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Banken-Ausverkauf auf Zypern

Rayna Breuer23. September 2013

Das Blatt hat sich gewendet: Viele Gläubiger und Großsparer, die im Zuge der Rettung der Banken auf Zypern Vermögen verloren haben, wurden über Nacht Anteilseigner. Gewinner sind am Ende vor allem die Russen.

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1427909 Cyprus, Nicosia. 03/28/2013 The door of a bank in Nicosia. Cypriot banks reopened for the first time in two weeks, while restrictions on capital movements have been imposed. Vladimir Astapkovich/RIA Novosti pixel
Bild: picture-alliance/dpa

30 Grad und viel Sonne versüßen den Herbstbeginn. Eine lange Strandpromenade, exklusive Restaurants und Luxushotels, Palmen soweit das Auge reicht. Limassol ist die Hafenmetropole in der Bucht von Akrotiri und die zweitgrößte Stadt auf Zypern - wo der Tourismus boomt und die Geschäfte ebenso. Denn Limassol ist auch das Finanzzentrum von Zypern. Viele Offshore-Firmen sind dort ansässig. Unternehmerfreundliche Verwaltung, niedrige Steuersätze und ein gutes Investitionsklima locken Anleger an: "Zypern ist wohlwollend gegenüber ausländischen Investoren. Anleger aus der ganzen Welt, ob aus Süd- oder Westeuropa, Afrika oder Asien, legen hier ihr Geld an", sagt Michael Sobolev, ein russischer Finanzberater aus Nikosia.

Hyperinflation, steigende Steuern und ein unsicheres Rechtssystem in Russland der 1990er Jahre veranlasste auch viele Russen, sich in großem Umfang auf Zypern zu engagieren. Heute gehören sie zu den größten Investoren auf der Insel. "Russische Investoren waren nicht überall willkommen. Auf Zypern ist es anders, Russen sind hier gern gesehen." Nicht nur die vorteilhaften Investitionsmöglichkeiten spielen eine Rolle, auch die geografische Lage scheint die Attraktivität der Insel zu steigern: "Russische Unternehmer sehen Zypern als ein Sprungbrett in andere Märkten - zum Beispiel in Afrika, Europa und Asien", so Sobolev.

Doch für einen Moment schien das Finanzparadies zu bröckeln. Für kurze Zeit verloren die Russen den Boden unter den Füßen.

Eine Luxusyacht mit russischer Flagge in der zypriotischen Stadt Limassol zu sehen. Foto: dpa
Eine von zahlreichen russischen Yachten im Hafen von LimassolBild: picture-alliance/dpa

Der andere Weg

Am 25. Juni 2012 stellte Zypern einen Antrag auf finanzielle Unterstützung: Bereits zu diesem Zeitpunkt waren die zwei größten Banken des Landes stark unterfinanziert. Die Hilfe kam knapp ein Jahr später. Insgesamt zehn Milliarden Euro wurden dem kleinen Inselstaat zugesichert - von 2013 bis 2016 soll das Geld in elf Tranchen fließen. Doch im Gegenzug erwarten die Geldgeber, namentlich die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank neben den üblichen Reformen - Stellenstreichungen, Ausgabenkürzungen und Erhöhungen der Unternehmenssteuer - auch unübliche Maßnahmen. Darunter: die Beteiligung von Gläubigern an der Rettung der Bank of Cyprus - ein sogenannter Bail-in - und die Abwicklung der Laiki Bank, der zweitgrößten Bank des Landes. Jener Banken also, die noch 2011 den Stresstest durch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde erfolgreich bestanden haben.

"Es wurde klar gemacht, dass die Situation auf Zypern eine besondere war, die außergewöhnliche Maßnahmen erforderte", schreibt die EU-Kommission auf eine Anfrage der DW. "Bail-in" heißt die außergewöhnliche Maßnahme, für die es selbst innerhalb der EU keine Rechtsgrundlage zu dem Zeitpunkt gegeben hat. Derzeit diskutieren EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedstaaten über eine rechtliche Anwendung für Bail-ins in der EU, die erst 2018 in Kraft treten soll.

Im Zuge des Bail-ins haben Sparer und Gläubiger auf Zypern Vermögen verloren. Vor allem russische Investoren hat diese außergewöhnliche Maßnahme hart getroffen. "Russland hatte Zypern (im Jahr 2011, Anm. d. Red.) mit einem Kredit ausgeholfen. In den Augen vieler hat Russland somit zur Stabilisierung der zyprischen Wirtschaft beigetragen. Der Schritt der Troika hat russischen Unternehmerinteressen geschadet, was negative Reaktionen hervorgerufen hat", sagt Yaroslav Lissovolik von der Deutschen Bank in Moskau. Doch aus den vermeintlich größten Verlierern könnten am Ende die größten Gewinner werden - denn die Macher des Bail-ins haben etwas übersehen oder nicht sehen wollen.

Ironie des Schicksals

Sofronis Clerides - Wirtschaftsprofessor/Bankenexperte - Universität Zypern Copyright: Sofronis Clerides
Sofronis Clerides, Wirtschaftsprofessor an der Universität ZypernBild: Clerides

"Als entschieden wurde, dass die Bank of Cyprus durch Bail-in gerettet wird, war es doch offensichtlich, dass die Menschen, die ihre Spareinlagen verloren haben, Aktien als Gegenleistung bekommen werden. Das ist typisch bei einem Bail-in“, sagt Sofronis Clerides, Wirtschaftsexperte an der Universität Zypern. "Die Entscheidung für einen Bail-in war merkwürdig, denn der eigentliche Grund war, die großen russischen Geldanlagen für die Rettung der Banken heranzuziehen - und nicht den Steuerzahler. Aber das Ergebnis war, dass dieselben russischen Oligarchen jetzt Anteilseigner der Bank wurden. Welch eine Ironie. Ich frage mich, ob die Befürworter des Bail-ins das von Beginn an bedacht haben. Das war eigentlich abzusehen", sagt Clerides.

Fast 50 Prozent der Einlagen von Großinvestoren bei der Bank of Cyprus wurden in Aktien umgewandelt, der Rest unterliegt weiteren Kapitalkontrollen. Zwischen 50 und 60 Prozent aller Aktien der Bank of Cyprus sind laut Medienberichten in russischer Hand. Sechs der 16 Mitglieder des neu gewählten Board of Directors (Verwaltungsrats) der Bank of Cyprus sind Russen - darunter Vladimar Strzhalkovskiy, ehemaliger Vorstand des russischen Nickelproduzenten Norilsk Nickel und Ex-KGB-Kollege von Vladimir Putin. "Sie (die Troika, Anm. d. R.) wollte die Russen rauswerfen, aber am Ende haben sie unsere größte Bank den Russen geliefert", zitiert die "New York Times" den zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades.

Zypern - ein braver Schüler

Mit der Wahl des neuen Board of Directors erhoffen sich viele Experten eine Normalisierung der Bank of Cyprus und Rückkehr zum alltäglichen Geschäft - mit oder ohne Russen. "Wir haben immer noch Kapitalkontrollen, man kann sich keine langfristigen Spareinlagen auszahlen lassen. Sogar wenn man Geld ins Ausland überweisen möchte, braucht man eine Erlaubnis. Oder wenn man seine Wohnung renovieren möchte, muss man versichern, dass man das Geld wirklich für die Renovierung braucht und nicht das Geld ins Ausland bringen möchte", erklärt Sofronis Clerides von der Universität Zypern. Die neuen Direktoren müssten jetzt Entscheidungen treffen und die Bank wieder ihre regulären Geschäfte aufnehmen lassen - nämlich Geld an die Wirtschaft leihen.

Clerides ist zuversichtlich, dass Zypern auf dem richtigen Weg ist: Reformen seien vorangetrieben, Sparmaßnahmen umgesetzt. "Aber es ist leicht, die Steuern zu erhöhen oder die Einkommen zu senken. Vor uns stehen größere Herausforderungen - wie zum Beispiel die Reform des öffentlichen Sektors und die Privatisierung. Das wird schwierig."

Aber auch nicht unmöglich, denn - so scheint es zumindest - die Menschen sehen keinen anderen Ausweg außer dem Plan zu folgen. "Die Menschen hier auf Zypern haben viel mehr verloren als in Griechenland, sie haben Vermögen verloren, lang Erspartes oder Unternehmenskapital. Aber sie gehen nicht demonstrieren wie in Griechenland. Sie verhalten sich ruhig, und das schafft gute Voraussetzungen für die Reformen, die derzeit so wichtig für den zyprischen Staat sind", sagt Sofronis Clerides.