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Die Rolle der Hisbollah in der libanesischen Regierung

Peter Philipp18. Juli 2006

Eine Entspannung der Situation im Nahen Osten ist nicht in Sicht. Ehud Olmert will die Offensive erst beenden, wenn die Hisbollah entwaffnet sei. Doch so einfach ist die Hisbollah nicht zu entmachten, sagen Beobachter.

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Der libanesische Präsident Emile Lahoud - unter Einfluss SyriensBild: AP

"Ich glaube, es ist eine ausgezeichnete Sache, dass die Hisbollah in dieser Regierung vertreten ist. Das ist eine natürliche Sache. Sie ist Teil des Landes und hat deswegen ein Recht, in dieser Regierung vertreten zu sein". Mit diesen Worten rechtfertigte der neu gewählte libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora am 19. Juli 2005 seinen Entschluss, einen Vertreter der radikal-islamischen Schiiten-Organisation Hisbollah zu einem seiner 24 Minister zu ernennen: Der Abgeordnete Mohammed Fneish erhielt als Energieminister das Ressort "Elektrizität und hydraulische Ressourcen", während Tarrad Hamadeh, ein Hisbollah-Verbündeter, Arbeitsminister wurde.

Beirut Libanon Ein Kämpfer der Hisbollah nahe einer Explosion die als Absturzstelle einer israelischen Militärmaschine in Farge kommen könnte
Die Hisbollah-Milliz auch in der libaneischen Regierung vertretenBild: AP

Der Bankier und ehemalige Finanzminister Fuad Siniora hatte Ende Juni 2005 von Präsident Emile Lahoud den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, nachdem Vorgänger Karami in der Folge der Ermordung des früheren Regierungschefs Rafiq Hariri am 14. Februar 2005 seinen Rücktritt eingereicht hatte. Wie im Libanon Brauch, ist der neue Premier ein Sunnit, im Gegensatz zu früheren Regierungen steht er aber einem Kabinett vor, das sich nicht in erster Linie aus Vertretern der traditionellen Familien und Clans des Landes zusammensetzt, sondern aus Technokraten - wie er selbst.

Präsident Lahoud - eine Marionette Syriens?

Es war nicht leicht gewesen, diese Regierung zu bilden. Denn schon vor der Ermordung Rafiq Hariris hatten sich die politischen Lager im Libanon mehr polarisiert als in der Vergangenheit. Im Zentrum der Kritik stand der christliche Präsident Emile Lahoud, der als Marionette der Syrer betrachtet und angefeindet wurde: Um seinen Einfluss im Libanon zu vertiefen, hatte Damaskus sogar die Verfassung ändern lassen, damit Lahouds Amtszeit verlängert werden konnte.

Zu den Kritikern an diesem Vorgehen gehörte Rafiq Hariri und dies trug sicher mit dazu bei, dass er ermordet wurde. Auf jeden Fall steht für viele fest - obwohl es bisher unbewiesen blieb - , dass Syrien hinter dem Anschlag steckte. In der Folge solidarisierten sich die Massen gegen Syrien, das schließlich seine langjährige Präsenz im Libanon beenden musste. Lahoud aber blieb bis heute im Amt.

Libanon Porträt von Rafiq Hariri
Hariris Tod ist noch immer nicht aufgeklärtBild: AP

Und Lahoud kann jedem Regierungschef das Leben schwer machen: Der Präsident muss Gesetzentwürfe und andere wichtige Entscheidungen annehmen. Damit kann er die Arbeit der Regierung lähmen und blockieren.

Siniora soll Hariris Kurs wiederaufnehmen

Dies war wohl einer der wichtigsten Gründe, als Regierungschef nicht Saad Hariri zu benennen - den Sohn des Ermordeten - , sondern Fuad Siniora. Er war zwar eng mit Rafiq Hariri verbunden gewesen, aber eben doch nicht so eng mit der "Zukunfts-Bewegung" Saad Hariris verquickt und galt in erster Linie als Wirtschaftsfachmann. Etwas, was der Libanon dringend brauchte. 126 der 128 Abgeordneten stimmten für Siniora. Sie hofften offenbar alle, dass der Neue die erfolgreiche Reform- und Sanierungspolitik Rafiq Hariris wieder aufnehmen würde, die er als Finanzminister ja mitgetragen hatte.

Libanesischer Premier Minister Fuad Siniora
Der libanesische Premier Fuad Siniora - Hoffnung auf ReformenBild: picture-alliance

Solch eine Mehrheit beruhte aber sicher auch darauf, dass Siniora zugesagt hatte, praktisch alle relevanten politischen Gruppierungen des Landes in seinem Kabinett zu berücksichtigen, das sich aus zwölf Christen und zwölf Muslimen zusammensetzt.

Selbst die Hisbollah in der Regierung vertreten

Die einzigen, die unberücksichtigt blieben, waren die Anhänger von Michel Aoun, einem christlichen Ex-General, der 1989 vorübergehend amtierender Präsident wurde und einen erfolglosen Aufstand gegen die Syrer anführte. Aoun war kurz vor den Parlamentswahlen des letzten Jahres nach fast zwei Jahrzehnten Pariser Exil in den Libanon zurückgekehrt. Bei den Wahlen errang er immerhin 21 der 128 Mandate und seine Nicht-Berücksichtigung bei der Regierungsbildung löste scharfe Proteste unter traditionellen Kräften der Maroniten aus. Selbst Präsident Lahoud versuchte aber, Aoun ins Kabinett zu "boxen" - wenn auch vielleicht mehr deswegen, weil der Ex-General begonnen hatte, nach dem Amt des Staatspräsidenten zu schielen.

Der Hauptgrund für Ministerpräsident Siniora, außer Aoun alle anderen politischen Gruppierungen zu berücksichtigen, lag in erster Linie darin, dass er eine nationale Aussöhnung ermöglichen und die Kritikmöglichkeiten an seiner Regierung so gering wie möglich halten wollte. Aus diesem Grund entschloss er sich auch, Hisbollah ins Kabinett aufzunehmen, obwohl ihm klar sein musste, dass diese Bewegung wie ein "Staat im Staat" operieren und sich der Zentralregierung nicht unterzuordnen bereit sein würde.

Die Hisbollah lebt von dem selbst erfundenen Ruf, Israel vor sechs Jahren aus dem Libanon vertrieben zu haben. Ihre massive Unterstützung durch Syrien und Iran macht sie im Libanon zu einem Machtfaktor, den man besser in die Regierung holt, weil man gegen ihn hilflos ist.