sich lediglich eine kleine Gruppe von Arbeitern unten aufhält. Und zwar in einem als sicher angesehenen Bereich nahe der Schächte und weit entfernt vom Abbau. Dorthin soll eventuell freigesetztes Kohlendioxid eigentlich nicht vordringen können.

Die Aufgabe dieser Bergleute ist es zu prüfen, ob die Luft atembar ist. Beim Ausbruch in Unterbreizbach vom 1. Oktober wurden sie aber von der Gewalt des Ausbruchs überrascht. Die vier Männer starben an einer Kohlendioxidvergiftung: Das Kohlendioxid verdrängt den Sauerstoff in der Luft und löst verschiedene Veränderungen im Körper aus: Unter anderem hebt es den Atemreflex auf, das Blut kann weniger Sauerstoff binden, weil sich sein pH-Wert ändert, die Opfer werden bewusstlos und sterben schließlich.

Der Ausbruch in Unterbreizbach gilt als außergewöhnlich. Er setzte sehr viel mehr Kohlendioxid frei als alle bekannten historischen Ereignisse, und auch die Geschwindigkeit des austretenden Gases war sehr viel höher.

Das Kohlendioxid muss sich förmlich schlagartig im gesamten Streckennetzwerk unter Tage ausgebreitet haben: Die Distanz zwischen dem Sprengort, an dem der Ausbruch begann und dem Aufenthaltsort der Bergleute betrug sechs Kilometer. Dazu kommt ein Höhenunterschied von 200 Metern. Der Ausbruch hatte sogar Auswirkungen über Tage: Eine riesige, weiße Wolke stieg über dem Werksgelände auf.