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Staudämme in Laos

Michael Sullivan29. Dezember 2014

Das notleidende Laos plant, sich zur "Batterie Südostasiens" zu entwickeln. An Flussläufen des Landes sollen Wasserkraftwerke gebaut werden. Zwei Projekte am Mekong erregen die Gemüter von Umweltschützern besonders.

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Wasserkraft Mekong
Bild: picture-alliance/dpa

Es gibt nicht mehr viele Orte in Südostasien, die noch nicht touristisch erschlossen sind. Aber Si Phan Don, auch "4000 Inseln" genannt, im Süden von Laos am Mekong, ist solch ein Ort. Unterhalb der sagenumwobenen Khone Wasserfälle ist es frühmorgens noch ganz still. Nur ein paar Fischer haben ihre Netze ausgeworfen und warten auf Fang. Und ich, im Boot unterwegs mit einem Begleiter, bin auf der Suche nach Delfinen.

Plötzlich werde ich auf eine Bewegung aufmerksam: Rund 50 Meter vor uns schießen drei, möglicherweise vier Irrawaddy-Delfine durchs Wasser. Hier im Mekong ist die Heimat dieser Delphine. Ebenso wie im Irrawaddy, der durch Myanmar fließt, und nach dem sie benannt sind. Doch Umweltschützer befürchten, dass die Delfine bald aus dem Mekong verschwinden. Wenn Laos seine Pläne verwirklicht, den Don Sahong-Staudamm zu bauen - auf einem der Nebenarme des Mekong, nur wenige hundert Meter von uns entfernt, flussaufwärts.

"Der Don-Sahong-Staudamm ist eine große Bedrohung für das Flussbecken", sagt Amy Trandem, Südostasien-Projektleiterin von International Rivers. "Die Wasserzusammensetzung, die Fischarten, die Flussablagerungen, all das wird sich verändern. Dieser Staudamm wird einen großen Einfluss auf die Delfine haben, die sehr empfindlich sind. Wahrscheinlich werden sie für immer verschwinden." Es gibt hier allerdings nur wenige Delfine. Die meisten - etwa 120 Tiere insgesamt - leben 130 Kilometer flussabwärts nahe der kambodschanischen Stadt Kratie. Aber die Umweltschützer sorgen sich nicht nur um die Delfine. Ihnen geht es um das gesamte Ökosystem.

Ein fatales Projekt - oder Panikmache?

Mein Bootsführer schwenkt in den Hou-Sahong-Flussarm ein, in Richtung des geplanten Staudamms und zwanzig Minuten später sind wir da. Es gibt nicht viel zu sehen - noch nicht - nur eine schnelle Strömung, vielleicht 50 Meter breit, durch dichten Dschungel zu beiden Seiten begrenzt. Der Hou-Sahong ist nur einer von fast einem Dutzend Armen des Mekong hier in der Region Si Phan Don, die alle in das Flussbecken münden. Mein erster Gedanke ist: "Worum geht’s hier eigentlich? Warum schreckt das Eindämmen eines Flussarms so viele Menschen auf?"

Xayaburi Damm in Laos Bootsfahrt durch den Hou Sahong-Kanal
Bootsfahrt durch den Hou-SahongBild: DW/M. Sullivan

"Die Hou-Sahong-Kanal ist im Augenblick der einzige Kanal, durch den Fische das ganze Jahr über flussauf- und flussabwärts schwimmen können", sagt Amy Trandem. "Alle andere Kanäle haben Hindernisse - Wasserfälle oder Reusen, mit denen die Fische gefangen werden."
Für Trandem und andere Umweltschützer ist der Fluss einzigartig und lebensnotwendig für Fische.


"Unsinn", sagt Peter Hawkins. Er ist der Umweltmanager des Don-Sahong-Projekts. "Der Hou-Sahong ist nicht irgendein magischer Nebenflussarm, den die Fische sofort erkennen, um ihn zu durchschwimmen." Hawkins sagt, während der Trockenzeit gibt es mindestens zwei weitere Flussarme für die Fische. Und er sagt, sein Unternehmen helfe, sie so zu gestalten, dass den Fischen die Passage eher noch erleichtert wird. "Wir konstruieren, entwerfen und bauen Umgehungen, gerade an den Stellen, die eng und flach sind, und wir vertiefen diese Stellen, an denen es für die Fische schwierig wird und sie aufgehalten werden. Das ist unsere Strategie, und das werden wir weiterhin tun."

Xayaburi Damm in Laos Fischer
Die Fischer-Familien fürchten um ihren LebensunterhaltBild: DW/M. Sullivan

"Nach dem Staudamm gibt es keinen Fischfang mehr"

Amy Trandem von International Rivers überzeugt das nicht. Und ebenso wenig trauen viele der Einheimischen dem Vorhaben. Fast alle leben hier vom Fischfang. Und selbst wenn der Bau des Staudamms kurzfristig für Arbeitsplätze sorgt, was kommt danach? Ein Mann, dessen Familie hier seit Generationen lebt - und der nicht genannt werden will - ist skeptisch: "In jeder Saison exportieren wir Fische. Wenn das Wasserkraftwerk kommt, dann werden all die Menschen, deren Existenz der Fischfang ist, keine Jobs mehr haben", befürchtet er. "Nach dem Staudamm gibt es keinen Fischfang mehr."

Er meint, fast jeder hier in den Dörfern der Gegend würde dasselbe sagen – zumindest wenn es erlaubt wäre, öffentlich darüber zu sprechen. Aber Laos ist ein kommunistischer Ein-Parteien-Staat. Widerspruch wird hier nicht geduldet. "Was würde passieren, wenn Du Dich öffentlich gegen den Staudamm aussprichst", frage ich. Mit einer kurzen Geste streicht er sich über den Hals. "Wir können nichts machen", sagt er. "Wenn sie etwas tun, dann folgen wir. Wir können nicht Nein sagen."

Ein zweiter umstrittener Damm im Bau

Ein paar hundert Kilometer stromaufwärts gibt es einen weiteren Bau, den Umweltschützer noch weitaus mehr fürchten: den Xayaburi-Staudamm. Im Gegensatz zum Don-Sahang wird dieser – von dem die Regierung behauptet, er sei zu 30 Prozent fertiggestellt - den gesamten Fluss aufstauen.

Bauarbeiten Xayaburi Damm in Laos
Der umstrittene Xayaburi-Staudamm wird bereits gebautBild: DW/M. Sullivan

Jian-Hua Meng, ein Wasserkraft- und Talsperren-Experte des World Wildlife Fund, sagt, der Xayaburi-Staudamm werde ohne wirkliche Kenntnis der Folgen für das Flusssystem gebaut. "Wir erkennen an, dass Laos jedes Recht hat, sich auf seine eigene Art zu entwickeln und dass es keine Beeinflussung von außen darüber geben sollte, was sie zu tun haben und was nicht", sagt Meng. "Aber in Bezug auf die Eindämmung des Mekong haben sie auf die falschen Berater gehört."

"Der Bau von Staudämmen ist nicht dasselbe, wie der Bau von Einkaufszentren oder Flughäfen", sagt Meng: "Wasser bestraft jeden Fehler, vor allem, wenn es um die Fischwanderung geht." Fischpassagen, Fischtreppen, Schleusen - all das hätte sich an anderer Stelle bewährt. Aber nicht auf dem Mekong - dem weltweit reichsten Fanggrund für Fische.

Viele Arten in Gefahr

"Die Wirksamkeit solcher Fischpassagen ist ganz ok, jedenfalls für die europäischen oder nordamerikanischen Flüsse, wo es um wenige Fischarten geht, die uns gut bekannt sind", fügt Meng hinzu: "Aber im Mekong haben wir nicht fünf Fischarten, um die wir uns kümmern müssen, wir haben 70, vielleicht sogar mehr, und wir wissen nichts über sie. Also, etwas zu bauen, damit sie flussaufwärts und - abwärts wandern können, das funktioniert im Moment eher nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum."

Fischereiexperten schätzen, dass wohl mehr als 40 Fischarten durch den Staudamm vom Aussterben bedroht sind, einschließlich des Mekong-Riesenwels, des weltweit größten seiner Art.

Mekong "im Stau" - Irrsinn oder Fortschritt?

Ein weiteres Problem sind die Sedimente, die der Fluss stromabwärts nach Kambodscha und Vietnam - der so genannten Reisschüssel Südostasiens – trägt. Umweltschützer, aber auch Laos´ Nachbarn Kambodscha und Vietnam teilen die Sorge, der Xayaburi könnte den nährstoffreichen Schlamm, der normalerweise seinen Weg flussabwärts findet, zurückhalten und aufstauen. Das würde das sensible Mekong-Delta noch mehr gefährden.

Marc Goichot vom Mekong Programm des World Wildlife Fund meint: "Die Auswirkungen sowohl auf die Fischwanderung als auch auf Sedimentablagerungen sind sehr ernst zu nehmen. Und Anpassungsmaßnahmen konnten bisher nicht untersucht werden, weil uns wichtige Daten fehlen. Es gibt auch keinen Präzedenzfall, weil so etwas an noch keinem großen tropischen Fluss in der Welt gemacht wurde."

Die Regierung bleibt auf Kurs

Aber die Regierung von Laos bleibt weiterhin bei ihrer Linie. In einem scharf formulierten Artikel beschuldigte Viraphonh Viravong, stellvertretender Energieminister von Laos, die Staudammgegner als Panikmacher. Er vertrat sogar die Meinung, dass die Anpassungsmaßnahmen den Fischbestand im Fluss erhöhen würden.

Er betonte auch, Laos habe die Mekong-Nachbarn umfassend über alle Absichten informiert. Doch Kambodscha und Vietnam bleiben skeptisch. So wie die Umweltschützer möchten sie, dass beide Projekte gestoppt werden, bis weitere Erkenntnisse vorliegen. Das benachbarte Thailand, dessen Banken den Xayaburi finanzieren und das von der Stromproduktion stark profitieren wird, schwieg sich bislang weitgehend aus. Marc Goichot vom WWF befürchtet das Schlimmste: "Das Mekong-Delta reagiert sehr empfindlich auf verändernde Sedimentablagerungen. Die Auswirkungen des Xayaburi werden sich schnell zeigen, und sie werden sehr ernst sein, mit sozioökonomischen und möglicherweise massiven weiteren Folgen für Kambodscha und Vietnam."

Der Xayaburi ist fast zur Hälfte fertig. Die Bauarbeiten am Don Sahong, an der Grenze zu Kambodscha, haben gerade erst begonnen. Laos hat weitere Staudämme am Mekong geplant. Und Dutzende weitere an seinen Nebenflüssen. Damit versucht das Land, seinen Traum von der „Batterie Südostasiens" zu realisieren. Die traditionellen fossilen Brennstoffe - Erdöl, Erdgas und Kohle - würden nicht ausreichen, um den Energiebedarf zu decken. Wasserkraft - richtig gemacht - kann ein Teil der Lösung sein. Doch Umweltschützer befürchten, dass keiner der beiden Dämme am Mekong den Ansprüchen gerecht wird.