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Auf Staatsbesuch und beim Bruder

Christoph Strack30. November 2014

Papst Franziskus war während seiner dreitägigen Türkeireise in doppelter Mission unterwegs: auf Staatsbesuch in Ankara und in religiöser Mission in Istanbul. Von dort Christoph Strack.

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Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus (Foto: Reuters/U.Bektas)
Bild: Reuters/U.Bektas

Es waren zwei völlig verschiedene Besuche in zwei völlig verschiedenen Welten. Das zeigen viele Details und der Grundton - in Ankara offizielles Protokoll, in Istanbul die herzliche Atmosphäre der Spitzen getrennter, in früheren Jahrhunderten auch feindlich gesonnener Kirchen. Nun sind sie "Brüder" mit zweitausendjähriger Familiengeschichte.

Die Szenen hätten kaum unterschiedlicher sein können. In Ankara empfing am Flughafen ein kürzlich ernannter Außenminister den Staatsgast aus Rom ohne großes Zeremoniell. Dann ging es in einem VW Passat - ein kleineres Fahrzeug hatten laut Medienberichten die türkischen Verantwortlichen abgelehnt - mit einem Zwischenstopp am Mausoleum des Staatsgründers Kemal Atatürk zum prunkvollen neuen Präsidentenpalast. Schließlich fuhr der Wagen des Papstes umgeben von dutzenden uniformierten Reitern vor dem 1000-Zimmer-Bau vor.

Papst Franziskus und Präsident Erdogan vor der Ehrengarde (Foto: Reuters/U. Bektas)
Offizieller Empfang beim Staatsbesuch in AnkaraBild: Reuters/U. Bektas

Gut 20 Stunden später in Istanbul kam der Ökumenische Patriarch Bartholomäus gleich persönlich zum Flughafen, um den Papst herzlich willkommen zu heißen. Und der fuhr dann in einem deutlich kleineren silbergrauen Renault durch die Straßen der 15-Millionen-Einwohner-Stadt. Um gleich mehrfach den orthodoxen Repräsentanten in dessen Amtssitz zu besuchen - einem unscheinbar wirkenden Komplex mit wenigen dutzend Räumen am "Goldenen Horn", ein Anwesen, das fast untergeht im Häusermeer.

Der ältere Bruder

Franziskus (77) und Bartholomäus (74) sind die Nachfolger der ersten Apostel. Der Papst als Oberhaupt der Westchristen steht in der Tradition des Petrus, des ersten Apostels, der griechisch-orthodoxe Patriarch als Oberhaupt der Ostchristen führt sich auf Andreas zurück, den älteren Bruder des Petrus, den zweiten der Apostel. "Bruder", das ist nun wieder die häufigste Anrede, eher als das ganz offizielle "Eure Heiligkeit". Auch als Bartholomaios und Franziskus, dieser im schlichten weißen Gewand mit leuchtend roter Stola, am Sonntagmorgen zum festlichen Gottesdienst in die Kirche des Patriarchats schreiten. Es ist der Festtag des Heiligen Andreas, ein Hochfest der Orthodoxie. Da wird der Papst, wie Patriarchatssprecher John Chryssavgis nachher sagte, "enthusiastisch" empfangen.

Beide sind Geistliche, die ihre Kirchen zur Rückbesinnung führen wollen. "Die Kirche existiert für die Welt und den Menschen und nicht für sich selbst", sagt Bartholomäus in seiner Predigt. Und es folgen Mahnungen, die man fast wortgleich aus Rom kennt: "die Welt in Überlebensangst"; "Spannungen, Konflikte und Feindschaften, vielleicht sogar im Namen Gottes", die das Überleben der Menschheit gefährden; auch die Forderung nach einer gerechteren Verteilung des Reichtums der Erde, "damit die Menschheit morgen nicht die schlimmste Versklavung erleben muss, die sie je gekannt hat".

Papst Franziskus bei einer ökumenischen Messe (Foto: Reuters/T.Gentile)
Zusammenkunft der ReligionenBild: Reuters/T.Gentile

Am Abend zuvor war Bartholomäus zu Gast bei der offiziellen Messe des katholischen Kirchenoberhaupts, einer Feier mit Geistlichen verschiedener christlicher Konfessionen, übrigens auch evangelischer Kirchen, wie man sie so offiziell selten erlebt. In vielen Sprachen, mit Gesten. Franziskus fordert ein Ende der "Verständnislosigkeiten, Spaltungen und Streitigkeiten" der Kirchen. Diese sollten sich nicht in "Exklusivismen" verschließen, sondern in einer Haltung der Offenheit ihre Verschiedenheit als Reichtum sehen. Sie seien dahin auf dem Weg.

Das Leid der Verfolgung

Die theologische oder auch kirchenpolitische Arbeit an diesem Prozess ist das eine. Bartholomäus lud am Sonntag die katholische Seite zur Teilnahme an einem großen Konzil aller orthodoxen Kirchen im Jahr 2016 in Konstantinopel, also in Istanbul, ein. Und er träumt von einem Treffen aller Kirchen 2025 in Nizäa - dort, wo vor 1700 Jahren, vor der Zeit der diversen großen Kirchenspaltungen, die Kirche zusammenkam.

Das andere ist das gegenwärtige Leid der Minderheiten, vielfach der Christen, vor dem Terror in Syrien, dem Irak und weiteren Ländern der Region. Beide, Papst und Patriarch, drängten da auf mehr weltweite Unterstützung. Und Franziskus bekräftigte das Plädoyer für ein gewaltsames Vorgehen "in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht", um Terror, um "ungerechte Angreifer zu stoppen".

Erdogans Engagement

Das Thema führt dann doch zurück nach Ankara, in den Präsidentenpalast. 30 Minuten sprachen Papst und Präsident Recep Tayyib Erdogan unter vier Augen, noch mal so lang im Kreise ihrer Begleiter. Franziskus lobte die "Großzügigkeit der Türkei" bei der Hilfe für gewiss zwei Millionen Flüchtlinge - Hilfe, bei der sich auch die internationale Gemeinschaft engagieren müsse. Auch die Mahnung, Religions- und Meinungsfreiheit in der Türkei zu achten, folgte. Den meisten Positionen des Papstes, so Erdogan, stimme er zu. Und er bat darum, Gewalt nicht mit Intoleranz und Terrorismus gleichzusetzen.

Auch in diesen Tagen appellierte Franziskus an die islamischen Autoritäten, jede Gewalt im Namen von Religion zu verurteilen. Die Türkei könne eine Brücke sein im Dialog zu den Muslimen.

Solche Worte kamen an auf türkischer Seite, wie auch eine Geste. Gleich nach seiner Ankunft in Istanbul fuhr Franziskus - vom Programmplan abweichend - zur prächtigen Blauen Moschee. Auch seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt waren hier. Anders als sie faltete er während des Austauschs mit Großmufti Rahmi Yaren die Hände, schloss die Augen. Für knapp zwei Minuten. Der Großmufti betete da gen Mekka, der Papst verbeugte sich vielleicht gen Jerusalem. Das ist von Istanbul aus dieselbe Richtung.

Die Szene beeindruckte viele Türken. Gewiss, Franziskus spielte in der Metropole keine öffentliche Rolle, er sorgte gelegentlich nur für noch mehr Staus. Und vor der Hagia Sophia bekamen eher Touristen aus Asien und Italien als Einheimische einen Blick auf das Kirchenoberhaupt. Schade, sagte eine der Aufpasserinnen in dem heutigen Museumsbau nach dem Besuch des Papstes. Auch sie seien nicht zugelassen gewesen, allein Polizei. Und gesehen hätte sie ihn schon gerne.

Wer weiß, ob Franziskus noch mal vorbeischaut am Bosporus. Er hat da jetzt einen Bruder.