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Energie durch Wasser

4. Mai 2009

Bis 2010 will Lettland 40 Prozent seines Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien decken. Einen kleinen Teil davon soll die "kleine Wasserkraft" ausmachen. Orvils Hennings gehörte zu den Wasserkraftwerk-Pionieren.

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Der Lette Orvils Hennings vor Zahnrädern in seiner Mühle (Birgit Johannsmeier/2009)
In der eigenen Mühle: Der Lette Orvils Hennings begutachtet die Zahnrädern im InnerenBild: Birgit Johannsmeier

Täglich schreitet Orvils Hennings das Staubecken des Berzeflusses ab, um die Schleuse von Gräsern und kleinen Ästen zu befreien. Orvils Hennings ist 63 Jahre alt, trägt eine derbe Jacke und hat sein weißes Haar unter einer dunklen Schirmmütze versteckt. Seinem gepflegten Äußeren sieht man gleich an, dass er viel Zeit am Schreibtisch verbringt. Der kräftige Händedruck verrät allerdings, dass er auch gerne selbst Hand anlegt. Orvils Hennings ist gelernter Ingenieur. Aber seit Lettland seine Unabhängigkeit erhielt, ist er ganz in der Nähe der Hauptstadt Riga Stromproduzent geworden.

Familientradition ins Heute geführt

Das kleine Wasserwerk von Orvils Hennings (Birgit Johannsmeier/2009)
Das kleine Wasserwerk von Orvils HenningsBild: Birgit Johannsmeier

Das kleine Wasserkraftwerk hätten seine Urgroßeltern 1924 gekauft und dann sehr schnell eine Mühle zum Kornmahlen integriert, erzählt er. Er selbst habe das Wasserwerk 1991 bekommen. „Die Kommunisten haben es bis in die 70er-Jahre betrieben“, erzählt er, „aber als Enkel der ehemaligen Besitzer durfte ich die Anlage damals nicht betreten. Als ich es zurückbekam, war alles völlig verwahrlost.“ Die Turbinen hätten jahrelang im Schlamm gelegen. Er habe das Wasserkraftwerk wieder aufgebaut und sei dann ins Stromgeschäft eingestiegen.

Heute treibt das geschleuste Wasser des Berzeflusses wieder eine Turbine an, die sowohl die Getreidemühle in Gang setzt, als auch Strom generiert. In mühsamer Kleinarbeit hat Orvils Hennings Kraftwerk und Mühle aus Ruinen wieder aufgebaut. Turbinen und Generator hat er mit Hilfe eines Schulbuchs aus den 30er-Jahren repariert, bei den Mühlsteinen hat ihn ein alter Müller unterstützt. Mit Erfolg: Heute verdient Orvils Hennings mit dem Strom, den das Wasserkraftwerk erzeugt, gutes Geld. Und nebenbei kommen die Bauern der Umgebung wieder zum Kornmahlen.

Strom aus der Mühle ins staatliche Netz

Stromkasten in Lettland (Birgit Johannsmeier/2009)
Der Strom aus der "Kleinen Wasserkraft" wird ins staatliche Netz eingespeistBild: Birgit Johannsmeier

Er speise den Strom ins staatliche Netz ein, erzählt er, die Menge, die er produziere, reiche für etwa 60 Haushalte. In den ersten Jahren sei das „ein hervorragendes Geschäft“ gewesen. „Der lettische Staat zahlte uns kleinen Stromproduzenten einen besonderen Preis: Wir erhielten das Doppelte dessen, was üblich war“, so Hennings. Mit den Einnahmen habe er auch die Mühle renovieren können – sogar mit einem neuen Dach.

Nach Lettlands Unabhängigkeit von der damaligen Sowjetunion wollte das Land auch energiepolitisch auf eigenen Beinen stehen und sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas und Erdöl befreien. Deshalb regte der Staat die Renovierung der kleinen Wasserkraftwerke an und vergütete bis zum Jahr 2002 jede eingespeiste Kilowattstunde mit dem doppelten Stromtarif.

Vor der roten Backsteinmühle von Orvils Hennings steht ein kleiner grauer Verteilerkasten, über den der Strom in das staatliche Netz eingespeist wird.

In Lettland sind inzwischen 149 kleine Wasserkraftwerke, wie das von Orvils Hennings, in Betrieb.

Auf der Suche nach Alternativen

Eine beachtliche Zahl meint Valdis Bisters, der im Umweltministerium Strategien für eine rentable Energiepolitik entwirft. Allerdings sei man mit dem Projekt auch schnell an seine Grenze gestoßen, denn die kleine Wasserkraft decke gerade mal zwei Prozent des lettischen Strombedarfs. Die Erfahrung gemacht zu haben, sei wichtig, sagt Valdis Bisters. Jetzt ginge es aber darum, weitere Alternativen zu entwickeln. "Die kleine Wasserkraft war eine gute Idee, wenn man bedenkt, wie viele Flüsse durch Lettland fließen. Aber niemand hatte die teuren Umweltauflagen für die Fische bedacht“. Mit moderner Technik könne man die Produktivität der kleinen Wasserkraft zwar noch um rund 20 Prozent erhöhen, aber man sehe seine Zukunft jetzt doch eher im Bereich der Bioenergie, beim Holz. Immerhin habe sich Lettland verpflichtet, den Anteil der erneuerbaren Energien am Verbrauch bis zum Jahr 2010 auf 40 Prozent zu erhöhen, so Bisters.

Orvils Hennings wird in Zukunft nicht nur auf Wasserkraft setzen. Er ist dabei, sich auch andere Einkommensquellen zu erschließen. Er denkt vor allem an den Tourismus. Das Grundstück, auf dem sein Kraftwerk und die Mühle stehen, sei 900 Quadratmeter groß. Rund um den Fluss gäbe es etwa neun Hektar Wald und Wiesen. „Hier können sich Gäste aus Riga bestens erholen. Ich werde Gästezimmer einrichten“, erzählt er von seien Plänen, „und auf dem Dach wird es Sonnenkollektoren geben.“ Außerdem gäbe es auch Platz für ein Museum über das Müllerhandwerk.

Autorin: Birgit Johannsmeier
Redaktion: Mareike Röwekamp