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Die riskante Jagd nach Öl und Gas

Klaus Jansen28. März 2013

Klassische Erdöl- und Erdgas-Vorkommen gehen zur Neige. Deshalb rücken alternative Fördermöglichkeiten in den Fokus: Fracking oder die Ausbeutung von Teersanden. Doch das ist mit hohen Umweltrisiken verbunden.

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Der Bohrturm einer US-Ölförderplattform, die nach dem Prinzip des «Fracking» arbeitet (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Statistikbehörde des Energieministerium in Washington jubelt: Sie geht davon aus, dass Nordamerika bis Ende des Jahres mehr Öl selbst fördern als einführen wird. Damit wären die USA zumindest zeitweise unabhängig von Importen aus politisch schwierigen Regionen wie dem Nahen Osten. Der Grund für den Boom im eigenen Land: Die verstärkte Nutzung von "Fracking" - zu Deutsch in etwa "Aufbrechen".

Mit dieser Technik wird meist Erdgas, aber auch Erdöl mit hohem Druck aus Gesteinsschichten gepresst. In relativ großen Tiefen und in lockerem Gestein ist dieses Verfahren relativ einfach durchzuführen und wird schon seit vielen Jahren angewandt. In höher liegendem härteren Gestein ist die Förderung dagegen aufwändiger und deutlich umstrittener.

Infografik Erdgasgewinnung durch Fracking (Quelle: DW)

Wo liegen die Risiken beim Fracking?

Um das Gas aus aus diesem Gestein zu lösen, sind Wasser, Sand und Chemikalien nötig. "Der Einsatz von Chemikalien lässt sich im Augenblick nicht vermeiden", sagt Miriam Strauch vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG). Einige dieser Stoffe seien zwar nicht besonders umweltfreundlich, verdünnt mit dem eingeleiteten Wasser seien sie aber weder giftig noch umweltgefährlich. "Das gefährdet das Trinkwasser ähnlich wie Salz auf der Straße oder das Abwasser eines Geschirrspülers", so Strauch im DW-Gespräch. Zudem werde sichergestellt, dass das eingeleitete Wasser keinen Kontakt zum Trinkwasser bekomme.

Christoph von Lieven zweifelt das an. Der Greenpeace-Experte meint im DW-Interview: "Fracking macht nur dann Sinn, wenn man sagt: Scheiß auf die Umwelt." Genau das hätten die USA unter der Bush-Regierung im Jahr 2005 getan. Damals seien die Gesetze zum Gewässerschutz für das Fracking außer Kraft gesetzt worden. Die Technologie sei in der Folge deutlich billiger geworden, weil Umwelt- und Wasserschutz-Richtlinien kaum noch eine Rolle gespielt hätten. Ein weiteres Problem des Fracking ist nach Einschätzung des Umweltschützers, dass bei der Förderung viel Methan freigesetzt wird. "Methan ist etwa 23 Mal klimaschädlicher als CO2, die Klimabilanz des gefrackten Gases ist etwa so schlecht, als wenn man direkt Kohle verbrennen würde."

Christoph von Lieven, Greenpeace (Foto: Greenpeace)
Greenpeace-Experte Christoph von LievenBild: Axel Kirchhof/Greenpeace

Wo liegen die Chancen?

Stefan Leunig, Pressesprecher des größten deutschen Erdöl- und Ergasproduzenten Wintershall, sieht die Pläne für die Schiefergas-Gewinnung in Deutschland noch ganz am Anfang. Er verspricht aber deutlich höhere Umweltstandards als in den USA, sollte die Produktion in Deutschland anlaufen. "Wir müssen einen Bohrplatz praktisch so anlegen wie eine Tankstelle, mit Auffangtanks, damit keine Flüssigkeit abfließen kann." Einen Vergleich mit den USA lehnt Leunig im Gespräch mit der Deutschen Welle deshalb ab.

Ob sich Fracking weltweit wirklich langfristig lohnen wird, ist unklar. Eine neue Studie der "Energy Watch Group" geht davon aus, dass Fracking nur "kurzzeitig einen deutlichen Förderbeitrag in den USA" liefern wird, so Werner Zittel, einer der Autoren. Die Technologie werde überschätzt, das Fördermaximum sei schon bald erreicht.

Wie schädlich sind Teersande?

Ähnlich umstritten ist die Ausbeutung von Teersand, einer Mischung aus Sand, Wasser und Bitumen, einem natürlich vorkommendem, klebrig-teerigen Kohlenstoffgemisch. "Es sieht dort fast so aus wie beim Braunkohle-Tagebau", beschreibt Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz den Abbau von Teersanden in den Wäldern von Kanada. "Man muss dies großflächig betreiben und richtet so enorme Umweltschäden an." Zudem stünden Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis, sagt die Umwelt-Expertin der DW. "Um geringe Mengen von Öl auszupressen, bedarf es eines riesigen Energieaufwands."

Die Europäische Union sieht diese alternative Fördermethode für Öl ebenfalls skeptisch. Dort wird weiterhin über ein Importverbot von Öl aus Teersanden nachgedacht. Mit gutem Grund, wie Greenpeace-Experte Christoph von Lieven meint. "Beim Auspressen werden riesige Mengen von Giftstoffen frei wie Schwefel, Quecksilber oder Arsen. In Kanada gibt es dadurch stark umweltschädlichen sauren Regen." Zudem würden jeden Tag 500 Millionen Liter giftige Abwässer in Bodensenken geleitet, so Lieven weiter. Von diesen "Giftseen" gelangten Schadstoffe dann in die Luft und ins Grundwasser.

Teersand-Abbau in Kanada (Foto: AP)
In Kanada wird Teersand abgebaut - aber der Bau einer Pipeline, die das daraus gewonnene Öl an die Westküste der USA befördern soll, ist wegen möglicher Umweltschäden umstrittenBild: ddp images/AP Photo/Jeff McIntosh

Teersand kann auch abgebaut werden, indem Rohre in die Abbau-Schicht geführt werden. Heißer Wasserdampf sorgt dann dafür, dass der Teersand abgesaugt werden kann. Aber auch diese Methode ist sehr energieintensiv. Schätzungen gehen davon aus, dass bei beiden Methoden etwa ein Drittel mehr Treibhausgase freigesetzt werden als bei herkömmlichen Fördermethoden.

Tiefsee- und Polar-Bohrungen

Auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern dringen Energiekonzerne mittlerweile in Bereiche vor, die noch vor Jahrzehnten unerreichbar waren. So will zum Beispiel Brasilien in der Tiefsee vor der eigenen Küste nach Öl bohren. In der Arktis sind die Konzerne dagegen bisher an den widrigen Wetterbedingungen und am logistischen und finanziellen Aufwand gescheitert. Eine Havarie in diesen Breiten hätte zudem unberechenbare Folgen für die Natur.

Selbst die Explosion der BP-Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 mitten im Golf von Mexiko habe gezeigt, dass die Ölindustrie "an den Grenzen des technisch Machbaren arbeitet", so Werner Zittel in der neuen Studie der "Energy Watch Group". Und von Lieven ergänzt: "Es ist extrem schwer überall dort, wo man mit Tauchern nicht mehr runter kann, im Falle eines Unfalls noch etwas auszurichten. Und keiner der Ölkonzerne ist darauf wirklich vorbereitet." Greenpeace lehnt deshalb Bohrungen ab, die in mehr als 200 Metern Wassertiefe liegen.

Brand der Plattform Deepwater Horizon (Foto: Getty)
Brand der Plattform Deepwater HorizonBild: U.S. Navy via Getty Images

Lagerstätten- Ausbeute

Eine weitere Möglichkeit wäre, bestehende herkömmliche Ölfelder besser auszubeuten. Das geschieht bereits mit Hilfe von Wasser oder Dampf, die in die Lagerstätten gepresst werden. Üblicherweise bekomme man aus einer Lagerstätte nur 30 bis 35 Prozent des Öls heraus, meint Stefan Leunig von Wintershall. "Wir versuchen, bis zu 50 Prozent aus einer Lagerstätte zu fördern." Das solle auch mit neuen Techniken wie Wasserverdickungsmitteln, sogenannten Biopolymeren, geschehen. Diese Ansätze würden bereits erforscht.

Welche Technik oder welche Kombinationen daraus sich schließlich durchsetzen werden, hängt stark von der Nachfrage ab. Der globale Energiehunger wächst weiter. Wenn die Nachfrage steigt, können auch teure Fördermethoden lukrativ werden. Mit jeder Tonne CO2, die durch die Verbrennung von Öl und Gas in die Atmosphäre gelangt, beschleunigt sich allerdings die Klimaerwärmung.

Die Vereinten Nationen kämpfen dafür, dass die globale Erwärmung nicht mehr als zwei Grad beträgt. Einige Wissenschaftler halten bereits diesen Wert langfristig für eine Katastrophe. Bis diese Marke erreicht wird, dürften laut Greenpeace bis zur Mitte des Jahrhunderts 565 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Die fossile Energie, die wir bis dahin nach gegenwärtiger Planung verbrauchen werden, ergebe aber einen fünf Mal höheren Wert.