1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schulden-Profis

Klaus Ulrich19. September 2012

Die Schulden Deutschlands haben die Billionen-Grenze längst überschritten. Aufgeschüttet und verwaltet wird der Schuldenberg von der Finanzagentur, die mit viel Zurückhaltung ihren Geschäften nachgeht.

https://p.dw.com/p/IozI
Schild Finanzagentur GmbH Deutschland
Bild: Deutsche Finanzagentur
Außenaufnahme des Unternehmenssitzes
Nüchtern und sachlich: In diesem Gebäude ist die Finanzagentur untergebrachtBild: Deutsche Finanzagentur

Sie hat ihren Sitz am Finanzplatz Frankfurt. Nicht jedoch in einem der repräsentativen Bankentürme, die die Skyline der Mainmetropole prägen. Die deutsche Finanzagentur ist viel bescheidener untergebracht: In einem nüchternen Bürogebäude am nördlichen Stadtrand. Zurückhaltung ist angesagt bei diesem staatseigenen Dienstleister, dessen wichtigste Aufgaben Geschäftsführer Carl Heinz Daube mit den Worten beschreibt: "Wir organisieren die Kreditaufnahme und Kassenfinanzierung für den Bundeshaushalt und managen das gesamte Schuldenportfolio des Bund." Ziel dabei sei es, möglichst günstige Kredite für den Bund als einzigen Gesellschafter der Finanzagentur zu besorgen und damit die Kosten für die Kreditaufnahme stetig zu senken.

Gebotene Sensibilität

Geschäftsführer Dr. Carl Heinz Daube
PR-Mann für Staatspapiere: Dr. Carl Heinz Daube, einer der beiden GeschäftsführerBild: Deutsche Finanzagentur

Daube ist Vollblut-Banker - und redet im entsprechenden Jargon. Seine Agentur ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Normalerweise werkelt man dort still und leise vor sich hin, ohne dass die breite Öffentlichkeit Notiz davon nimmt. Doch in Zeiten explodierender Staatsschulden steigt auch das Interesse der Medien. Dann geraten die Finanzagentur und ihre rund 350 Mitarbeiter in die Schlagzeilen: "Schuldenmacher der Nation" wurde bereits reißerisch getextet oder auch "Merkels Dispo", als würde die Agentur das private Giro-Konto der Bundeskanzlerin verwalten. Carl Heinz Daube reagiert auf diese Art der Publicity äußerst reserviert: "Wir sind Vollprofis und müssen es nicht jeden Tag auf die Titelseiten schaffen, nur weil wir immer größere Summen zu refinanzieren haben. Wir erledigen unsere Aufgaben lieber zurückhaltend und mit der gebotenen Sensibilität."

Wertpapier-Auktionen

An manchen Tagen werden bis zu zweistellige Milliarden-Beträge von der Finanzagentur bewegt. Immer Montags und Mittwochs laufen die Auktionen: Versteigert werden festverzinsliche Wertpiere des Bundes im Wert von zig Milliarden Euro. Zwischen acht und elf Uhr 30 am Vormittag laufen die Gebote ein. Aufgrund dieser Gebote erfolgt die Preisfeststellung und es gibt die entsprechenden Zuschläge. Die Bieter gehören einem Kreis von zurzeit 39 internationalen Banken an. Alle diese Geldhäuser sind handverlesen. Sie müssennachweisen, dass sie regelmäßig Bundeswertpapiere kaufen wollen und sich den strengen Regelungen der deutschen Bankenaufsicht stellen. Dazu gehört, dass sie einen Standort oder eine Filiale in der Bundesrepublik unterhalten.

Es geht um stolze Summen: Organisierte die Finanzagentur in den Jahren bis 2008 noch eine Kreditaufnahme von jeweils rund 220 Milliarden Euro, so waren es im letzten Jahr rund 283 Milliarden Euro und für 2012 ist eine Kreditaufnahme von bis zu 267 Milliarden Euro geplant. Gingen 2008 noch rund 37 Wertpapier-Auktionen über die Bühne, so gab es im letzten Jahr 68 Wertpapier-Auktionen und im laufenden Jahr werde es wohl eine ähnlich große Anzahl geben, heißt es von der Finanzagentur.

Die Hessische Schuldenuhr, aufgenommen am Dienstag (26.10.2010) in der Zentrale des hessischen Steuerzahlerbundes in Wiesbaden. Foto: dpa
Die hessische Schuldenuhr zeigt nur einen Teil der Schulden DeutschlandsBild: picture-alliance/dpa

Mit großen, institutionellen Anlegern bestreitet die Finanzagentur den weitaus größten Teil ihres Geschäftsvolumens. Aber als die weltweite Finanzkrise im Herbst 2008 mit drohenden Pleiten und Zusammenbrüchen großer Banken ihren Höhepunkt erreichte, setzte ein wahrer Ansturm privater Kleinanleger auf die staatlich garantierten Wertpapiere ein. Daube musste in seinem Team Personal umsetzen und externe Aushilfen für die Telefonzentrale einstellen. "Bloß beim besten Willen", erinnert sich der Geschäftsführer, "40.000 Anrufe an einem Tag sind nicht zu bewältigen. Das ist aber doch innerhalb von recht kurzer Zeit aufgearbeitet worden. Ich glaube, die Kunden sind alle zufrieden gewesen damals, dass sie doch relativ zeitnah bedient werden konnten."

Riesige Löcher auch in Zukunft

Der direkte Erwerb von Produkten nur für Privatkunden bei der Finanzagentur wird aber Ende 2012 eingestellt. Dafür weitet sich das Kerngeschäft immer weiter aus. Das Schuldenmanagement bleibt wegen der immer noch ansteigenden Gesamtverschuldung anspruchsvoll. "Alle Staaten in Europa tätigen doch eine deutlich sichtbare Kreditaufnahme", unterstreicht Daube dazu. "Die Nachfrage von Bundeswertpapieren hat auch trotz rekordniedriger Renditen für Bundesanleihen nicht nachgelassen." Sorgen braucht sich der Chef der Bundesfinanzagentur auch nicht darüber zu machen, dass ihm eines Tages die Arbeit ausgehen könnte: Die Finanzkrise wird nach aktuellen Prognosen weiterhin riesige Löcher in die Staatsfinanzen reißen.